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Ausgabe:

1918 Nr. 6

Spalte:

87-89

Autor/Hrsg.:

Fischer, E. Fr.

Titel/Untertitel:

Das Gottesproblem 1918

Rezensent:

Eck, Samuel

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87 Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 6 7. 88

etzung dafür gerade die Autorität der Bibel, an der jene j fupranatural' bezeichnet werden (94 vgl. 38). Ohne diefen
nicht teilhaben follen' (S. 92). ! Zufatz ift wohl doch nicht einzufehen, wie fie den Bau

Aber die Art wie Verf. den Individualismus der religiöfen Prü- i tragen follen, der offenbar über ihnen errichtet werden
fang mit dem perföniichcn cbriftusglauben zurücktreten läßt, wird vor j foll. Aber mit dem Zufatz werden wir in eine Lage ver-

allem den Vorreden zur Offenbarung nicht gerecht. In der von 1530 j fetzt, in der das ZU Beweifende in unbeftimmter Form
erwäge man den Satz: .Damit doch niemand gewehrt fein foll, daß ers vorweg genommen wird: die vom Vf. vorgetragenen
halte für |f ^Tn^^&i^ ZZ- Z Zhü, f&A I59' : Argumente für jene vier Tatlachen haben doch nur für

Auch der Maßfiab .Chriftum treiben' ift nur ,ra erfter Linie' ein aus l,sT1 ., r. i j tu t * o , ,

den rechten Hauptbüchern entnommener (vgl. re3 5, 452, 4). Die ! den Beweiskraft, der das behauptete bupranaturale über-
Selbftgewißheit des Cliriftusglaubens, Worte wie .Weiß ich aber, was ich haupt anzuerkennen bereit ift; wo dies Zugeftändnis fehlt,

glaub, fo weiß ich, was in der Schrift fteht' ufw. (W. A. 8, 236, 18 ff.)
unterfchätzt Verf.

Auch der 4. Abfchnitt über ,Die Infpiration der Heil. Schrift'
fördert die genaue Luthcrauflaffung. Aber litcrar- und religionshiftorifch
naive Vorftellungen von der urchriftlichen Schriftftellcrei verrät der Satz
S. 110: ,Wer die nebenfachlichen Angaben vor allem im Neuen Tcfta-
ment aufrichtig prüft, den wird die übliche Vorficht diefer Männer geradezu
in Staunen fetzen, wie fie fo vieles, das wir gerne erführen und
defl'cn Mitteilung fo nahe lag, nicht ausfagen, felbft wenn dadurch die
ganze Gefchichtc unklar wird; wie fie das eine Mal fich völlig benimmt,
das andre Mal mehr oder weniger unbeftimmt ausdrücken, — weil fie
nichts fagen wollen, als was fie ficher wiffen'.

Das 2. Heft ift in der neuen Auflage fo wenig um-
geftaltet, daß man auf Lobfteins Anzeige der erften in diefer
Zeitung 1905, Sp. 13—15 veiweifen kann. Merkwürdig,

wird .vorurteilslofes theoretifch.es Erkennen' nach anderen
Erklärungen der Überlieferung fuchen, und da Meta-
phyfik, Myftik und Glaube zunächft ausgeschaltet fein
follen, ift nicht einzufehen, wie der Vf. dem Recht andersartiger
Erklärungsverfuche wehren will.

Nicht mit Herzens-, fondern mit Denkfragen allein
hat Vf. es zu tun (6). Er ift überzeugt, daß der Weg
zum Herzen heute mit durch den Kopf geht (Vorw. vgl.
S. 284). Die Hauptaufgabe darum, die er fich ftellt, ift,
.manch nebelhaften Dunft in der Erkenntnistheorie z. B.
innerhalb der Begriffe .Glaube' und .Erfahrung' zu zerftreuen
' (Vorw.) Zu diefem Zweck werden in dem um-
fangreichften Teil feiner Schrift (101—284) die Erkennt-

daß auch ein Walther S. 1 das Mißverständnis der Schmal- j nismethoden einiger Vertreter gegenwärtiger Theologie
kaldifchen Artikel mitmacht, die Rechtfertigungslehre fei unterfucht. Fifcher behandelt ausführlich auf der einen
der Artikel, von dem Luther .nichts weichen oder nach- ! Se'te Ihmels, auf der anderen Jul. Kaftan und Häring,

geben' wollte, ,es falle Himmel und Erden' ufw. In Wahrheit
ift dies nicht die Rechtfertigungslehre, fondern die
Lehre von der alleinigen Erlöfung Jefu Chrifti

mehr anhangsweife Luthardt und W. Wrede, Kunze,
Theod. Kaftan und Ed. König. Unter diefen letzteren
wird Ed. König als klaffifcher Vertreter einer exklusiv-

j • • Tz- Thjeme : theoretifchen Methode (275 vgl. 13 ,das klaffifche Para-

dima') vorgeführt und als einfeitig abgelehnt. W. Wrede
wird 263 f. wegen feines Vortrags .Biblifche Kritik und

Fifcher, Pfr. Lic. E. Fr.: Das Gottesproblem. Grundlegung
einer Theorie der chriftlich-religiöfen Gotteserkenntnis
. (VII, 286 S.) gr. 8°. Leipzig, A. Deichert. M. 7 —
Den Titel feines Buches hat Vf. felbft auf der vor-

theologifches Studium' (Vortr. u. Stud. 1907, S. 40fT.)
als Kronzeuge angezogen für die Unentbehrlichkeit kri-
tifcher Gefchichtsforfchung zur Prüfung, Bejahung oder
Beftreitung der Tatfachen, auf die fich das Glaubensletzten
Seite zu rechtfertigen für nötig erachtet. In der ] urteil bezieht. Diese Tatfachen werden bei Werde frei-
Tat handelt es zunächft von dem Gottesproblem über- | lieh anders ausfehen als bei Fifcher. Im Übrigen handelt
haupt nicht. Wo diefes fich immer wieder ankündigen es fich um ,Ausläufer der alten Erlanger und Göttinger
wili, wird es regelmäßig zurückgedrängt. Der Titel er- i Schule d. h. um Francks und Ritfchls Schüler'. Fifcher

fährt feine Rechtfertigung daher, daß ,uns Chriften eben
Chriftus der Weg zu Gott ift'. Alfo foll auch der Weg-
zum Gottesproblem durch das chriftologifche Problem
hindurchgehen. Allein auch diefes wird in dem Buche
nicht in feinem ganzen Umfang behandelt. Fifcher will
nämlich im chriftlichen Glauben überall ein religiös-em-
pirifches, ein religiös-metaphyfifches und ein religiös-ver-
innerlichendes Moment (9) unterfchieden fehen; ihm vollzieht
fich die Offenbarung in innerlichen Vorgängen,
in denen die metaphyfifche Realität Gottes nur fo begriffen
wird, daß etwas Myftifches, praktifch-Religiöfes
dabei in Frage fteht (281 f.). Für dies Übrige nun mag
,fpäter praktifches, dogmatifches und fpekulatives Erkennen
notwendig' werden (100), für die Unterfuchung
der ,finnlich-empirifchen Vorgänge der Offenbarungsge-
fchichte', diefe .Tatfächlichkeit der Erde' (9, 13), wird
,kühle, vernünftige Überlegung' (101), alfo theoretifches
Erkennen verlangt, in das fich Glaube oder Frömmigkeit
oder chriftliche Erfahrung nicht einmifchen follen.

findet, daß im Gegenfatz zu den Meiftern die jüngere
Generation ,fich ganz erheblich näher gerückt' fei (103,
286). Das habe fchon Reifchle (ThLz. 1902, Sp. 34of.) feft-
geftellt, aber mit der Einfichränkung, daß ,in der dog-
matifchen Ausführung die Gegenfätze ftärker hervortreten
würden als in den Prinzipienfragen'. Ift es dann doch
fchon fraglich, wie weit man fich der hier behaupteten
Annäherung freuen darf, fo bleibt jedenfalls alle Theologie
.neugläubigen Charakters' ganz außer Betracht. Mit diefer
Gruppe von Theologen hält Vf. eine Verhandlung
für unnötig (103). Er verwahrt fich wohl gelegentlich
(14, A. 1) gegen den Vorwurf des Scharfmachens, befchul-
digt aber die, die heute auf hiftorifche Methode in der
Theologie halten, des Leichtfinnes wiffenfehaftlicher Überbildung
(55). Ernfthaft zu berückfichtigen find doch nur
die .Schirmherrn des alten Glaubens' (104). Dabei wird
allerdings das gefchichtliche Erkennen, das der Vf. an-
ftrebt, an fo viele Vorausfetzungen gebunden, daß feine
Vorurteilslofigkeit fehr fraglicher Art ift. Darüber wird

Pur die Chriftologie wird Umfchau gehalten nach em- man fich ja weder bei gefchichtlichen Fragen überhaupt

pirifch-feftem Material, robuften kiefelharten Stücken
(86, 99.) wahren brutalen Tatfachen (87), für die die
Plerophorie der Hiftorizität (91) angerufen werden kann;
fo follen .Stücke' im Leben Jefu autgewiefen werden, bei
denen -wir auf Granit flehen, dem Granit des gefchichtlichen
vorurteilslofen theoretifchen Urteils (88), zu deffen
Anerkennung es keines herzlichen Verhäitniffes zur
Religion, keiner gläubigen Angehörigkeit zur chriftlichen
Religion bedürfen foll (88). Die .Stücke', die Fifcher
nahmhaft macht und der Reihe nach ausführlich be-
fpricht, find: das übermenfehliche Hoheitsbewußtfein
Jefu, feine Unfündlichkeit, feine leibliche Auferftehung,
feine Wundertätigkeit. Es ift erfreulich, daß diefe ,vier
Befonderheiten Jefu' (101) gelegentlich auch .empirifch-

noch vollends bei den hier in Betracht kommenden
wundern. Man wird es aber verliehen, daß denjenigen,
die von Francks Theologie herkommen, keine Neigung
zuzumuten ift, fich auf diefe .Kombination religiöfen und
theoretifchen Erkennens' einzulaffen. Ihmels hat denn
auch alsbald feine abweichende Meinung erneut zum
Ausdruck gebracht. Vgl. Theol. Lit. Bl. 1913, 217fr.;
Neue kirchl. Zeitfchr. 1914, 853fr.: /Wie entfteht die Gewißheit
um die Auferftehung Jefu'; Die chrifti. Wahrheitsgewißheit3
1914. 283fr. Dennoch ift Fifchers Buch ein
Beweis dafür, daß gerade die nichtberückfichtigte Theologie
der Gegenwart fich um Probleme müht, die fich
nicht bei Seite fchieben laffen. Denn das naive Zutrauen
zur Gefchichte, das im Grunde von Ritfchls und