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Ausgabe:

1918

Spalte:

63-64

Autor/Hrsg.:

Schwencker, Friedrich

Titel/Untertitel:

Kriegsfrömmigkeit. 2. Bd 1918

Rezensent:

Schian, Martin

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giöfen Begriffe und — was mir am wichtigften fcheint —
der Heimat wie der Zivilberufe der Feldpoftbrieffchreiber.
Im Übrigen bieten diefe Lieferungen außer Äußerungen
aus dem Felde namentlich auch folche von .Führern und
Helden' und von unferem Kaifer, ferner Dokumente des
Aberglaubens. Sie vervollftändigen damit die Sammlung
in dankenswerter Weife. Einige Wünfche, wie z. B. nach
reftlos genauer Quellenangabe bei bereits früher im
Druck erfchienen Stücken, find auch jetzt nicht erfüllt.
Aber die Sammlung verdient auf alle Fälle lebhafte Anerkennung
und forgfältige Benutzung. Sie wird für alle
Zeit eine der wichtigften Zufammenftellungen religiöfer
Kriegsdokumente bleiben. — Auch die andere große
Sammlung ähnlichen Inhalts, die von F. Schwencker
herausgegeben wird, ift nun mit dem Erfcheinen des
2. Bandes2 vollendet. Der 1. Band ift (1916, Nr. 15,
Sp. 3S0f) bereits charakterifiert worden. Der zweite zerfällt
in 12 Abfchnitte, die gemeinfam den deutfchen Hel-
dengeift fchildern follen: 1. Heldenzeit; 2. Siegeszuver-
ficht im Heere; 3. Heldengeift im Felde und daheim;
4. Heldengeift in Bezeugungen aller Art; 5. Sonftige Soldatentugenden
; 6. Das deutfche Gewiffen; 7. Das deutfche
Gemüt; 8. Friedfertigkeit; 9. Tätige Liebe im Felde;
10. Feindesliebe; n. Helden- und Chriftentod; 12. Troft
für folche, die um Helden trauern. Diefe Einteilung
könnte verbeffert werden; der 3. und der 4. Abfchnitt
find unmöglich fcharf zu fondern; auch Abfchnitt 7 berührt
fich ftark mit mehreren anderen (9. 10). Freilich
ift zuzugeben, daß eine wirklich durchgreifende Einteilung
folcher lebendigen Äußerungen unmöglich ift (auch
Neuberg-Stange bieten fie nicht), und daß die von Schw.
verfuchte fyftematifche Anordnung, die auch noch zur
Dispofition der meiften Einzelabfchnitte führt, immerhin
zu begrüßen ift; wenigftens erleichtert fie das Auffinden
und gibt die Möglichkeit, die Stimmung gleichartiger
Stücke zu vergleichen. Der 2. Band fchöpft aus den
gleichen Quellen wie der erfte; die Angabe der Quelle
ift in manchen, aber doch nur in verhältnismäßig wenigen
Fällen völlig genau; bei der Mehrzahl der Stücke fehlt
Jahrgang und Nummer. Sehr erfreulich ift, daß der Verf.
im Vorwort nachholt, was er im 1. Band verfäumt hatte:
er hebt hervor, daß er mit größter Dankbarkeit andere
Sammlungen, namentlich die von Neuberg-Stange, benutzt
habe. Außer Zweifel fleht die große Reichhaltigkeit
feiner Sammlung, die ihr belonderer Ruhm bleiben
wird. Aber fie läßt die edlen Züge, die fchon bei N.-St.
fehr im Vordergrund flehen, noch viel mehr als diefe das
Bild allein beftimmen. Das Vorwort fragt: .Warum
follen denn wirklich bezeugte Blüten und Früchte deut-
fcher Frömmigkeit nicht zu einem Kranze auch für die j
Nachwelt gefammelt werden?' Gewiß follen fie das; aber
müffen wir nicht der hiftorifchen Wahrheit wegen auch
die minder erfreulichen und die ganz unerfreulichen Züge j
daneben ftellen? Entlieht fonft nicht gar zu leicht der ;
Eindruck, als fei die .Kriegsfrömmigkeit' durch und durch j
heldenmäßig, einheitlich ftark und feft gewefen? Man 1
muß, um Schw.s Sammlung richtig zu würdigen, fich
von vornherein klar machen, daß fie nur die guten Seiten
berückfichtigen will. Das ift ihr Recht; nur würde ich
raten, es auch ganz ausdrücklich auszufprechen. Schw.
hofft, die Glaubwürdigkeit der Beiträge nach Möglichkeit
ficher gefleht zu haben. Diefe Hoffnung vermag
ich nicht voll zu teilen. Denn die religiöfe Legendenbildung
hat während diefes Krieges ganz üppig gewuchert
. Und was in deutfchen religiöfen Blättern gedruckt
(und von Schw. übernommen) worden ift, ift
darum noch lange nicht gefichert. Ich erinnere an die
Feftftellungen Ä. Stocks über .Fromme Hindenburg-

2) Schwencker, Pfr. Prdr.: Kriegsfrömmigkeit. Zeugniffe aus
dem großen Kriege f. Kirche, Schule u. Haus. 2. Bd.: Heldengeift
draußen u. daheim, im Kämpfen, Helfen, Dulden, Sterben u Tragen.
(VJ, 394 S.) gr. 8°. Gütersloh, C. Bertelsmann 1916. M. 4—; geb.
M. 4.50

Anekdoten' in Deutfch-Evangelifch 1916, S. 561 ff. Durch
fie wird auch ein Stück bei Schw. (I, 78f.) getroffen;
aber die ftärkfle von Stock als folche gekennzeichnete
Erfindung findet fich glücklicherweife bei ihm nicht.
Wohl aber fleht bei ihm die Gefchichte von dem lauten
Gebet Hindenburgs am Altar der Kirche zu BeuthenO./S.
(I, 77), die mir jüngft von fachkundiger Seite als gänzlich
grundlos bezeichnet worden ift. Jeder Band der
Sammlung hat ein Sachregifter und ein Bibelftellenregi-
fter; fie find, wie Proben zeigen, mit Sorgfalt gearbeitet.
Die Perfonennamen find im Sachregifter aufgeführt, während
für fie wohl ein eigenes Regifter angebracht gewefen
wäre.

2. Kriegsfeelforge. Die evangelifche Lazarett-
feelforge hat Otto Gruhl auf Grund von Berliner Erfahrungen
in einem hübfehen knappen und doch eindringenden
Überblick gefchildert3. Das Schwergewicht
fällt dabei auf die Durchführung der Seelforge im Einzelnen
, auf ihre Mittel und ihre zu erwartenden inneren
Erfolge; die Organifationsfragen treten zurück. Ein Heft
das für jeden, der felber Lazarettfeelforge zu treiben hat,
viel Anlaß zum Nachdenken bietet. Im allgemeinen
fcheint mir freilich G.s Urteil über die religiöfe Stimmung
der Lazarettinfaffen allzu hoffnungsvoll zu fein. — Lünen
fehr gut unterrichtenden Überblick über das gefamte Gebiet
der Seelforge an Kriegsgefangenen gibt Schreiber4.
Er fleht in je einem gefonderten Abfchnitt die Maßnahmen
des Kriegsminifteriums, der Kirchen und des
llilfsausfchuffes für Gefangenen-Seelforge dar; kurz werden
auch einige nebenhergehende Arbeiten (z. B. der
Miffion für Süd-Oft-Europa, der Düffeldorfer Soldaten-
miffion) erwähnt. Überall find beide große Konfeffio-
nen berücklichtigt, beim Hilfsausfchuß auch die ifraeli-
tifche Abteilung. Die Darftellung ift ftreng gefchicht-
lich-objektiv; fubjektive Schilderungen über Einzelerfahrungen
find im Hauptteil vermieden. Als Anlage ift
eine Anzahl von Dokumenten beigefügt, aber auch Bilder
aus der Seelforge an englifchen Gefangenen (von Lic.
Fr. Siegmund-Schultze und Zuckfchwerdt) und aus der
Arbeit an franzöfifchen Gefangenen (von A. Nicole und
C. Correvon); diefe geben gleichfam die perfönlich gefärbte
Ergänzung zu der rein fachlichen Schilderung
Schreibers. Ein dankenswertes, zur Orientierung unentbehrliches
Heft. — Es ift bezeichnend, daß von katholi-
fcher Seite drei Schriften zum Thema Militärfeelforge
vorliegen, die fich allefamt ftark mit Organifationsfragen
befaffen. Radermacher konnte feine fchon früher (1916,
Nr. 15, Sp. 353) angezeigte Darftellung der Kölner Arbeit
umgearbeitet und ftark vermehrt in 2. Aufl. herausgeben5
. Aus 63 Seiten find 112 geworden; aus 12 Ab-
fchnitten 19; ein Sachregifter ift neu beigefügt. Hinzugekommen
find die Abfchnitte: Exerzitien in allen Lazaretten
, Dank und Undank unter den Kriegsgefangenen,
Eine Allerfeelenfeier für die Kriegsgefangenen, Ein fran-
zöfifcher Weihnachtsabend, Exerzitien für die franzöfifchen
Kriegsgefangenen, Geiftliche als Militärkranken-
wärter; Laienbrüder und Theologen in Königsrock. Wie
diefe Überfchriften zeigen, ift dabei befonders die Seelforge
an den Kriegsgefangenen (in Köln find viele kriegs-
gefangene Verwundete untergebracht) berückfichtigt.
Befonders mache ich auf die Mitteilungen der beiden an
letzter Stelle flehenden Abfchnitte aufmerkfam, die fehr

3) Gruhl, 7.. Z. ftellv. Milit.-Oberpf. d. Gardekorps Pfr. Otto:
Lazarettfeelforge. Vortrag, geh. am 29. Novbr. 1916 auf dem 6.
theolog. (Kriegs-)Lehrgang in Berlin. (29 S.) 8". Berlin-Lichterfclde,
E. Runge (1917)- M- — 60

4) Schreiber, Dir. A. W.: Deutfche Kriegsgefangenen-Scel-
forge. (S.-A. aus der .Eiche'.) (63 S.) gr. 8°. Berlin, F. Zilleffen in
Komm. 1916. M. 1 —

5) Radermacher, z. Z. Garnifonpfr. Oberlehr. Heinr. Jof.; Militarismus
und religiöfes Leben im Weltkriege. Dargeftellt an der Seelforge
e. Heimatgarnifon. 2., umgearb. u. ftark verm. Aull. der,Organi-

I fation der Militärfeel orge'. (112 S.) 8°. M.Gladbach, Volksvereins-
I vertag 1916. M. 1.90; geb. M. 2.40