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Ausgabe:

1919

Spalte:

176-177

Autor/Hrsg.:

Häfele, Gallus M.

Titel/Untertitel:

Franz von Retz. Ein Beitrag zur Gelehrtengeschichte des Dominikanerordens und der Wiener Universität am Ausgange des Mittelalters 1919

Rezensent:

Ficker, Gerhard

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Theologifche Literaturzeitung 1919 Nr. 15/16.

176

feine befondere Aufmerkfamkeit der Erforfchung des Gebietes
füdlich der heiligen Stadt bis in die Gegend von Arad
gewidmet und legt uns in diefem Buche das Ergebnis
feiner Studien vor. Es fleckt viel ehrliche Arbeit darin,
geiftige fo gut wie körperliche — denn reifen, beobachten
, meffen, photographieren, zeichnen in jener Gegend
ftellt ungewöhnliche Anforderungen an Leiftungs- und
Duldungsfähigkeit eines europäischen Gelehrten. Aber
die Arbeit hat fich gelohnt, denn fie lehrt uns, wie er-
ftaunlich dicht von Chriften bewohnt diefe heute fo öde
Gegend vom 4.—7. Jahrhundert gewefen ift, und zeigt
wieder einmal an einem dankbaren Beifpiel, wieviel durch
fleißige Unterfuchung an Ort und Stelle in Verbindung
mit forgfältiger Verwertung der fchriftlichen Überlieferung
zu gewinnen ift. Freilich, große Kunftwerke der Architektur
treten uns nicht entgegen: der einzige wirklich be-
deutfame Bau von relativ guter Erhaltung, die Abrahamskirche
zu Hebron, ift der wiffenfchaftlichen Unterfuchung
durch islamitifchen Fanatismus entzogen, und was fonft
vorhanden ift, bietet wenig mehr als kümmerliche Refte
von Grundmauern und vereinzelte Trümmer von Werk-
ftücken. Immerhin ift es kunftgefchichtlich von Intereffe,
die enge Verwandtfchaft der erhaltenen Bafilikenrefte mit
den fyrifchen Typen feftzuftellen. Befonders häufig, wenn
nicht gar die Regel, scheint die Anlage der Apfis nebft
Prothefis und Diakonikon innerhalb des Gefamtrechtecks
der Bafilika zu fein, während in Syrien diefe drei Räume
oder die Apfis allein auch gern als Anbauten des Hauptraumes
erfcheinen. Beachtenswert ift das Nebeneinander
von Narthex und Atrium, das uns zweimal begegnet
(S. 208. 211), Die mehrfach auftretende Verbindung der
Kirche mit Klofteranlagen unterftreicht die aus der Literatur
bekannte Vorliebe des Mönchtums für die Steinöden
Paläftinas. Alle Einzelheiten in den Befchreibungen,
Zeichnungen und Photographien machen den Eindruck
zuverläffiger Sauberkeit, und die Erörterung der literari-
fchen Angaben gefchieht mit befonnener Kritik.
Jena. Hans Lietzmann.

Oriens Christianus. Halbjahrshefte f. die Kunde des chriftl.
Orients. Hrsg. v. Dr. A. Baumftark. N. S. 5.—8. Bd.,
je 2 Hefte. (363, 345 u. 195 S. m. Taf.) Lex.-8°.
Leipzig, O. Harraffowitz 1916—18. Der Jahrg. M. 20 —
Auch auf den Umfang des O. Ch. hat in den Jahren
1917—18 die Kriegsteuerung befchränkend eingewirkt.
Doch hat fein Inhalt nach Sache und Methode nicht darunter
gelitten. Ich möchte feinen Aufftieg vergleichen
mit dem der Byzant. Zeitfchrift unter dem verewigten
Krumbacher.

Von allgemeinem Intereffe find die fünf außerkanonifchen
Paralleltexte zu den Evangelien, die der Herausgeber
Jahrg. 6 S. 49;—64 nachweift. Die wichtigften find die
Abweichungen zu Luc. 24,6 und Matth. 28,5: ovx lonv
möe' m£Q xa&mq elnev, und namentlich die Verbindung
von Luc. 24, 36; Joh. 20, 19 u. 26 und 14,27 bei der
Himmelfahrt: ElQTjvr) v/xlv, sIq^vtjv rrjv efir/v öiöcofii, sl-
Qr)vrjV xrjv sfirjv (d<piT][ii vfilv). Es find Umfchritten an Medaillons
eines in franzöfifchem Privatbefitz befindlichen
Armbands. Baumftark kommt nach kehr eingehenden
Unterfuchungen zu der Annahme, daß diefe Parallelen
auf ein außerkanonifches Evangelium zurückweifen können,
deffen Nachhall in der ägyptifchen Gregoriusliturgie, der
alten Liturgie der Maroniten und bei Optatus v. Mileve
fich findet.

Ins gefchichtliche Gebiet führt Allgeiers fortgefetzte
Behandlung der Siebenfchläferlegende (Jahrg. 6, S. 1—43;
Jahrg. 7. u. 8S. 33—87). Hatte er in Jahrgang4und 5 nach-
gewiefen, daß die längere fyrifche Quelle fchon um 500
im Umlauf war, erhalten wir jetzt den kritifch hergeftellten
Text mit deutfcher Überfetzung und Beifügung der Paragraphenzahlen
des Metaphraften, was die Vergleichung
der fyrifchen und der byzantinifchen Geftalt erleichtert.
Den Schluß macht der kritifche Apparat. Die Abhandlung
hat nicht allein für fyrifche Philologen, fondern für

! die Legendenforfchung überhaupt Wert. Infonderheit tritt
! auch hier hervor, daß viel Byzantinifcb.es in Syrien feine
| Heimat hat. — In einem kurzen fehr fpeziell gehaltenen
Auffatz befchäftigt fich Felix Haafe in Breslau mit der
Abfaffung der Edeffenifchen Chronik und fucht diefe
gegen die Annahme einer fpäteren Datierung auf das
Jahr 540 feftzulegen (Jahrgang 7. u. 8. S. 88—^6). Auch
die Quellen der Chronik werden dabei aufgewiefen.

Aus den Arbeiten über Liturgie und den übrigen
Kirchendienft verdient hervorgehoben zu werden, was
Graf über die Konfekration des mit Waffer gemifchten
Weins außerhalb der Meffe nach einem .Hagiasma-
tarion' — fo würde ich auf orthodox fagen — des melki-
tifchen Ritus mitteilt, das fich in Berlin handfchriftlich
findet Der Überfetzung nach, die dem Text beigefügt
ift, halte ich die Angaben für richtig. Der Wein diente
vielleicht einer Krankenkommunion. — Von großer Bedeutung
ift die Abhandlung von Egon Willesz, Privatdozenten
in Wien über die Kirchenmufik im byzantinifchen
Reich (Jahrgang 6, S. 91—125 und 7. u. 8. S. 97—118).
Gefundes Urteil und große Berückfichtigung der Literatur,
wobei die der orthodoxen Kirche nicht fo gut wegkommt
, wie ich wünfchte, zeichnen feine Aufftellungen
aus. Von der Gefchichte diefes Zweiges der Wiffenfchaft
ausgehend, kommt er auf den Unterfchied der Beftand-
teile der Notenfchrift, die nur Hebung und Senkung und
derer, die wirklich die Tonhöhe angeben und geht dann
auf die Schwierigkeit ein, die für die Übertragung in moderne
Notenfchrift befteht, wodurch die Mufik der Byzantiner
für uns erft genießbar wird. Das alles unter
gefchichtlicher Darftellung diefer höchft fchwierigen
Fragen und mit Vorführung von abbildlichen Darftellungen
und Überfetzungen in die abendländifche Schrift. Trotzdem
wird für den, der in Klöftern täglich hat die byzantinifchen
Melodien fingen hören, die abendländifche
Übertragung etwas Fremdes behalten. Es bleiben zwei
völlig gefchiedene Auffaffungen von Mufik.

Aus der Kunftgefchichte bringt der bekannte Archäologe
Kaufmann ein größeres fpätkoptifches bemaltes
Grabtuch aus Antinoupolis in Oberägypten zur Abbildung,
das ihm leider auf dem Transport 1908 abhanden kam.
(Jahrgang 7 u. 8, S. 128—132) und der Herausgeber weift
unter dem Titel: Koptifche Kunft in Jerufalem (Jahrg. 5,
S. 285—292) an einigen koptifchen Kirchendenkmälern in
Jerufalem nach, wie ftark der dort herrfchende Gefchmack
auch auf die koptifchen Kunfterzeugniffe gewefen ift.
Hannover. Ph. Meyer.

Häfele, Dr. P. Gallus M., O. Pr.: Franz von Retz. Ein

Beitrag zur Gelehrtengefchichte des Dominikanerordens
u. der Wiener Univerfität am Ausgange des Mittelalters
. (XXIII, 422 S. m. 6 Tafeln.) gr. 8°. Innsbruck,
Verlagsanft. Tyrolia 1918. M. 13.20

Mit gutem Grunde wendet fich die Forfchung der
Gefchichte der Theologie des fpäteren Mittelalters immer
mehr zu. Sie hat je länger je mehr die richtigen Maß-
ftäbe für ihre Beurteilung gefunden. Es ift befonders
erfreulich zu fehen, daß es fich immer deutlicher heraus-
ftellt, daß die Kritik unferer Reformatoren an der Theologie
des Mittelalters und feinen Zuftänden nicht nur nicht
ungerechtfertigt, fondern fogar fehr milde gewefen ift.
Ein Beweis dafür ift auch das vorliegende Buch mit feinem
reichen Inhalte. Freilich möchte der Verfaffer gern durch
eine Reihe von Erklärungen und Entfchuldigungen die
üblen Zuftände etwas weniger fchlimm erfcheinen laffen,
aber die Tatfachen fprechen doch zu laut, und der Ernft
des Dominikaners Franz von Retz, Profeffors an der Univerfität
Wien (f I427). deffen Leben, Schriften und Theologie
in eingehender forgfältiger und fördernder Unterfuchung
vorgeführt werden, ift zu gewichtig, als daß feinen
Äußerungen der Glaube verfagt werden dürfte. Man
erhält einen ftarken Eindruck von der Gelehrfamkeit des
Mannes, der auch in den Kirchenvätern und den klaffifchen
Autoren Befcheid weiß, wobei freilich noch nicht ganz klar