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Ausgabe:

1918 Nr. 1

Spalte:

126-127

Autor/Hrsg.:

Delitzsch, Friedrich

Titel/Untertitel:

Philologische Forderungen an die hebräische Lexikographie 1918

Rezensent:

König, Eduard

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Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 10/11.

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feine Beurteilung der Gegenwart fowie feine praktifchen
Vorfchläge find unbrauchbar, fo lange die Bevölkerung
des Orients nicht ausfchließlich aus Philofophen befteht,
mit denen ja, feiner Meinung nach, wie wir fchon vorher
gefehen haben, eigentlich erft die Kulturmenfchheit beginnt.
Dagegen fcheint mir der Verfaffer etwas von feiner phi-
lofophifchen Höhe herabgefunken zu fein, wenn er ,fran-
zöfifchen Phrafen und englifchen Äußerlichkeiten und
Halbbildung gegenüber, den Orientalen die germanifche
Gründlichkeit als allein in Betracht kommende Lehrmei-
fterin' anpreift (S. 25), als ob dem Orient gegenüber die
abendländifche Kultur, trotz aller Verfchiedenheiten, nicht
doch eine gefchloffene Einheit bilde. —

In der neueften Türkei gibt es eine pohtilche Richtung
, die zwar einfieht, daß das Osmanentum in Wiffen-
fchaft und Technik noch lange der Hilfe des Abendlandes
bedarf, aber in allen anderen Beziehungen Selbftbe-
finnuno- der Türken auf ihre nationale Würde fordert
und die Verwirklichung diefes Ideales von einem durch
Angliederung aller verwandten Völker Zentralafiens an
das Osmanenreich zu fchaffenden phantaftifchen Zukunfts-
ftaate Turan erhofft.

Von diefem Schlagwort eines wahnwitzig überfpann-
ten Nationalismus flammt der Titel: ,Das neue Turan'4,
unter dem Arthur von Wurzbach, ein hochgefinnter
Freund türkifchei Mufe, ausgewählte Gedichte moderner
Autoren wie Tewfiq Fikret (3 Gedichte), Mehmed Emin
(4 Gedichte), Mehmed Ekrem nebft einer kleinen Novelle
des Halid Zia in gelungenen deutfchen Nachbildungen
vorlegt. Das Vorwort enthält eine fchwungvolle Darlegung
des turanifchen Programmes, die ebenfo enthufia-
ftifch wie frei von Kritik ift.

Ferdinand Bork behandelt die Georgier (einhei-
mifch Khartuli)5, die im Eidlichen Kaukafus wohnen
und etwa 1—H/2 Millionen zählen, je nachdem man die
Grenzen ihres Volkstums weiter oder enger zieht. Sie
reden eine eigene Sprache, die weder arifch noch femi-
tifch noch altaiifch ift. Ebenlo großes Dunkel lagert
über ihrer Raffezugehörigkeit. Der Verfaffer fchildert die in
alle klimatifchen Zonen fallenden Landfchaften, die zahlreichen
Stämme nach Charakter, Lebensgewohnheiten, Befchäf-
tigung und Bildungsftand. S. 20—28 lkizzieren die politifche
Entwickelung. Ein urgemein reiches und mit Sachkenntnis
ausgewähltes Material ift hier zu einem anfchaulichen und
künftlerifch abgerundeten Gemälde vereinigt. Die uralte und
eigenartige Kultur diefes Volkstums verdient beffer bekannt
zu werden, da fie geeignet ift, die allgemeine Kultur- und Re-
ligionsgefchichte mit wertvollen Anregungen zu bereichern.
Ich verweife nur auf die bemerkenswerten Refte primitiven
Brauchs und Glaubens, die auf Seite 11 ff. zufammenge-
ftellt find. Wenn der Verfaffer am Schluffe die Hoffnung
ausfpricht, daß es nach Zertrümmerung des ruflifchen Ko-
loffes den chriftlichen Georgiern, die in dem türkifchen
Reiche keine rechte Dafeinsberechtigung hätten, befchieden
fei, als füdkaukafilcher Pufferftaat zufammen mit einem
etwa zu begründenden mohamedanifchen Kaukafien eine
neutrale Grenzzone zwifchen Rußland und der Türkei zu
bilden, fo hat riiefe Hoffnung nach der Ratifizierung des
deutfch-ruflifchen Friedensvertrages vielleicht eine gewiffe
Ausficht auf Erfüllung.

Die Aufnahme der vorliegenden Abhandlung in die
Schriften über Länder und Völker der Türkei ift darin
begründet, daß einige Volksteile fchon im Mittelalter zum
Islam übergetreten find und das weltliche Georgien um
die Wende des 18. und 19. Jahrhunderts vorübergehend
der Pforte tributpflichtig war.
Königsberg i. Pr. Friedr. Schwally.

*j Wurzbach, Dr. Arthur v.: Das neue Turan. Ein Gruß an
das erwachende Morgenland 1 (Mit Überfetzgn. aus dem Türkifchen.) 132 S.)
4°- Laibach 1915. (Graz, P. Cieslar.) M. 1 —

s, Bork'Prof. Ferdinand: Das Georgifche Volk. (Länder und
Volker der Türkei. Heft 4.) (28 S.) gr. 8» Leipzig, Veit & Co. 1915

M. 50

Delitzich, Friedrich: Philologifche Forderungen an die
hebräifche Lexikographie. (Mitteilungen der Vorder-
affat. Gefellfchaft 1915. 5- 20. Jahrg.) (37 S.) gr. 8«.
Leipzig, J. C. Hinrichs 1917. M. 2 —

Nach dem Urteil der Sachkenner liegt die Her-
ftellung eines Wörterbuchs auf dem Gebiete der Philologie
, da diefe es nicht bloß mit fprachlichen Formen,
fondern auch mit dem Inhalte der Literaturen zu tun hat.
Alle welche bisher fich an der hebräifchen Lexikographie
beteiligt haben, haben damit philologifche Arbeit ge-
leiftet. Alfo ift es mindeftens feltfam, wenn jetzt Deützfch
mit dem Anfpruch auftritt, ,philologifche' Forderungen
an die hebräifche Lexikographie ftellen zu müffen. Aber
fehen wir nun zu, ob auch die einzelnen leiner Forderungen
, die er zunächft an die neueften Auflagen von
Gef.-Buhl richtet, mit mehr als einem Schein des Rechts
erhoben werdenl

Die erfte feiner Forderungen geht aber dahin, daß
im hbr. WB. ,mit dem Schlendrian der alphabetifchen
Anordnung zu brechen fei' (S. 2). Aber während er fich
nicht genug darin tun kann, fich darüber zu ereifern, daß
man auf dem hbr. Gebiete .noch nicht den Mut gefunden
habe', diefe .Abgefchmacktheif (S. 4) zu beleitigen, hat
er ganz zu erwähnen vergehen, daß nicht nur der 1858
vollendete Thefaurus von Gefenius, fondern auch das 1936
fertig gewordene Hebräifch-Englifche Lexikon von Francis
Bro wn die alphabetifche Anordnung vermeidet und ety-
mologifch ordnet. Alfo fchrumpft das von ihm für feine
erfte Forderung beanfpruchte Verdienft fchon deswegen
zufammen, und befitzt denn die von ihm geforderte Anordnung
der hbr. Wörter auch wirklich bloß Lichtfeiten?
Er felbft muß ja erftens zugeben, daß bei ,zirka 30 hbr.
Subftantiven' die Zugehörigkeit zu einem beftimmten
Verbalftamm noch unficher ift und deshalb bei ihnen die
alphabetifche Einordnung beizubehalten ift. Zweitens
will er die felbltändigen Fürwörter vor dem eigentlichen
WB. gebracht wiffen, während diefe Sprachbeftandteile
doch auch hbr. Stämme und Wurzeln in fich fchließen.
Drittens follen nach ihm die Eigennamen in einem Anhang
hinter dem WB. folgen. Aber welche Schwierigkeit
entlieht fchon dadurch für den, der einen Text überfetzen
will, da er doch keinesfalls in allen Fällen weiß,
welcher Konfonantenkomplex einen Eigennamen darfteilt,
alfo auch nicht weiß, in welcher Abteilung des Buches
er fuchen foll. Alfo mögen doch die Ausfälle gegen die
alphabetifche Anordnung, die doch auch in den griechi-
fchen, lateinifchen und andern Wörterbüchern angewendet
ift, fich beruhigen! — Eine zweite Forderung lautet,
daß nur .wirklich exiftierende Wortftämme' aufgeführt
werden follen. Denn Gef.-Buhl enthalte ,mehr denn 40
Wortftämme, die reine Fiktionen find' (S. 5). Ein folcher
fei der Stamm pp. Die bisher dazu geftellten Formen
feien alle aus dem Stamm pp nach der Analogie von
Dlp erwachfen. Aber man fehe fich die lange Reihe der
Formen an, die nach folcher Analogiewirkung geftaltet
wären, und man wird doch bedenklich werden und dem
Urteile zuneigen, daß neben pp auch ein pp exiftiert
habe. Ja, nachdem Del. auf anderthalb Seiten gegen
die Rückftändigkeit der vorliegenden Wörterbücher zu
Felde gezogen ift, gefleht er auf S. 7, daß allerdings z. B.
rül und am ufw. nebeneinander ftünden, und dabei hat
er noch gar keine Ahnung von den fechs Gruppen folcher
Parallelftämme, die ich ihm vorführen könnte, und z. B.
mit dem von ihm fo fehr verdonnerten 'pp neben yps
fleht ja mtJ ,gut fein' neben durchaus auf der gleichen
Stufe. Folglich befitzt auch feine zweite Anklage gegen
Gef.-Buhl nur einen .Schein des Rechts'.

Indes wenn ich mit der Beleuchtung feiner Forderungen
auch nur fo ausführlich fortfahren wollte, würde
ich mehr Platz als die Seiten feiner Brofchüre brauchen,
und deshalb muß ich mich auf folgende Bemerkungen
befchränken. Er klagt auch über falfche Bedeutungen
bei Gef.-Buhl, und es mag ja verdienftlich fein, wenn er