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Ausgabe:

1918

Spalte:

27-28

Autor/Hrsg.:

Naumann, Weigand

Titel/Untertitel:

Untersuchungen über den apokryphen Jeremiasbrief 1918

Rezensent:

Beer, Georg

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Seite 1

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27 Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 2/3.

31) unterfucht der Verf. u. a. die Angaben unferesPfeudepi-
graphs über die Götterbilder, die Priefter und den Kult.

ausdrücklichen Inhaltes, daß Mofe der Verfaffer des ; Schriftftück ein griechifches Original für ficher — fo bei
Pentateuchs ,en su totalidad sustanciaP fei (S. 20), und j Schürer, Gefchichte des Jüdifchen Volkes III4 1909, S.
eine gleiche Meinung geht in das Judentum zurück. 412 und von ihm abhängig: bei Rothftein in Kautzfeh,
Schon im 8. Jahrhundert follen die Propheten den ganzen ! Apokryphen und Pfeudepigraphen 1900, I S. 226, Ber-
Pentateuch gekannt und feine Kompofition Mofe zuge- tholet in Buddes Gefch. der althebr. Lit.2 1909 S. 412 und
fchrieben haben! (S. 59). Dazu die innern Zeugniffe: ein Steuernagel, Lehrbuch der Einleitung ins AT 1912 S. 792.
von den erzählten Ereigniffen um Jahrhunderte abftehen- Gegen diefes Dogma wendet fleh Naumann in einer

der Schriftfteller hätte ieiner Darftellung nicht ein fo eingehenden Studie mit beftem Erfolg. In einem erften,
ausgefprochenes Gepräge von Realität und Leben geben ; .Richtung der Polemik', überfchriebenen Abfchnitt (S. 2—-'
können (S. 77 f.). Für Einheit des Verfaffers aber fpricht
die wunderbare Einheit der Kompofition, fowohl was

ihre Anlage als was die Ausführung anbetrifft (S. 78fr.). ; DiePolemik bezieht fich u. paßt nur auf babylonifche Ver-
Das alles verkennen, ift das Zeichen einer gewiffen Kritik ] hältnifTe, die der ßrieffchreiber durch Autopfie kennt,
von heutzutage — M. nennt fie vorzugsweife .heterodoxa' Höchftens machen die aU.ovQOi V. 21 Schwierigkeiten,
oder .incredula' —, die leichtfertig den heiligen Text an- da fie als Tempeltiere für babylonifche Heiligtümer nicht
greift, um ihn zu zerreißen (,para dilacerarlo' S.457). Diefe nachweisbar feien. Naumann meint S. 29, die .Katzen'
Kritik ift M. übrigens nicht ein unbekanntes Gebiet ge- feien vielleicht mit Rückficht auf die ägyptifche Religion
blieben. Es muß ihm vielmehr das Zeugnis ausgeftellt erft fpäter eingefügt. Dafür fcheint zu fprechen, daß
werden, daß er fich eifrig bemüht hat, fich in fie hinein- das Verb eg)ijctnvvai wohl zu den vorhergenannten Fleder-
zuarbeiten und ihre Argumente auch dem Lefer nicht mäufen, Schwalben und anderen Vögeln, aber nicht zu
vorzuenthalten: immer wieder begegnet man den Namen j den Katzen paßt. Doch könnten nicht die Katzen — bei
eines Wellhaufen, Gunkel ufw. Aber alle Kritik muß den babylonifchen Juden Vinn und si;ttj genannt — ihre
Tchließlich vor des Verfaffers Harmonifierungskünften ver- ; Urfprünglichkeit im Texte vorausgefetzt, hier mitgenannt
ftummen, und diefe von ihm virtuos entwickelte Gabe, [ fein, weil fie hinter den im Tempel herumflatternden zahlrei-
alles miteinander ftimmen zu laffen, überall noch Aus- chen Vögeln herfchleichen, um ihnen aufzulauern? Hat
wege zu finden, wo nüchterne Forfchung fonft nur die j der Epiftolograph babylonifche Verhältniffe im Auge,
unüberfchreitbaren Grenzen des Möglichen vor fich fieht, dann ift natürlich ein griechifches Original ausgefchloffen,
macht jeden Verftändigungsverfuch mit ihm unmöglich da die Juden in Babylonien, für die zur Verwarnung das
und damit auch jede Auseinanderfetzung überflüffig. Schriftftück verfaßt ift, im Allgemeinen nicht griechifch

Das gilt nicht bloß in bezug auf feine literarkritifchen fprachen. Es folgt dann als zweiter Teil (31—47) eine
Urteile fondern auch bezüglich feiner Anflehten über ; Unterfuchung des fprachlichen Charakters unfererEpiftei,
Weltfchöpfung und Urgefchichte der Menfchheit. dem weder von Schürer noch von feinen Nachfolgern,

Dafür nur zwei oder drei Beifpiele. Es hat für M. nichts Verwunder- trotz der Behauptung des guten Griechifch des Schriftliches
daß es im Paradies einen Lebensbaum gegeben habe Wir fehen | chens befondere Aufmerkfamkeit gewidmet worden ift.
ja doch mcuizimlcne Bilanzen von ciirener Wirkungskraft. Wenn es j n . . , . 0 , «> „ ,.,/»„

fokhes aber im Zuftande der gefallenen Natürlichkeit gibt, ift es dann Dabel kommt Naumann S. 44 zu dem Ergebnis, daß aller-

etwas Außergewöhnliches, daß beim unfchuldigen Menfchen Gott in ding-S einige Spracherfcheinungen (z. B ovOiiq ftatt ofj-
ieiner Allmacht einen Baum gefchaffen habe, delfen Frucht die medizi- : Öelq, Formen des I .Aorift Tayß-iv) Über dem allgemeinen Ge-

nifche Kraft in ftch barg, in das innerfte des Organismus einzudringen brauch der hellenifbfchenUmgangsfprache liegen aberdoch

und ihn in feinen wichtigften Geweben durch Erlialtung ihrer Vollfat- ; rj__„ii_i__ • t yv rSuit z~:i • j -u ■

ngkeit oder Erneuerung ihrer Beweglichkeit wiederherstellen (S. 270) i i ^.all«!fn teils in der LXX felbft teils in der übrigen

.ntfprechend findet fich (S. 347) M. mit dem hohen Alter der Patriar- ; Koineliteratur befitzen. Von Partikeln, den allerficherften

chen ab: Die größere Nähe des Schöpfungsaktcs verbürgt ihm nicht , Kriterien der griechifchen Denkweife, begegnen nur die

bloß die größere Kraft der gefchaffenen Debewefen felbft, fondem auch
der von ihnen verwendeten Nahrungsmittel, fo daß ihre Afiiniilation an
den körperlichen Organismus diefen feiber in feiner natürlichen Kraft
erhalten mußte, wozu die damals noch reineren atmofphärifchen Verhältniffe
unterftützend hinzutraten. Dabei ift an den überlieferten chrono-
logifchen Angaben feftzuhalten: 2622 Jahre von der Sintflut bis zur Geburt
Chrifti! (S. 464) —■ Daß die Arche Noah groß genug gewefen fei,
um Exemplare aller Tiergattungen in fich aufzunehmen, findet M. durch
den Nachweis gewährleiftct, daß die größten Galerien des Parifer Mufeums,
wo faft fämtliche Gattungen der Land- und Waffertiere der Erde vereinigt
feien, an Raumgebalt hinter dem in der Arche verfügbaren zurück-
ftiinden (S. 360)!

M.'s Einzelexegefe ift durchaus dogmatifch gebunden.
In »jtibM Gen. i26' ift das Suffix verhüllte Bezeichnung
der'Trinität (S. 203), 315 ift n»xn Maria (S. 306), 49, tb
ift ein Symbol des Werkes Chrifti (S. 860) ufw. Philolo-
gifch fteht des Verfaffers Bildung auf der Stufe, daß er
die Volksetymologien der Genefis für bare Münze nimmt
(vgl. z. B. S. 544. 685); feine eigenen Etymologien find
auf gleicher Höhe: fo foll der Name des P'eldherrn Abi-
melecbs hb"? Zufammenfetzung aus iE oder gar nris
und bb fein (S. 653 Anm.)l Demnach kann man allerdings
fragen, ob die zweimalige falfche Schreibung nfljiJt
(S. 287 f.) nur Druckfehler fei.

Göttingen. Alfred Bertholet.

Naumann, Dr. Weigand: Untertuchungen über den apokryphen
ieremiasbrief. (Zeitfchrift f. die altteft. Wiff.
25. Beiheft.) (VI, 53 S.) gr. 8°. Gießen, A. Töpel-
mann 1913. M. 2.20

Seitdem Fritzfche im Kurzgef. Exeget Handb. z. d.

Apokryphen des AT I, 1851, S. 206 fich dahin ausge-

fprochenhat, daß, wenn irgend eines der altteftamentlichen

Apokryphen, der fogenannte Jeremiasbrief in griechifcher

Sprache abgefaßt worder. ift, gilt für diefes kleine

allergeläufigften; auf 72 Verfe kommen 3 [isvl Muß fo
die Anficht von dem guten Griechifch der ep. Jeremiae
ins Wanken geraten, fo treten als Umftürzler des Dogmas
noch mehrere Semitismen auf, die nicht als ufuelle, d. h.
der Umgangsfprache angehörende Semitismen, fondern
als occafionelle, d. h. als Überfetzungsfemitismen «zu bewerten
find: Vs.4 afpo/iotoj&t'vreq, .. afpofioico^nTH, v.'fi
kxCrjrelv rfjv ipvyj)v, v. 13 av&QO)jtoq xQiTrjq. In v. 69
geht wOTieQ ya(t et» OlxvnQavco qtQoßaOxaviov nicht auf die
LXX zu Jer. 10, 5 — der Text fehlt in LXX — fondei n
auf nrpE TEro zurück und fchließlich liegt v. 71 a^ro Ttrfjc
noQ(pvQaq xai rrjq (UtQftOQOV T?)q ix'avrovq Otjnontvijq ein
Üerfetzungsfehler vor — der Überfetzer hat ©ttj Byffus mit
TTiffl Marmor verwechfelt (S. 47)! Zur Verbindung von Leinwand
und Purpur (bzw. umgekehrt) f. Prov. 31,22 und Luc.
16, 19. Auf diefen von Ball (vgl. denfelben jetzt auch in
Charles, The Apocrypha I 1913 S. 610) feftgeftellten Sachverhalt
hat Neftle in feinen Septuagintaftudien IV 1903,
S. 19 hingewiefen. Neftle's Studie wird von Schürer
und Steuernagel a. a. O. zitiert, fcheint aber von beiden
nicht eingefehen zu fein. Der Syrer (nach Lagarde's
Ausgabe libri vet. test. apoer., 1861 S. 104), von Rothftein,
da er /laQ/japov mit .marmorhelles Gewand' (!) überfetzt,
nicht verglichen, hat richtig Lr-U-, was auf XDW .Byffus
beruht. VAn Schlußabfchnitt S. 48—53 befebäftigt fich
mit der literarhiftorifchen Stellung der ep. Jer. Sie
ift nicht abhängig von der griechifchen Epiftolographie.
fo Deißmann, fqndern vielmehr eine prophetifche Mahn-
rede. Zeit : Die Ära Alexanders und feiner Nachfolger, als
der reftaurierte babylonifche Kult leicht eine Gefahr für die
dortigen Juden werden konnte.

Heidelberg. G. Beer.