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Ausgabe:

1918

Spalte:

86-87

Autor/Hrsg.:

Walther, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Das Erbe der Reformation. 1. u. 2. Heft, jeweils 2. Aufl 1918

Rezensent:

Thieme, Karl

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ftens wohl originell, ift die Krammerfche Erklärung der
Kurformel im Sachfenfpiegel; ob fich der Kr'fchen Erklärung
jemand anfchließt, bleibt dahingeftellt. Im Ganzen
fehen wir in Kr's Zufammenfaffung keinen Fortfehritt.

find, fteht dahin. Schi an macht in beachtenswerten
Ausführungen auf die großen Schwierigkeiten auf merk -
fam, die mit dem Gedanken des allgemeinen Prieftertums
in Theorie und Praxis verbunden find — wenigftens fo-

Leipzig. O. Lerche.

auch keine klare Darfteilung und rechtsgefchichtliche Er- j lange man das ,Priefter' als Mittler faßt, und nicht bloß
läuterung des unwürdigen Vorgangs, daß die deutfehe | für den gebraucht, der fähig und berufen ift, unmittelbar
Krone ein Spielball nicht nur zwifchen Kurie und andren , Gott felbft zu nahen und zu dienen. Von der Goltz
Machthabern, fondern zwifchen den deutfehen geiftlichen j fchildert in lebhaften Farben das Vorbildliche in Luthers
Kurfürften war. Kultusreform, die Betonung des Hauptfächlichen und

Geiftigen, des Praktifchen und Durchführbaren, der Notwendigkeit
, der Freiheit und der Liebe. Luthers .ungefährliche
Kirchengebräuche' prüft Rendtorff auf ihre
Ungefährlichkeit, und zwar mit negativem Ergebnis bezüglich
der Elevation, des Taufformulars, der Trauformel,
des Ordinationsformulars, fowie des nachlutherifchen Ein-
fegnungsritus beim Begräbnis. Sehr lehrreich und einleuchtend
ift endlich die Art, wie Kleinert die Frage

Studien zur Reformationsgelchichte und zur praktüchen Theologie
. Guftav Kawerau an feinem 70. Geburtstage
dargebracht. 2 Tie. 8°. Leipzig, M. Heinftus 1917.

M. 57S

I. Tl : Studien zur Reformationscefchiclite. (V, 75 S.) M. 2.50. —
2. Tl.: Studien zur praktifchen Theologie. (III u. S. 76—174) M. 3.25

D. Guftav Kawerau. dem hervorragenden Führer auf | Kirchengefangbuch — Hausgefangbuch behandelt und

meinen Glückwunfeh.

Frankfurt a. M. W.Bornemann.

dem Gebiete der Reformationsgefchichte und der prak- j entfeheidet. — Dem Jubilar, den alle diefe gediegenen
tifchen Theologie, haben Freunde und Arbeitsgenoffen ■ Arbeiten ehren wollen, entbiete auch ich in Dankbarkeit
zu feinem 70. Geburtstag eine Sammlung wertvoller Beiträge
aus den beiden Forfchungsgebieten dargebracht.

Scheel zerftört in feiner nüchternen Unterfuchung
das Dramatifche und Krankhafte, das eine unfichere Überlieferung
in die Schilderung von Luthers Primiz gebracht
hatte. Buchwald ftellt aus der Ordinationsmatrikel des
Hochftifts Merfeburg (1469—1548) allerlei Perfonalnotizen
über Männer aus dem Kreife Luthers zufammen und gibt
aus der Schloßbibliothek von Schleinitz ein Blatt aus
einem Druckmanulkript Luthers vom Jahre 1526 wieder.
Friedensburg fchildert die nach Luthers Tod rafch
entftandene und nach Jahresfrift überwundene Krifis der
Univerfität Wittenberg, die faft zu einer Verlegung oder
Auflöfung geführt hätte. Cohrs befpricht des Urbanus
Rhegius Examen episcopi in ducatu Luneburgensi (1536),
das zur Grundlage bei der Prüfung der künftigen Pfarrer
beftimmt war und fich von Melanchthons Ordinanden-

Walther, Geh. Konf.-Rat Prof. D. Wilh.: Das Erbe der
Reformation. 2 Hefte, gr. 8°. Leipzig, A. Deichen
1917. Je M. 3 —

I. Die normale Stellung zur Heil. Sclirift. 2. Aufl. (Neubearbeitung
v. ,Der Glaube an das Wort Gottes*). (IV, 113 S.) — Z.Rechtfertigung
oder religiöfes Erlebnis. 2. Aufl. (V, 96 S.)

Bei Beantwortung feiner erften Frage, welche Autorität
Luther der Bibel zufchreibe, handelt Verf. über zu
viele umfaffende Probleme (z. B. Autoritätsglaube), als
daß man hier in Kürze feine antimodernen Anflehten be-
fprechen könnte. Diefe können im allgemeinen die hifto-
rifche Vorficht der Lutherauffaffung und unfer praktifches
Verhalten zur Bibel nur fördern.

, Einzelnes febadet freilich dem richtigen Glaubenshegriff, z. B.

Examen befonders durch feine fyftematifche Anordnung, < die SäUc s. l8. iSo würde Luthcr fein Vertrauen zu Chrlfto vcrleug-

feine Betonung der Bibelkenntnis, feine BerÜckfichtigUIlg j net haben, wenn er nicht ebenfo (wie Chriftus) über das Alte Teftament
der Zeitverhältniffe und der kirchlichen Praxis unter- | gedacht hätte. All diefer .Autoritätsglaube' verdient alfo nur feiner
fcheidet. Benrath ftellt feft, daß das .Oratorium der fForm nach dielen Namen; in Wirklichkeit, feinem Wefen nach ift er
göttlichen Liebe' nicht eine literarifche Gemeinfchaft (fo echt re7™.a'orifdT,Sr, rlaubcj lft yertrauen Jes Herzens zu Jef« Chrilto,

R • /• j • j • 1 t> 1 r 1 .. . aus perfonhehem Eileben geboren'.

Ranke), fondern eine der vielen Bruderfchaften um die Im 2. Abfchnitt über .Das Vcrftändnis der Heiligen Schrift' fchilt

Verf. es eine völlige Entftellung, wenn man berichtet, Luther habe den
Jakobusbrief eine ftroherne Epiftel genannt. Bloß vergleichsweife habe

Wende des 15. und 16. Jahrhunderts war, die von Leo X.
1514 zunächft für Genua beftätigt wurde und in engen

Beziehungen zum Theatinerorden ftand. Paul Flemming ! er ihn.r° genannt, .gegen f.e', im Vergleich zu den rechten Hauptbüchern.

- ...... *» Aber in jener Weife zu berichten, ift nicht unbereentigt, weil für Luther

jedenfalls die Gleichung ,ftrohern=unevangelirch* fchlechthin gilt laut
des Schluffes feines berühmten Satzes: ,Darum ift Sankt Jakobs Epiftel
ein recht ftrohern Epiftel gegen fte, denn lie doch kein evangelifch Art
an ihr hat'.

Wonach Luther den Umfang der Heil. Schrift be-
ftimme, ift die dritte Frage. Hier wird die für ihn be-
ftehende Notwendigkeit übertrieben, fich über den Umfang
des Neuen Teftaments auszufprechen. Dem Satz
S. 85 gegenüber: ,Zu Luthers Zeit war die kanonbildende
Tätigkeit der Kirche noch nicht völlig zum Abfchluß
gekommen' möchte ich behaupten, daß Luther das Neue
Teftament hätte herausgeben können, ohne feinen traditionellen
Umfang von 27 Büchern prüfen zu müffen.
Daß feine .Vorreden' die reformatorifche Befreiung von
den katholifchen Autoritäten vollendeten, wollen wir uns
nicht ausreden laffen. Der Beweis, daß für Luther, als
er vier Bücher aus dem Kanon warf, das Urteil der erften
Chriftenheit entfeheidend war, ift auch dem Verf. nicht
gelungen. Von den .Vätern' ließ fich Luther nicht fo imponieren
; er urteilt z. B. feinerfeits, daß die zwei um-
ftrittenen Johannesbriefe ,auch einen rechten apoftolifchen
Geift haben'. Richtig ift, daß Luther mit etwas objektiv
Vorliegendem, gefchrieben Stehendem, mit dem Inhalt
der rechten Hauptbücher die vier Nebenbücher
kritifiert. Wenn er Ungünftiges über diefe ausfagt, ,fo hat
er damit nicht Ungünftiges über die Bibel ausgefagt.
Wenn er jener Autorität bezweifelt, fo ift die Voraushat
die Rörerfammlung auf der Univerfitätsbibliothek zu
Jena in Bezug auf Luthers Briefe einer neuen, gründlichen
Unterfuchung unterzogen, und zwar mit dem Erfolge,
daß wir nun wiffen, daß jene Sammlung nur zertrümmert
auf uns gekommen ift, daß ein Teil völlig verloren, ein
andrer in die Wolfenbüttler Bibliothek gekommen, ein
andrer verfchoben ift. Der gründlichen Nachforfchung
ift es gelungen, feftzuftellen, daß aus der urfprünglichen
Sammlung Rörers zahlreiche Lutherbriefe verloren gegangen
, einige vorhandene aber bislang noch nicht benutzt
worden find.

Im zweiten Bändchen unterfucht Julius Kaftan, anknüpfend
an Schleiermachers Beftimmung des Unter-
fchiedes zwifchen Katholizismus und Proteftantismus, den
katholifchen und evangelifchen Kirchenbegriff. In tiefgründigem
Gedankengange kommt er zu dem Ergebnis,
daß wir Evangelifchen mehr als bisher zwifchen der
Kirche als Objekt des Glaubens und der Kirche als Subjekt
des kirchlichen Handelns, fo fehr fie beide zufammen-
hängen, theoretifch und praktifch zu fcheiden haben, und
erläutert das an Beifpielen aus der Praxis. Mahling
fpricht dem Wefen der Verpflichtung den dogmatifchen
und den juriftifchen Charakter ab und fieht in ihr nur
ein von der Gemeinde gefordertes und von dem zu Berufenden
abzulegendes religiöfes Bekenntnis. Das ift gut
chnftlich und zugleich modern. Ob freilich feine Ausfuhrungen
über die einzelnen Bekenntnisfchriften haltbar