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Ausgabe:

1918 Nr. 1

Spalte:

132-133

Autor/Hrsg.:

Martin, Alfred von

Titel/Untertitel:

Mittelalterliche Welt- und Lebensanschauung im Spiegel der Schriften Coluccio Salutatis 1918

Rezensent:

Scheel, Otto

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I3i

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 10/11.

132

Weife, Priv.-Doz. Georg: Unterfuchungen zur Gefchichte der
Architektur und Plaftik des früheren Mittelalters. Mit 22

Abb. im Text u. 9 Abb. auf 5 Taf. (VI, 160 S.)
Lex. 8°. Leipzig,B. G. Teubner 1916. M. 6 —; geb. 7.80

Weife bereitet eine Gefchichte der romanifchen
Architektur und Plaftik Deutfchlands vor. Vorarbeiten
hierzu und Ergebniffe aus folchen bilden den Inhalt diefes
Buches. Es find im ganzen 13 Nummern, alles Auffätze
kleineren und kleinften Umfanges von einer bis höchftens
21 Seiten ohne Ordnung zufammengeftellt und alle mit
einander verbunden durch den Rahmen der karolingifchen
und frühmittelalterlichen Zeit, innerhalb deffen die in ihnen
niedergelegten Unterfuchungen fich bewegen. Weltbewegende
Dinge erfahren wir aus ihnen nicht, fo daß man
fich wohl fragen kann, ob das mancherlei Neue, das
fie tatfächlich bringen, nicht getroft hätte für das größere
Werk aufgefpart werden können.

Nur eine Nummer befchäftigt fich mit Plaftik, VIII, die an zwei
einzelnen Beifpielen die Abhängigkeit der Kunft Tirols von Obcritalien
erweift, indem fie (A) eine Maieftas Domini im Tympanon des füdlickcn
Seitenschiffes der Stiftskirche zu Innichen im Puftertal nach dem ent-
fprechenden Vorwurf in der öftlichcn Halbkuppel des Baptifteriums zu
Parma, der jedenfalls auch gleich dem übrigen 1196 begonnenen Skulp-
turenfehmuck von Benedetto Antelamis flammt, gearbeitet fieht und
!B) die rätfclhaften Skulpturen der beiden Portale am Ritterlaal und
der Kapelle der Burg Tirol (12. Jh.) hinfichtlich ihres, bisher noch
nicht ins Auge gefaßten, künftlerilchen Stiles von S. Michele in Pavia
(1. Hä fte des 12. Jhs.) herleitet, das feinerfeits ein Schulmittelpunkt
war. Nur eine Nummer hat einen Profanbau zum Gcgenftand, VII,
die den Bau der Pfalz von Gelnhaufcn gegenüber der üblichen Datierung
kurz vor 1200) in den 70er Jahren ausgeführt und 1180 bereits fertig
fein läßt. Die übrigen Stücke betreffen durchweg Denkmäler der kirchlichen
Architektur, nämlich I St. Philibert zu Tournus (Nachweis, daß
die jetzige doppelgefchoffige Vorkirche im Jahre der Elevation des hl.
Valerian 979 noch ohne das heutige Langhaus und den Chor, alfo, nur
gegen Often länger und mit eigenem Abfchluß, felbftändige Kirche war,
der ,,etwa um das Jahr icoo" der gröllere Teil des jetzigen Gefamtbaues
angefügt wurde); II die ältefte Utrechter Bifchofskirche Igegen
Müllers Rekonftrution); III die Michaelsbafi 1 ika auf dem Heiligenberg
bei Heidelberg (Bauzeit 863—875, alfo zwei Jahrzehnte
vor der von Schleuning angefetzten); IV die Hl. Kreuzkirche in
Hildesheim (zu Unrecht wenig beachtet, ift fie, freilich nicht intakt
, das ältefte frühmittelalterliche Baudenkmal Hildesheims; Weftbau:
wohl Giebel zwifchen zwei Türmen, Veiwandfchaft mit Gernrode); V
Lorfch; VI Quellennachrichten über einen frühkarolingifchen Zentral-
bau in Eichftätt (auf der Grundform des griech. Kreuzes; daß aber
die Geburtskirche in Bethlehem — Basilika! — Vorbild gewefen fei, ift
fchwer anzunehmen); IX die Kirche auf dem Petersberg bei
Fulda (elfte eingehende, über den ganzen Bau fich erftreckende Untcr-
luchung; Feftllellung des urfprünglichen Grundriffes; Datierung: von
Abt Baugulf, 779—802, errichtet, von Rhabanus Maurus durch Anbau
des Turmes und Ausfchmückung vollendet und 836 geweiht); X die Kirchen
auf dem Frauenberg und auf dem Petersberg bei Fulda, St. Alban
bei Mainz, Scligenftadt und Steinbach (?), als Vertreterinnen eines chroni-
kalifch nachzuweifenden zweigefchofligcn Weftbauty pus am Mittelrhein;
XI Abteikirche zu Schlüchtern im Reg.-Bez. Caffel (Ermittelung
des Grundriffes aus dem .leider nur in fchändlicher Verftümmelung' auf
uns gekommenen, fpäteftens etwa um 800 entftandenen Bau); XII
Schlüchtern, Petersberg bei Fulda, alte Abteikirche dafelbft, Reichenau-Niederzell
als Vertreterinnen eines frühkarolingifchen Kirchengrundriffes
(Fehlen des Qucrhaufes, gerader Chorrchluß, Teilung der Oftpartie
in drei kapellenartige Räume; Verbreitung diefes Grundriffes in Oberitalien
, Spanien, Syrien [!]; am Mittelrhein von c.8oo ab von der, aus Rom
übernommenen, Bafilika mit weitausladendem Querhaus und halbrunder
Apfis abgelöft, am Oberrhein dagegen auch im 9. und 10. Jh. noch nachweisbar
); XIII Dompeter bei Avolsheim i. Eis. (im 10. Jh. umgebaut,
urfprüngliche Anlage 5.—6. Jh., vielleicht noch etwas früher; ,Dompeter
und die Aachener Bafilika find auf deutfehem Boden bis jetzt die einzigen
Beifpielc diefes Typus', 159).

Weile's Unterfuchungen und Ermittelungen bilden in
ihrer Gefamtheit eine wertvolle Förderung auf dem bei
der Lückenhaftigkeit der Denkmäler wie der Dürftigkeit
der Quellen fo wenig durchfichtigen Gebiete der karolin-
gifch-frühromanifchen Architektur und zeigen, wie fchlich-
tes und ernftes Nachprüfen beider noch immer ergiebig
ift, auch wo Vielverhandeltes angefaßt wird. Ob alle feine
Aufftellungen beliehen werden, muß der Einzelunterfuchung
vorbehalten bleiben. Hervorgehoben fei noch befonders,
daß das Buch angenehm zu lefen und fehr fauber gedruckt
ift.

Nur ein einziges Verleben ift mir begegnet: S. 90fr. fleht regelmäßig
Rab.-mus ftatt, wie das erfte und einzige Mal S. 78 richtig, Rhabanus.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Hauck, Prof. Dr. Albert: Kirchengefchrchte Deutfchlands.

4. Teil. Die Hohenftaufenzeit. 3. u. 4. (Doppel-) Aufl.
(VIII, 1070 S.) gr. 8 °. Leipzig, J.C. Hinrichs. M. 19.50;

geb. M. 24—

— Daffelbe. S.Teil: DasfpätereMittelalter. 1. Hälfte. (VIII,
582 S.) gr. 8°. Ebd. M. 10.50; geb. M. 15—

Die Befprechung diefes Werkes erfcheint mit uner-
wünfehter Verfpätung, da fie urfprünglich von einem jetzt
im Felde flehenden Hiftoriker übernommen war, auch
find ihr durch die beftehenden Raumfchwierigkeiten fo
enge Grenzen gezogen, daß von einer eingehenden Würdigung
abgefehen werden muß.

Bezüglich des 4. Teils, der 1903 in 1. und 2. Auflage
erlchien, befchränke ich mich auf die Bemerkung, daß
er gegenüber feiner erften Geftalt eine Erweiterung von
1016 auf 1070 Seiten erfahren hat, in der die forgfältige
Berückfichtigung der inzwifchen veröffentlichten einfchlä-
gigen Literatur— vgl. z. B. die Anfänge der kirchlichen
Organifation in Pommern S.607 und die Urfprünge des Begi-
nentumsS.928 — zum Ausdruck kommt, wennfie auchzutief-
greifenden Umgeftaltungen des Textes keinen Anlaß geboten
hat.

Der 5. Teil ift durch alle Vorzüge der Hauckfchen Ge-
fehichtsfehreibung ausgezeichnet, die einen weitfehichtigen,
aber forgfältig ausgewählten Stoff in lichtvoller und feffeln-
der Darfteilung zu bemeiftern verlieht. Auch von diefem
Band gilt, daß der Verf. einen ftarken Gefamteindruck
hervorruft und zugleich die Spezialforfchung anregt. Die
zur Behandlung gelangende Periode der Kirchengefchichte
Deutfchlands ift die Zeit des Sinkens der päpftlichen Macht in
den Jahren 1250—1347, vom Tode FTiedrichs II. bis zum
Ableben Ludwigs des Bayern, alfo die Zeit des Untergangs
der Staufer und die Regierungszeit der verfchiedenen
Häufern entflammenden deutfehen Könige. Die Darftellung
der kirchenpolitifchen Beziehungen des Papfttums zu
Deutfchland ift der Gegenftand nur des erften und letzten
Kapitels, das den erbitterten Kämpfen mit Ludwig d. B.
gewidmet ift und zu den zahlreichen Streitfragen, die hier
auftauchen, Stellung nimmt, während die große Hälfte
des Bandes fich mit der Darftellung des kirchlichen
Lebens nach feinen verfchiedenen Seiten befchäftigt. Sie
beginnt mit dem Nachweis der Entftehung der geiftlichen
Landesherrfchaft, die für das Reich ebenfo wichtig gewer
fen ift wie für die Kirche ; auf diefen rechtsgefchichtlichen
Abfchnitt weife ich befonders hin. In dem Kapitel ,Die
bifchötliche Kirchenleitung' wird die Stellung des Bifchofs,
dasSynodalwefen, dieRechtsftellungallerBeamten derDiö-
zefanverwaltung, dabei mit Recht befonders eingehend die
Entwicklung der Domkapitel, und die Veränderung des
Sendgerichts dargelegt. Welchen Anteil Deutfchland an der
Blütezeit der Scholaftik gehabt hat, zeigt der Abfchnitt
über die Gefchichte der Theologie auf deutfehem Boden.
Auf den Grundlagen, die aus früheren Zeiten ftammten-
hat die ,Arbeit des geiftlichen Amtes' fich ausgeftaltet,
vornehmlich die Predigttätigkeit und die Sakramentsver,
waltung, über die ausführlich berichtet wird. Im Anfchluß
daran unternimmt es der Verf., das feftzultellen, was
fich über ,die FTömmigkeit' des deutfehen Volkes innerhalb
der in Frage flehenden Periode fagen läßt.

Nach einer Mitteilung des Verlages hat Hauck den
Abfchluß des 5. Bandes noch fertigftellen können, und
der Druck hat bereits begonnen.

Göttingen. Carl Mirbt.

Martin, Alfred v.: Mittelalterliche Welt- und Lebeneanfchauung im

Spiegel der Schriften Coluccio Salutatis. (Hittorifche Bibliothek
, 33. Bd.) (XI, 166 S.) 8». München, R. Oldenbourg 1913.

Kart. M. 4 —

Hätte der Verfaffer fich nicht eingehend mit dem Humaniften
und Weifen Colluccio Salutati (Ende des 14. Jhd.s) befaßt, fo
würde er vermutlich nicht den Verfuch gemacht haben, typifche
Elemente der mittelalterlichen Welt- und Lebensanfchauung in
der Geftalt eines Ausfchnittes aus dem Denken eines Humanilten
zu zeichnen. Natürlicher wäre es doch gewefen, die Eigenart
mittelalterlichen Denkens an einem wirklich mittelalterlichen