Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1918

Spalte:

317-318

Autor/Hrsg.:

Radcke, Fritz

Titel/Untertitel:

Die eschatologischen Anschauungen Bernhards von Clairvaux 1918

Rezensent:

Scheel, Otto

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 25/26.

zeugt daß wir das Johannesevangeliuni noch in der Geltalt
belitzen, in der es aus der Feder des Apoftels kam;
felbft die Ehebrecherinperikope hat diefer an der Stelle,
an der wir fie lefen, eingefügt (313,1). Sodann ift nach dem
1 dafürhalten unseres Verf. der Aufriß des Lebens Jefu bei
Johannes ftreng chronologifch gedacht gewefen. Treffen
diefe Vorausfetzungen zu, fo hat er mit feiner Ablehnung
der Einjahrshypothefe ohne Zweifel Recht. Ift der Apoftel
der Verfaffer und feinem Werke kein Unglück widerfahren,
fo fällt, da nur Willkür das Paffah aus 6, 4 entfernen kann
die Möglichkeit hin, das Berichtete im Verlaufe eines
Jahres unterzubringen. Auch die übrigen von H. mit
großer Sorgfalt angeftellten Erwägungen fchließen dann
die Idee einer nur einjährigen Wirkfamkeit aus. Aber
freilich: ob die grundlegenden Annahmen mit der Wirklichkeit
ftimmen?
Göttingen. Walter Bauer.

Riggenbach, Prof. D. theol. Eduard: Der Brief an die

Hebräer, ausgelegt. (Kommentar zum Neuen Tefta-
ment, hrsg. v. Thdr. Zahn. 14. Bd.) (LI, 460 S.) gr. 8°.
Leipzig, A. Deichert. M. 12—; geb. M. 13.50

Riggenbachs umfangreicher Kommentar fügt fich nach
Stil und Anlage in die Reihe des Zahnfchen Kommentar-
werkes ein. Die konfervative Haltung des Unternehmens
tritt indes in der Erklärung von Hebr. nicht fo ftark
hervor, da die paulinifche Verfafferfchaft doch auf keinen
Eall von neuer Wiffenfchaft gehalten werden kann und
der Brief fomit feinem Erklärer gewiffermaßen freie Hand
läßt. Freilich hat R. fich in der Datierung und Gefamt-
auffalTung des Schreibens möglichft ftark von der Überlieferung
beftimmen laffen: er greift die abendländische
Tradition von der Abfaffung durch Barnabas auf und läßt
auch leider die Empfänger des Briefes geborene Juden,
und zwar auf Cypern, fein; fie follen in den aufgeregten
Jahren zwifchen 66 und 70 von ihrem Landsmann, der
in Rom weilt, den Brief erhalten haben. Damit ift für
(liefen ein möglichft hohes Alter, zugleich auch eine Abkunft
gefichert, die möglichft nahe an den Apoftelkreis
heranführt. Aber R. ift in feinen Aufftellungen doch
recht vorfichtig und gern bereit, die Grenzen unteres
Wittens über den Brief anzuerkennen. Er hat auch ver-
fchiedene von den Beweifen, mit denen früher für die
judenchriftliche Adrette von Hebr. gekämpft wurde, ge-
ftrichen, andere, darunter fehr fchwache, wie den Hinweis
auf die Vertrautheit mit dem A. T. und auf die Art feiner
Verwendung, beibehalten; 13,13 Coli die Lefer auffordern,
mutig den Bruch mit dem Judentum zu vollziehen, ,deut-
licher als an irgend einer anderen Stelle des Briefes ift
hier zu erkennen, daß die Adreffaten geborene Juden
find' (S. 443). Selbftverftändlich bekommt die ganze Auslegung
ein anderes Geficht , wenn die theologifchen und
paränetifchen Ausführungen des Briefes auf geborene
Juden und nicht auf Heidenchriften gedeutet werden.
Aber wer Hebr. auslegt, muß fich eben von vornherein
für die eine oder die andere Art der Briefempfänger ent-
fchieden haben. R. hat die angenommen, die m. E. unrichtig
ift. Die Erklärung felber ift aller Anerkennung
wert, ich ftaune über das^ was R. an Belefenheit und Ge-
lehrfamkeit aufweift, belonders wenn ich an feine große
Behinderung denke, auf die er in der Vorrede hindeutet.
Viel handfchriftliche Belege, viel alte Exegefe, ein nicht
zu kleines helleniftifches Material zieht er heran, und auch
ohne Namensnennung weiß er fich mit vielen Meinungen
auseinanderzufetzen. 1 )a.s Formale, die Rhetorik des Briefes
hätte m. E. noch eine eingehendere Berückfichtigung verdient
, ebenfo fein religiöfer Gehalt, der freilich fehr ftark
in Theologie und Begriffe eingekleidet ift.
Bonn a. Rh. Rudolf Knopf.

Radcke, Dr. Fritz: Die eschatologilchen Anfchauungen Bernhards
von Clairvaux. Ein Beitrag zur hiftor. Interpretation
aus den Zeitanfchauungen. (Sammlung wiff.

Arbeiten Heft 45-) (HI, 132 S.) gr. 8°. Langenfalza,
Wendt & Klauwell 1915. M. 3.50

Mit Hilfe der .fozialpfychologifchen Methode' Bernheims
will R. Bernhard vcn Clairvaux zu begreifen fuchen.

j DieForfchung, die Bernhard gilt, ift, so heißt es, bisher an
diefer Methode vorbeigegangen. Radcke verfucht darum,
Bernhard von der eschatologifchen Strömung aus zu erfaffen.
Die vorliegende Arbeit ift freilich nicht abfchließend,
denn fie verzichtet darauf, den Einfluß der auguftinifchen
Ideen aufzudecken. Das bleibt einem zweiten Heft vorbehalten
. Hier werden nur die apokalyptilcben und
fybillinifchen Momente ins Auge gefaßt. Ob diefe Trennung
glücklich war, darf fchon hier gefragt werden. Denn
motivierend für Urteil und Verhalten Bernhards war
keineswegs immer in erfter Linie das eschatologifche

! Motiv, fondern unabhängig davon das auguftinifche.
Eschatologie und Sybille 'gaben dann die nachträgliche
Rechtfertigung des Verhaltens und Dank der ihnen
eignenden Logik die zuweilen ganz groteske Verzeichnung
der gefchichtlichen Wirklichkeit. Sie find gar nicht
immer die Urfache des Urteils und der ihm folgenden
Handlungen; brauchen es auch nicht zu fein. Wohl aber
erweifen fie fich als brauchbar im kirchenpolitifchen Kampf
und zugleich als ftarke Fehlerquelle in der Beobachtung
der Wirklichkeit, die nun den Paragraphen der Apoka-

i lyptik und Sybille untergeordnet wird. Radckes ,<ozial-
pfychologifche' Methode reicht in der Befchränkung auf
die Eschatologie nicht aus, den Sachverhalt zu erklären.
Manches auch, wie z. B. Urteile über die Zuftände in der
Hierachie, wird für eschatologifch motiviert erklärt, wo
die Färbung des Urteils noch nicht die Eschatologie ver-

! rät und der Peffimismus aus der Beobachtung der Wirklichkeit
und mönchifchem Eifer ausreichend verftändlich
wird. Aber das ift weniger wichtig. Im Ganzen bedeutet
R.s fcharffinnige und verdienftliche Arbeit einen
Fortfehritt über Vacandard, Steiger u. a. Er hat richtig
gefehen, daß die Eschatologie Bernhards Urteil und Verhalten
oft ausfchlaggebend beeinflußt hat. So hat er eine
Erklärung manches Befremdlichen im Leben Bernhards
gefunden. Und er darf mit Recht behaupten, daß Bern-

| hards Leben heller und klarer im Licht der eschatologifchen
Anfchauungen werde.
Tübingen. Scheel.

I van den Borne, P. Fidentius: Die Franziskus-Forlchung in

ihrer Entwickelung dargeftellt. (XII, 106 S.) 8°. München
, J. J. Lentner 1917. M. 3.20
Eine fehr verdienftliche Veröffentlichung aus dem
kirchengefchichtlichen Seminar in München, die zwar
mit Recht auf Vollftändigkeit verzichtet, aber doch
' alles Wefentliche enthält, was feit dem 19. Jahrhundert
in der Franziskusforfchung zu Tag gefördert worden ift,
und zwar nicht in bibliographifcher Aufzählung, fondern
in einleuchtender, wohlgeordneter Darfteilung der Entwicklung
, fo daß wir eine leichte Orientierung und zuver-
; läffige Fühjaung durch das Labyrinth der Franziskusliteratur
I bekommen. Der Standpunkt ift natürlich der derürdens-
i genoffen, doch ohne bewußte Voreingenommenheit gegen
i proteftantifche Forfchung. Der Verf. weift mit Recht
darauf hin, daß die verfchiedenen Standpunkte im Lauf
der Zeit einander fich genähert haben. Aber wenn er farft:
,der eigentliche Kampf um den hl. Franziskus belteht
nicht mehr, feitdem man einmal zugibt, daß der Heilige
der katholifchen Kirche innerlich ergeben gewefen ift'
(S.85), fo möchte ich dem entgegenhalten, daß wir Älteren
darin gerade die Tragik in feinem Leben gefehen haben,
daß er durch die von uns nicht bezweifelte Ergebenheit
gegen feine Kirche zum Verzicht auf ihm wertvolle
Ideale genötigt wurde.

Stuttgart. E. Lempp.

Ebner, Dr. Jofeph: Die Erkenntnislehre Richards von St. Viktor.

(Beiträge zur Geich, d. Philofophie d. M.-A. 19. Bd. 4 Heft,
(VIII, 126 S.) gr.8°. Münfter i. W., Afchendorff 1917. M. 4.25