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Ausgabe:

1918

Spalte:

171

Autor/Hrsg.:

Brockelmann, Carl

Titel/Untertitel:

Semitische Sprachwissenschaft. 2., verb. Aufl 1918

Rezensent:

Schwally, Friedrich

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Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 14.

172

mit fich, daß uns die Lektüre iflamifcher Katechismen,
die doch nur die Grundzüge enthalten, heute noch große
Schwierigkeiten bereitet. Vor allem fehlt es uns an Ver-
ftändnis für die myftifche Geftalt Muhammeds, auf die
zahlreiche Logos- und Chriftusmotive übertragen wurden,
und die für die Ethik des Muflim von größter Bedeutung
ift. Über Muhammed als Logos ließe fich allein eine
umfangreiche Studie fchreiben. — Es ift dringend zu
wünfchen, daß B. feine fchönen Pläne zur iflamifchen
Ethik ungefäumt zur Ausführung bringt. Auch das
reiche Material zur Sitte im Iflam, das in Gazali verborgen
liegt, verdiente gehoben zu werden.

Bonn. Horten.

Brockelmann, Prof. Dr. C.: Semitifche Sprachwiflenlchaft.

2. verb. Aufl. (Sammlung Göfchen. Nr. 291.) (160 S.)

kl. 8°. Berlin, G. J. Göfchen 1916. Geb. M. 1.25

Diefe neue Auflage bringt wie die erfte eine ltreng
wiffenfchaftliche Darfteilung der äußeren Schickfale und
der inneren Flntwicklung der femitifchen Sprachen, indem
fle den in der indogermanifchen Sprachwiffenfchaft längft
erprobten Grundfätzen der Forfchung treu bleibt. Die Anordnung
des Stoffes ift im wefentlichen unverändert geblieben
. Die ftärkfte Umftellung betrifft die Paragraphen
über Tempus- und Modusbildung, welche jetzt vor der
Stammbildung flehen. Im Einzelnen aber wurde überall
den in den letzten zehn Jahren erzielten Fortfehritten der
Wiffenfchaft Rechnung getragen. In den Abfchnitten über
die Schrift und die älteften Sprachdenkmäler find die Er-
gebniffe der archäologifchen Forfchung verwertet, im
zweiten Teil wird namentlich die von H. Bauer angebahnte
Betrachtung des Verbalfyftems berückfichtigt, was der
Darftellung der fog. fchwachen Verba zu Gute kommt.
Sehr ftark umgeftaltet find auch § 188, 189, 190. In der
Lehre vom Nomen ift gleichfalls mancherlei erweitert, z.B.
i; 160 oder umgeftaltet (£• 149). Die durchgehende Mo-
dernifierung zeigt fich auch in Kleinigkeiten wie in der
Erfetzung von ,affyrifch' durch ,akkadilch'. Auf weitere
Einzelheiten einzugehen, fcheint mir nicht notwendig.
Nur gegenüber einer fo wichtigen Frage wie der Bildung
der ,Verba mit u oder i als zweitem Radikal' muß ich
immerwiedermeinenWiderfpruchäußern.Nachmeinem Dafürhalten
befteht deren Eigenart in derBiliteralitätund einem
urfprünglich langen Zwifchenvokal. Die von Brockelmann
für wurzelhaft gehaltenen u und i erklären fich aus
den entfprechenden Vokalen des aktiven Imperfekts. Als
die Sprache daran ging, von diefer Klaffe nach Analogie der
dreiradikaligen Klaffe Steigerungsftämme zu bilden, wurden
die Imperfektvokale confonantifiert, und diefo entftandenen
Vav und Jod wie Radikale behandelt. Die Annahme der
urfprünglichen Länge des Zwifchenvokales ergibt fich
als notwendig, wenn man der anderen biliteralen Klaffe
gedenkt, bei der der Zwifchenvokal urfprünglich kurz war,
was die Verfchärfung des zweiten Radikales, fpäter feine
Geminierung und feine Behandlung als zwei befondere
Radikale nach fich zog. Wie bei der zuerft befprochenen
Klaffe hält Brockelmann auch hier den m. E. fekundären
Zuftand für primär und macht ihn zum Ausgangspunkt
feiner Theorie. Doch das find äußerft fchwierige Probleme
, über die bei dem gegenwärtigen Stande der Forfchung
nicht leicht ein Einverftändnis zu erzielen ift.
Möge der bewährte und inhaltreiche Leitfaden auch weiterhin
dazu beizutragen, fprachwiffenfehaftliches Denken
unter den Semitiften zu verbreiten.

Königsberg i. Pr. Friedr. Schwally.

Gunkel, Hermann: Die Propheten. (145 S.) 8°. Göttingen,
Vandenhoeck & Ruprecht 1917. M. 2—; geb. M. 2.60
Dies Büchlein, das auf feinem Titelblatt das bekannte
Bild Johannes des Täufers von Steinhaufen bietet und dem
nordifchen Werke der Kriegsgefangenen-Fürforge gewidmet
ift, bringt in vier Abfchnitten die aus anderen Arbeiten
Gunkels bekannten Anfchauungen über Propheten

und Prophetismus. (1. Die geheimen Erfahrungen der
Propheten, 2. die Politik der Propheten 3. die Religion der Propheten
. 4. Schriftftellerei und Formenfprache der Propheten.)
Daß es anregend und gut gefchrieben ift, darf man bei
Gunkel von vornherein annehmen; das ift denn auch der
Fall. Selten begegnet eine ftiliftifche Härte wie z. B. S. 29:
,Diefe Verfchiebung in der Form des Erlebens aber ift
zufammen mit einer Änderung des Inhalts' ftatt ,ift verbunden
' oder .fällt zufammen'. Betreffs des Inhalts ift zu
bemerken, daß neben lebhafter Zuftimmung doch auch
häufig Ablehnung fich geltend machen wird. Es ift doch
nicht richtig, daß die Wellhaufenfche Schule für die Erkenntnis
der Propheten nicht allzuviel geleiftet habe (S. 3). Man
kann dagegen mit Recht auf Wellhaufen felbft hinweifen,
der doch wohl mit feiner .Schule' zufammengenommen
werden foll. Das Verftändnis der Propheten und der Pro-
phetie hat vor Duhm befonders Ewald erfchloffen. Es
fällt auf, daß Gunkel ihn nicht neben oder vor Duhm und
Hölfcher nennt (S. 3). Wenn es von den Propheten-
fcharen 1. Sam. 10. 19. u. ö. heißt, ,eine Erfcheinung,

1 die bis in die fpätefte Zeit hinein mit unerfchütterlicher
Beharrlichkeit das eigentümlich Ifraelitifche in Religion
und Sitte vertreten hat, kann unmöglich fremden Urfprungs
fein' (S. io.), fo fcheint mir auch das zu fchnell geurteilt
zu fein. Warum foll nicht eine Einrichtung von außen
hier übernommen und für den Dienff der ifraelitifchen
Religion verwendet fein können. Man denke an den von
Thrakien nach Griechenland in die griechifche Religion
eingeftrömten Dionyfoskultus! Es fpricht doch nicht fo
Wenig für den kanaanäifchen Urfprung einer Erfcheinung,
wie fie uns in dem Nebi'im 1. Sam. 10. 1 S. 19 u. ö. ent-

I gegentritt. Zu der fonft anfprechenden Konjektur Dn^putifc
üjn Jer. 17,16 äußere ich doch das Bedenken, daß px
fichfonft nicht mit dem Akkufativ der Sachegebrauchtfindet.
Das auch fonft wohl zu bemerkende Streben, die Gründe
der Literarkritik zu leicht zu nehmen, tritt m. E. befonders
bei Jef. 37,22 ff. hervor, einem Lied, das gewiß nicht
von Jefaja flammt. Der wird dem Affyrer das Wort:
,mit meinen Sandalen trocknete ich alle Ströme Ägytens
aus' Ichwerlich in den Mund gelegt haben. Erft Affar-
haddon und Affurbanipal drangen in Ägypten ein. Ihnen
mag man fälfehlich folch ein Rühmen nachgefagt haben.
Damals aber lebte Jefaja nicht mehr. Und doch nennt
Gunkel dies Lied einen .raufchenden Jubelhymnus' des
Jefaja (S. 60). —. Ebenfowenig wie man ein Stichwort
als kleinfte Einheit eines Verfes bezeichnen wird, kann man
Namen wie, Reft kehrt' .Eilebeute = Raubebald' u. a. als
allerältefte prophetifche Einheiten anfehen (S. 116) Wenn
Hofea im Gegenfatz zu den Gefühlen der altprophe-
tifchen Kreife, wie fie uns in der Elia- und Elifafage
entgegentreten, die Vernichtung des Haufes Jerobeam
als fchwereBlutfchuld in Ifrael empfindet und nennt, fo
darf man daraus nicht fchließen, ,noch in Hofeas Tagen
harrten Jehovas Getreue auf feine gerechte Vergeltung.'
Hofea kann — wie oft fehn wir das bei Propheten —
mit feiner Meinung ganz allein geftanden haben. Durchaus
unglücklich Icheint mir, daß gerade Jef. 29, 1—7 als
Mufterftück für die .höchfte Kunft der Propheten', als ein
Stück .vollendeter Einheit' vorgeführt wird.

Daß hier in Vers 5 und 7 die Überarbeitung fehr ftark
eingriff, fcheint mir ficher. Die Behauptung, daß in den
Heidenorakeln der ältefte prophetifche Stil zu finden fei,
läßt fich fchwerlich beweifen. . . Schließlich darf es auch
einmalausgefprochen werden, daß die metrifchen Verfuche
und Unterfuchungen von Sievers nicht nur Förderung
(oft auch Verwirrung) für die Wiffenfchaft vom Alten
Teftament gebracht haben.—

Dabei will ich am Schluß doch hervorheben, daß
viele Teile des Büchleins vortrefflich in den Gegenftand
einführen. Steht das, was Gunkel über Jefaja und Jere-
mia fagt, auch nach meinem Erachten nicht auf der Höhe
der Auseinanderletzungen von Duhm, fo find andrerleits
die Ausführungen über Deuterojesaja und namentlich über