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Ausgabe:

1918 Nr. 2

Spalte:

29

Autor/Hrsg.:

Gunkel, Hermann

Titel/Untertitel:

Israelitisches Heldentum und Kriegsfrömmigkeit 1918

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 2 3. 30

Krieg und Altes Teftament

Über die Kriegsgedanken des Alten Teftaments und
unfere Beziehung zu ihnen haben fich proteftantifche, ka-
thoHfche und jüdifche Theologen geäußert. Mir liegen
heute fünf Stimmen vor, drei proteftantifche und je eine

Wem fällt bei diefen fchönen Worten nicht ein berühmtes
Wort des Klofterbruders aus Leffings ,Nathan' ein? —
Nicht fo bedeutend, aber auch erfreulich als Zeugnis wif-
fenfchaftlichen Geiftes und vaterländifcher Gefinnung ift die
Arbeit des Braunsberger Theologieprofeffors Schulz 4
Er will zeigen, welche fittlichen Kräfte der Krieg in

kaftohTche und jüdifche. (Eißfeldtu. Aner find 1915, Sp. 337 j Ifrael geweckt 'und entwickelt hat. Er behandelt 1. Moberprochen
.) Gunkelhat in zwei Heftender Teubnerfchen fes und Jofue 2. Die Zeit der Richter. 3. Samuel, Saul und

Internationalen Monatsfchrift (März u. Dezbr. 1915) über
Krieg und A. T. gefchrieben und beide Auffätze hernach
in einem Heft vereinigt K Der Auffatz über das ifrae

Jonatan. 4. David. 5. Ifaias, Nahum u. Affur. 6. Jeremias
, Ezechiel und Babel. 7. Die Makkabäer. Wenn auch
Vollftändigkeit nicht beabfichtigt ift, fo vermißt man doch
htifche Heldentum würdigt nicht nur das Heldentum des Elifa und die Syrerkrie-e
Kampfes, fondern auch das des geduldigen Leidens (Hiob 1 Das Befte ckirfte ich bis zuletzt verfparen, die präch-
Pfalmen, Jef. 53)- Der Auffatz über die Knegsfrommigkeit | ti Schrift yon ßertholet 6 Sie ift'die Niederfchrift
im A. T., der uns ganz, mit Genkels Kunft eine fremde ; eines Vortrages, den B. am 28. Nov. 1916 in dem vom
Geifteswelt ungemein lebhaft und anfchaulich vor die Au- | Zentralausfchuß für die Innere Miffion veranftalteten theo-
gen malt, betont überrafchend ftark den Gegenfatz der ; iogifchen Kriegslehrgang gehalten hat. Wir begreifen
Propheten gegen die alte nationale Knegsreligiom er war ; den Wunfeh der Hörer nach Drucklegung; denn mit be-
politifch nicht zu rechtfertigen^und grenzte an Hochyer- , wunderungswürdiger Kunft hat B. hier einen großen Reichrat
Die Prophetie hat damit das Volk fchwerer gefchla- : tum von Tatfachen und Gedanken anfchaulich, warm und
gen, als esAffyrer und Chaldaer.je hatten fchlagen kon- klar in knappem Rahmen zufammengefaßt. Ein gefchicht-

liKcr ihre npiip Verkiinnicoincr hat <1>r Inhvprpli- v u T- -i • r. • n r, ö t-... , ° .,, ,

licner 1 eil zeichnet in großen Zügen ein Bild vom Wech-
fel und Wandel ifraelitifcher Kriegsauffaffung und Kriegsfrömmigkeit
. Der anwendende Teil zeigt zuerft, wie uns
das A. T. gemütlich nahe gerückt ift, da wir jetzt fein
Klagen über treulofe Feinde und Verleumder, Tod und
,Die Bedeutung des Alten Teftaments für die Kriegsfrom- , Verwüftung, Gefangenfchaft, Heimweh und Friedensfehn-
migkeit des deutfehen Volkes'. So gewiß auch er die , fucht aus eigenfter Erfahrung mitfühlen. Das Wertvoll-

nen. (Aber ihre neue Verkündigung hat der Jahvereli
gion in allen folgenden Nöten ewigen Beftand verliehen.)
— Gegen diefe Thefe (die ähnlich auch Greßmann in
einem Auffatz der Zeitfchrift für ev. Rel.-Unt. Jahrg. 26,
308ff. vertritt) wendet fich Kittel 2 in dem Auffatz

Propheten hoch erhebt über die naive alte Kriegsfrom
migkeit und nahe an das Neue Teftament rückt, das er
im Anfang als Norm aufftellt (Jefus würde den Krieg zu
den Dingen gerechnet haben, die jetzt unvermeidlich
lind und erft im Reich Gottes aufhören), fo beftreitet er
doch kräftig, daß die Propheten fchlechte Patrioten und
Politiker gewefen feien. Wohl aber follen wir von ihnen
lernen, daß wir den Sieg nur erhoffen dürfen, wenn wir
den Krieg mit gutem Gewiffen beginnen und führen. —
Mit diefem Vortrag (Meißener Kirchen- und Paftoralkon-
terenz vom 23. Mai 1916) verbindet K. den Neuabdruck
feines Auffatzes ,Vom Kriege in Ifrael' aus dem von
Laible herausgegebenen Buch ,Deutfche Theologen über
den Krieg' (f. Theol.Lit.-Ztg. 1917, Sp. 31).

VonGunkelund Kittel weicht der Rabbiner Samuel3
(übrigens ohne fich auf fie zu beziehen; er fchreibt
trüher) ab, fofern er einen heiligen Krieg und einen
Kriegsgott im Alten Teftament nicht zugefteht. Auch
tonft ift er in Gefahr, zu modernifieren, z. B. wenn er das
V erbot, eiferne Werkzeuge beim Altarbau zu benutzen,

fte aber bietet B., wenn er in fchöner Steigerung zeigt,
was wir an religiöfen und fittlichen Wahrheiten dem A. T.
verdanken: Gott als Herr der Gefchichte, der Krieg kein
Zufall, keine blinde Naturkataftrophe, fondern planvolle,
göttliche Fügung; Gott und Volk verbunden nicht durch
ein natürliches Band (Altifrael), fondern durch fittliche
Verantwortung; wirjeder einzelne, derGemeinfchaft unferes
Volkes eingefügt, zum Opfer bis in den Tod verpflichtet
Gott ein gerechter Gott, der Krieg ein Gericht , eine große
Zukunft winkt; in Geduld, Zuverficht und Vertrauen gilt
es ihrer zu warten. Aber auch die höchften Berge des
A. T. werden vom N. T. überragt. Eine Fülle auch prak-
tifch höchft fruchtbarer Gedanken find hier aus einer
ftreng hiftorifchen Betrachtung erwachfen. Möge das reife,
fchöne Büchlein viele Lefer rinden.

Hannover-Kleefeld. S c h u ft e r.

4 Schulz, Prof. Dr. Alfons: Die fittliche Wertung des Krieges im
Alten Teftament. (Biblifche Zeitfragen, 7. Folge, Heft 10.) (47 S.) 8«.
Münfter i. W., Afchendorff 1915. M.— 60
fo erklärt: ,Das Eifen entzweit die Menfchen, der AI- ; . 5 Bertholet, D. Alfred: Altes Teftament und Kriegsfrömmigkeit.

tar foll fie verföhnen und verbrüdern'. Trotzdem habe Eiu VortraK- (5* S.) 8». Tübingen, J. C. B. Mohr 1917- m. i.ao
ich Samuels Vorlefungen in denen er nicht nur das A. T.,

fondern kurz auch Jefus, Paulus und führende Männer der

Voigt, Priv.-Doz. Prof. Dr. Karl: Die Karolingilche Klofter-

chrifthehen Gefchichte behandelt, mit Förderung gelefen; Politik und der Niedergang des weftfrankifchen Königtums.

denn der Verf. ift ungewöhnlich vielfeitig gebildet, befitzt Laienabte u. Kloftennhaber (KuThenrechtliche AbUrteil
und Geift und zeigt überall eine vornehme, fromme 1 handlungen. 90 u. 91. Heft.) (XIV, 265 S.) gr. 8«.

und vaterländifche Gefinnung. ,Wenn der Soldat erlebt
(und er kann es täglich erleben), wie der Kamerad aus
feinem anderen Glauben den gleichen Geift gewinnt und

Stuttgart, F. Enke. M. 10.40

Voigt ift auf dem Gebiete des Klofterwefens kein
Neuling mehr; feine Arbeit über die königlichen Eigen-

ten 5a nicht Groll und Vorurteil fchwinden und ein bef- I ^^„^2?^^,^^*^^

feres Verftändnis für fremde Art auflceimen? Nichts von
Glaubensvereinigung auf Korten der Überzeugung — fo
lehrte fchon Mendelsfohn. Aber eine höhere Glaubenseinheit
darf alle Kinder des gleichen Vaterlandes erfüllen,
über die die gleiche Not gekommen ift. Gott ift doch
ihrer aller erfter und letzter Gedanke; er ift nur einer.'

1 Gunkel, Prof. D. Dr. Hermann: Israelitifches Heldentum und
Kriegsfrömmigkeit im Alten Teftament. (52 S.) gr. 8°. Gottingen,
Vandenhoeck & Ruprecht 1916. m. 1.50

3 Kittel, Prof. Rud.: Das Alte Teftament und unfer Krieg. (54 S.)
S°. Leipzig, Dürffling & Franke 1916. m. 1 —

* Samuel, Rabb. Dr. S.: Bibel und Heldentum. Fünf Kriegsvor-
!e(gn-, geh. in den Akadcmifchen Kurten zu Effen im Winterfemefter

1914/15. (76 s.) 8°. Berlin, L. Lamm 1915. m. 1 —; geb. m. 1.50 1 inder fpateren Zeit der Karolmger, etwa von Ludwig

*

fich betätigen dürfte. Diefe neue Veröffentlichung füllt
die Lücke zwifchen der älteren Arbeit Voigts und der
vor kurzem in diefer Zeitfchrift (1917 Nr. 13, Sp.264) angezeigten
Studie Feierabends über die politifche Stellung
der deutfehen Reichsabteien während des Inveftiturftreites.
FTeilich wird diefe große Lücke von der Langobardenzeit
bis in den Ausgang der Salier in dem vorliegender
Buche weder zeitlich noch räumlich noch in ihrer ge-
famten Rechts- und Kulturentwicklung durchmeffen. Es
ift in jeder Hinficht nur ein kleiner Teil, der hier wohl
abgewogen und nach allen Richtungen erörtert dargeboten
wird.

Voigt geht davon aus, daß im Weftfrankenreiche