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Ausgabe:

1918 Nr. 1

Spalte:

135-136

Autor/Hrsg.:

Opitz, Walter

Titel/Untertitel:

Lorenz Heydenreich, der Reformator 1918

Rezensent:

Clemen, Otto

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Seite 1

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135

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 10/11.

136

.lutlierifchen Büchlein' las. Das Haupt der Bewegung war der fchon
im reiferen Alter flehende Richter Hans Herbft. An Widerfpruch
gegen die Kirche fehlte es auch hier nicht. Zwar machte die
Schwabacher Geiftlichkeit und vor allem Pfarrer Joh. Link in mancher
Beziehung von ihren Standesgenoffen in anderen Städten eine rühmliche
Ausnahme; an ihrem fittlichen Lebenswandel hatte man nicht das
geringfte auszufetzen; aber allgemein war das Bewußtfein, daß fie ihrer
eigentlichen Aufgabe gar nicht geiecht wuiden. Mochte bei dem gewöhnlichen
Volk das beftändige Betonen der kivchl. Rechte auf Zehnten
und Gilten einen Stachel zurückgelaffen haben, die Führer beklagten
den Mangel an rechter Predigt des Wor.es Gottes; man war des beftän-
digen Anführens der kirchlichen Satzungen auf der Kanzel überdriifüg.

Zum erftenmal kam es am 24. II. 1523 zu einem Zarammenftoß
zwifchen Gemeinde und den Prieftern. Das Plakat, das alle durch
den Befuch der Altäre verheißenen Indulgenzen enthielt und wie gewöhnlich
an die Kirchentüre angefchlagen worden war, wurde zerrilfen.
Zugleich tat die Stadt kund, daß man fich entfchloffen hätte, einen gemeinen
Karten' aufzurichten. Dem Eingreifen des Eichftätter Bifchofs
gelang es zwar, die Bewegung noch einmal aufzuhalten; aber im Herbft
follte es wieder zu ärgerlichen Szenen kommen. An der Kirchweihe
(27. Sept.) (lieg ein als Tuchknappe verkleideter Mönch hinter dem
Prediger auf die Kanzel und überreichte ihm einen .gedruckten Ablaß,
worin die wahren Beichtiger auf das Verdienft Chrifti einig und allein
hingewiefen wurden'. Der Amtsverwefer ließ zwar den Tuchknappen
hinter Schloß und Riegel bringen; aber die Haltung der Menge be-
wog ihn, ihn aus dem Gefängnis baldigft zu entlaffen. Die Ansbacber
Regierung, die es aus guten Gründen mit dem Patron der Stadtpfarrei,
dem Klofter Ebrach, nicht verderben wollte, mahnte alle zur Ruhe.

Erft im nächften Frühjahr gelang es der Bürgerschaft, ihr Ziel
wenigftens teilweife zu erreichen; der neue Amtmann Wolf Chriftoph
von Wiefenthau war ein eifriger Förderer der ev. Sache. Am 5. II.
1524 wurde der allgemeine Kaden nun doch aufgerichtet; am 14. II.
erfcholl zum erdenmal eine ev. Predigt durch den Augudiner Hans
Dorfch von Nürnberg, dem am nächden Sonntag Hans Feilmeyer von
Riedlingen folgte- Man gedachte fchon der ev. Predigt eine besondere
Wirkfamkeit durch Errichtung einer eigenen Predigtdelle zu ermöglichen.
In drei Flugfchriften wandte fich Hans Herbd energifch gegen feinen
Schwager Hans Link und dellte ihm eindringlich die geidliche Not des
Volkes vor Augen. Dem Markgrafen Kafimir war dies Vorgehen fchon
mit Rückficht auf die Säkularifationspläne mit dem Kloder Ebiach ungelegen
. Doch fah er ein, daß man der ganzen Bewegung Rechnung
tragen müffe. Die von der Stadt aufgenommenen ev. Prediger mußten
zwar weichen; aber de fanden in dem vom Markgrafen gei'andten Augudiner
Joh. Hofmann aus Nürnberg einen gleichgefinnten Nachfolger.
Pfarrer Joh. Link kam bald felbd zur Überzeugung, daß feines Bleibens
hier nicht mehr länger fein könnte. Er refignierte 1. VI. 1525 feine
Pfarrei und zog fich auf die Wallenrodifche Pfründe zurück; der wieder
zurückgerufene Hans Feilmeyer wurde fein Nachfolger. Die mark-
gräfliche Regieruug hatte es gebilligt; nachdem die obigen Pläne ge-
fcheilert waren, brauchte man auf Ebrach keine Rückficht mehr zu
nehmen. Von nun an verläuft die weitere Entwicklung in ruhigen
Bahnen. Der Regierungsantritt des Markgrafen Georg raubte dem
alten Pfarrer alle Hoffnung auf eine Wiederherdellung der früheren
Verhältniffe; er zog fich auf feine Kanonikate in der Pfalz zurück.
Unter Mag. Augudin Obermeier, der von 1528—47 in Schwabach
wirkte, wurde die Organifation der ev. Kirche vollendet, daß fie auch
fchwere Zeiten überdehen konnte.

Die Bedeutung der hier fkizzierten Bewegung liegt
klar am Tage. Die Bürgerfchaft ift es, welche im zähen
Ausharren doch die Gewährung ev. Predigt durchzufetzen
wußte; die Führer der Bewegung, vor allem den Stadtrichter
Hans Herbft treiben ganz allein religiöfe Motive,
der Hunger nach dem Worte Gottes. Die Ähnlichkeit
mit der Entwicklung in der Reichsftadt Nürnberg tritt
klar zu Tage; Hans Herbft erinnert in mancher Weife an
den Ratfchreiber Lazarus Spengler.

Etliche Ergänzungen zu der trefflichen, nur manchmal
in ihren Schlüffen zu weitgehenden Darftellung habe
ich an anderm Orte fchon gegeben.

Alfeld. Schornbaum.

Rofenkranz, Geh. Kirchenr.: Die Einführung der Reformation in
der rächfifchen Oberlaufitz, nach Diözefen geordnet. Hrsg. in
Gemeinfchaft m. Pfr. i. R. Sauppe, fowie Palt. Pf. Klein, Mar.-
Pfr. Ronneberger, Pf. i. R. Scheuffler und Tifcher. Mit 6 Abb.
(auf Taf.). (VIII, 180 S.) 8". Leipzig, A. Strauch 1917. M. 2 —
Opitz, Prof. Dr. Walter: Lorenz Heydenreich, der Reformator.
Zur 400jähr. Reformationsgedächtnisfeier 1917, verbunden m.
e. Auszug aus Luthers ,Sermon von den guten Werken', bearb.
v. O. (Sammlung v. Lebensbildern hervorrag. Zittauer.) (VI,
84 S. m. 1 Bildnis.) 8». Zittau, F. Oliva (1917). M. 2.50

Die Einführung der Reformation in der Laufitz hat rund ein
Jahrhundert gedauert, wenn auch in den Städten Bautzen, Kamenz,
Löbau und Zittau ihr Sieg fchon um 1540 entfehieden war und
einzelne Dörfer fleh fehr früh dem Evangelium zugewandt haben.
Der auffällig langfame Verlauf der Reformationsbewegung in der

Laufitz hat verfchiedene Gründe. Zwar hat die Abhängigkeit von
Böhmen nicht besonders hemmend gewirkt, auch der Widerftand
des Stifts Bautzen und der Klöfter war gering, aber der niedrige
Bildungsftand der Wenden und der Mangel an hervorragenden
geiftesmächtigen Führern — außer in Zittau, f. u. — erklären
das langfame Tempo. Das nw guten Abbildungen gefchmückte
Buch enthält fünf Kapitel. Zuerlt gibt der Herausgeber des
Sammelwerkchens, Geheimrai Rofenkranz, einen Überblick über
den Zuftand der Kirche der Laufitz vor der Reformation, und
dann fchildern die Mitarbeiter den Gang der Reformation im
Stadt- und Kirchenkreis Bautzen, Kamen?., Löbau, Zittau und in
den erbländifchen Parochien innerhalb der Oberlaufitz.

Dem Kapitel über Zittau geht parallel das trotz der Kriegszeit
fehr gut ausgeltattete Büchlein von Opitz. In Zittau haben
zwei tüchtige Theologen an der Spitze der Reformationsbewegung
geftanden: Lorenz Heydenreich und Martin Tectander, der Ver-
faffer der Kirchenordnung von 1564. Während die Wirkfamkeit
des letzteren nur am Ende kurz berührt wird, werden Leben und
Wirken Heydenreichs (erft Altarift, feit 1521 Prediger in Zittau,
1530 vertrieben, 1545 zurück, gelt. 1557) eingehend dargeftellt.
Da er Luthers Sermon von den guten Werken zur Grundlage
feiner gegen die katholifchen Mißftände gerichteten Predigt wählte,
diefer alfo für die Zittauer Reformationsgefchichte große Wichtigkeit
hat, ift eine ausführliche Inhaltsangabe der Lutherfchrift
eingefügt.

Mitau. O. C lernen.

Volbehr, Dr. Friedrich, u. Dr. Richard Weyl: Proferforen und
Dozenten der Chriftian-Albrechts-Univerfität zu Kiel 1665 bis 1915

(5. Oktober). Neblt e. Anh.: Die Lektoren, Lehrer der Künfte
u. Univerfitäts-Bibliothekare. Begonnen v. V., verbeffert u.
bis zum 250jähr. Beliehen der Univ. fortgefetzt v. W. (XI,
194 S.) gr. 80. Kiel 1916. (Univ.)

Diefes Verzeichnis der Kieler Dozenten und Bibliothekare
mit den Daten von Geburt, Tod und Laufbahn follte zur Feier
des 250jährigen Beftehens unferer Univerfität (5. Okt. 1915) ausgegeben
werden. Der Krieg hat das Jubiläum verhindert; daß
er die Ausgabe nicht verhindert, fondern nur um ein Jahr ver-
fchoben hat, werden viele dankbar begrüßen. Wer in folchen
Verzeichnifien zu lefen verlieht, findet fie unerfchöpflich, reich
an perfönlichen und fachlichen Angaben, alte und neue Erinnerungen
weckend; und in jedem Falle find fie ein feftes Gerüfte
einer Univerfitätsgefchichte. Mit mufterhafter Sorgfalt hat der
Prof. der Rechte in Kiel, Weyl, Friedrich Volbehrs 1887 errchie-
nene Schrift: Profefforen und Dozenten der Chriftian-AIbrechts-
Univerfität zu Kiel 1665—1887 nicht nur bis zum 5. Okt. 1915
ergänzt, fondern auch neu bearbeitet. Nur wer eine ähnliche
Aufgabe einmal zu löfen gehabt hat, weiß, welche Unfumme von
Arbeit ihre Löfung erfordert. Wirklich brauchbar ift ein folches
Buch nur, wenn fehlerhafte Angaben fo gut wie ausgefchloffen
find. Hier ift das Möglichfte an Sorgfalt und Umficht geleiftet
und damit ein vortreffliches Hilfsmittel gelchaffen, für das jeder
Benutzer dankbar fein wird. Mag auch diefes Verzeichnis der
reichen Gefchichte unferer Univerfität neue Freunde gewinnen!

Im Archiv für Kulturgefchichte wird nächftens eine Arbeit
von Prof. Weyl erfcheinen unter dem Titel: ,Ein Vierteljahrtaufend
Kieler Gelehrtenleben', in der er einen Teil feiner Forfchungen
und Beobachtungen zufammenfaßt.
Kiel. G. Ficker.

Schlatt er, Pfr. Wilh.: Gefchichte der Bafler Miffion 1815

— 1915. Mit bef. Berückf. der ungedr. Quellen dargeftellt
. 2. Bd.: Indien u. China. 3. Bd.: Afrika. Mit
je 2 (färb.) Karten. (XIII, 452 u. XV, 345 S.) Lex. 8<>.
Bafel, Bafler Miffionsbuchh. 1916. jeM.4—; geb. M. 5.20
Der erfte Band diefes nun vollendeten und bis zum
Beginn des Weltkrieges durchgeführten Werkes ift im
41. Jahrgang diefer Zeitfchrift, Nr. 20/21, vom 28. Okt.
1916 befprochen worden. Der zweite Band behandelt
die Bafler Miffion in Indien (1 — 270) und in China
(271 — 421), der dritte diejenige in Liberia (1—18), auf
der Goldküfte, (19—198), in Togo (199—212) und Kamerun
(213—330). Beide Bände find mit Quellennachweifen
, Regiftern und guten Karten verfehen. Meine
Charakteriftik des erften Bandes paßt auch auf die
beiden letzten. Das ganze Werk ift eine durch und durch
folide und gewiffenhafte, aktenmäßige Arbeit, zum Nach-
fchlagen geeignet, für ein wirkliches Studium der Bafler
Miffion fortan unumgänglich, für Sachverftändige und
begeifterte Anhänger der Bafler Miffion eine wertvolle
Fundgrube. Ob es feinem Inhalte und Werte entfprechend
gelefen werden wird, ift mir zweifelhaft, einerfeits feines Um-
fanges wegen, andrerfeits, weil es eben doch reichlich viel