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Ausgabe:

1918 Nr. 1

Spalte:

139-140

Autor/Hrsg.:

Weiß, Bernhard

Titel/Untertitel:

Ein gute Wehr und Waffen. Evangelische Heilslehre 1918

Rezensent:

Lobstein, Paul

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139

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 10/11.

140

christlichen Ideals in der Welt überall zu verzichten haben.
,Der Staatsmann, der wahrhaft die Aufgabe des Staates
und damit die feine begriffen hat, ift nicht verftrickt in
einen unlöslichen Widerftreit der Pflichten, Gott zu
dienen und der Welt; jedenfalls nicht mehr als wir
alle, die wir täglich erfahren, daß wir allzumal Sünder
find und des Ruhmes ermangeln, den wir vor Gott
haben follen, daß nur der ewige Gott gut und Vollkommenheit
nicht von diefer Welt ift' (S. 18). Das ift
nun freilich eine fehr bequeme Löfung des Problems, und
es wird wenig Dinge geben, die nicht auf diefe Weife
gerechtfertigt werden könnten. ,Als Chriftenmenfchen
diefer Welt gibt es für uns keine überweltliche Moral'
(S. 25). Das könnte genügen. Aber Wach hat noch
ein zweites, den Konflikt befeitigendes Moralprinzip in
der Referve, die noch einmal wiederholte Formel: ,Gut
ift nur, was fich zur allgemeinen Maxime eignet' (S. 25),
in diefem Falle zur Maxime für die Aufrechterhaltung des
Staates, der zur fittlichen Weltordnung und damit zu
Gott gehört, womit in Wahrheit ein ganz anderes Moralprinzip
als das einer vor der allgemeinen Sündhaftigkeit
kapitulierenden Bergpredigt ausgefprochen ift.

Man fleht, das Dokument ift nicht durch begriffliche
Klarheit ausgezeichnet, aber ein treues Spiegelbild der
ethifchen Mühfale des Kriegsdenkens in Deutfchland.
Auf calviniftifch-puritanifchem und naturrechtlich-demo-
kratifchem Boden wird ganz anders, wenn auch nicht
viel folgerichtiger, philofophiert.

Das zweite Stück des Heftes ift ein Vortrag, der
mannhaft gegen die alle Moral und allen politifchen Ver-
ftand verwirrende Bethmann-PIelze eintritt, aber wefent-
lich politifchen Charakters und daher hier nicht zu be-
fprechen ift.

Berlin. Troeltfch.

Weiß, D. Bernhard: Ein gute Wehr und Waffen. Evange-
lifche Heilslehre. (42 S.) kl. 8°. Berlin, Schriften-
vertriebsanftalt 1917. M. —60; geb. M. 1—

Die evangelifche Heilslehre, die der greife Verf. in
fchlichten, an die Sprache der heiligen Schrift fich an-
fchließenden Worten für gebildete Laien entwirft, verläuft
in vier Abfchnitten, die die wefentlichften Stücke der
Dogmatik und auch ausgewählte Kapitel aus der chriftlichen
Ethik umfaffen: I. Die Lehre von Chrifto (3—9).
II. Die Lehre vom Glauben (10—19). HI. Die Lehre
vom heiligen Geift (20—30). IV. Die Lehre von den
letzten Dingen (31—42). Die ftreng objektiv gehaltene
Darfteilung, die an keiner Stelle von dem wärmeren
Pathos eines perfönlichen Glaubensbekenrftniffes berührt
ift, erhebt nicht den Anfpruch, neue Gedanken oder felbft
alte Anfchauungen in neuem Lichte zum Ausdruck zu
bringen. Der Verf. begnügt fich damit, die herkömmliche
Kirchenlehre ihrer fcholaftifchen Formulierung zu entkleiden
und in die einfache Ausdrucksweife eines aus der
biblifchen Theologie gewonnenen religiöfen Konfenfus zu-
rückzubilden und aufzulöfen. Er ift fichtlich befliffen, den
Inhalt der altbewährten Heilslehre unmittelbar auf den
Lefer wirken zu laffen; er verfchmäht es, den ftarken,
harten Stamm der traditionellen Dogmatik mit poetifchen
oder rhetorifchen Flofkeln zu fchmücken; auch jeder Spekulation
, die fich von der nüchternen Durchfchnittsüber-
zeugung entfernt, zeigt er fich abhold. Zu wiederholten
Malen warnt er vor unfruchtbarem, neugierigem Grübeln
über Geheimniffe, die von dem klaren Schriftwort ablenken
könnten (6, 8, 30, 33, 36). Selbft der nahe liegenden Verfluchung
, feine Ausführungen zu einem religiöfen oder
theologifchen Vermächtnis an die evangelifche Gemeinde
zu gestalten, widerfteht der ehrwürdige Neftor unferer
Gottesgelehrtheit, dem es nur um die Sache zu tun ift, die
er mit Nachdruck und Ernft zu vertreten weiß. Daß
er feinen Lefern ,eine gute Wehr und Waffe' darreicht, foll
fich aus dem Eindruck felbft ergeben, den fein gehaltvolles
Büchlein zurückläßt: er will durch das ihm innewohnende

Gewicht werben und wirken. — Kritifche Bemerkungen an
Einzelheiten anknüpfen oder auch an dem Ganzen Kritik
üben wollen, wäre nach meinem Gefühle nicht recht
am Platze; diefes leichte und wohlfeile Gefchäft dürfte fich
ausnehmen wie ein Vergehen gegen die Pflhrfurcht und den
Dank, den ein jeder Theologe, zu welcher Richtung
und Schule er angehören mag, der reichen Lebensarbeit
des Verf. fchuldig ift.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Falk, Egbert: Der unfichtbare unfterbliche und der lichtbare
vergängliche Menfch nach neueren Forfchungen. Eine
Studie üb. den Tod als e. Entleiblichg. der Seele.
(114 S.) 8». Stuttgart, Waldau-Verl. H. C.Wälde, 191;.

M. 2—

Verf. erhebt in äußerft temperamentvoller Weife den
Vorwurf gegen die Kirche, daß fie trotz ihres Glaubens
an die Auferftehung Jefu den vom Spiritismus vertretenen
Geifterglauben entweder totfehweige oder bekämpfe.
Eine gründliche Auseinanderfetzung mit der Frage nach
den Manifeftationen Abgefchiedener gehört allerdings
auch nach meiner fetten Überzeugung zu den nicht
I mehr abzuweifenden wichtigen Zukunftsaufgaben der
} Theologie. Leider fehlt dem Verf. eine ftrengere wiffen-
fchaftliche Schulung, die ihn zwifchen den mediumiftifchen
Tatfachen an fich auf der einen und ihrer Ausdeutung
I auf der anderen Seite unterfcheiden lehrt. Keineswegs
i jede Materialifationserfcheinung kann als Geifteroffen-
| barung angefprochen werden, fo wunderbar fie auch an
fich fein mag. Es liegt hier vielfach nur eine unbewußte
Betätigung der pfychophyfifchen Kraft des betreffenden
i Mediums vor. Trotzdem laffen fich Methoden finden,
die, richtig angewandt, in einzelnen mediumiftifchen
Tatfachen das Hineinragen einer Überwelt wahrfcheinlich
machen. Doch dazu bietet uns Falk keine Anleitung.
Ziemlich oberflächlich ift feine Bibelkenntnis.

So ift ihm z. B. (S. 18) entgangen, daß nach Gen. 5, 3 f. das erfte
Menfchenpaar noch andere Kinder als Kain und Abel gehabt hat. Sehr
willkürlich ift (S. 33 f.) feine allegorifche Deutung von Jefu jungfräulicher
Geburt.

Anhangsweife werden (S. 85—114) die Auslührungen eines Arztes
mitgeteilt, der auf die Bedcutfamkeit der Telepathie, der überfinnlichen
Gedankenüberl ragung, der Vorausfchau zukünftiger Ereigniffe, der
Körperftrahlungcn und telekinetilcher und teleplaftifchcr Ericheinungen
! bei Betätigung des Mediumismus hinweift.

Den Schluß macht ein Literaturverzeichnis, in dem
u. a. das vom Verf. mehrfach benützte fehr wichtige Buch
des Freiherrn von Schrenck-Notzing über Materialifations-
phänomene (München, Ernft Reinhardt I914) angeführt
wird. Vermißt habe ich ,1m Reich der Schatten' von
der Frau von Esperance (Berlin, Karl Siegesmund 1901),
das ich jedem empfehlen möchte, der den Mediumismus
aus erfter Hand ftudieren will.

Wien. R. A. Hoffmann.

Bezzel, Hermann: Dienft und Opfer. Ein Jahrg. Epiftel-
predigten (Alte Perikopen). 2. Bd.: Die feftlofe Hälfte
des Kirchenjahres. (IV, 291 S.) gr.8°. Leipzig, Dörffl-
ling & Franke 1916. M. 4.50; geb. M. 5.50

Die Fortfetzung des Jahrg. 1917, Nr. 6/7 besprochenen
Bandes. Sie bringt 29 Predigten: je eine für 27 Tri-
nitatisfonntage, Trinitatisfeft und Reformationsfeft; 28 über
die alten Epifteln, die Reformationspredigt über I Mofe
12,2. Die Charakteriftik der Predigtweife, die ich für
den erften Band gegeben habe, trifft auch hier zu. So will
ich nur noch erwähnen, daß die Abzweckung auf die
Neuendettelsauer Gemeinde auch in diefen Predigten gelegentlich
fehr deutlich hervortritt; am deutlichsten wohl
in der intereffanten Predigt über I Kor. 4, 1—9, die die
Gaben Gottes an diefe Gemeinde behandelt. Der ganz
perfönlich andringende, manchmal faft überfcharfe Ernft,
der Bezzel eigen war, tritt z. B. 15 f. 26 fchneidend hervor
. Er fchafft Predigten, die empfängliche, ringende
Hörer tief im Gewiffen gepackt haben müffen. In der