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Ausgabe:

1918 Nr. 2

Spalte:

275-276

Autor/Hrsg.:

Schmitz-Kallenberg, L. (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Aus dem Briefwechsel des Magus im Norden. Johann Georg Hamann an Franz Kaspar Bucholtz 1784-1788 1918

Rezensent:

Smend, Julius

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Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 21/22. 276

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über ihren Wert zu äußern. Sein Büchlein foll ein Erbauungsbuch
fein. ,In den Grundfeften erfchüttert, im
Innerften aufgewühlt durch all das Schwere und Schreckliche
diefer harten Not fucht dasMenfchenherz nach einem
feften Halt' (5). Zu diefem Zweck greift Wagner nach
den Pensees, die er zu einer auch für den evangelifchen
Chriften der Gegenwart genießbaren Erbauungsfchrift gehalten
will. In zehn Abfchnitten gibt er jedesmal zunächft
.einen Überblick über die Paskaigedanken', denen dann
.Paskalworte' folgen, die der Vf. in einer Überfetzung
mitteilt, um welche er fich redlich bemüht hat. Auszüge
aus den Trois Discours sur la condition des Grands und
aus der Priere pour demander ä Dieu le bon usage des
maladies bilden den Schluß des gefällig ausgeftalteten,
auch für die Suchenden und Angefochtenen unter unferen
Feldgrauen, vornehmlich in den Lazaretten, beftimmten
Büchleins. Die Hochachtung und Sympathie, die man
einem folchen Unternehmen zollen muß, darf uns nicht
über die Tatfache hinwegtäufchen, daß die genialen Bruch-
ftücke des tiefen Denkers zu der Aufgabe, die fich der
Verf. geftellt hat, kaum geeignet fein dürften. Die Um-
fetzung des franzöfifchen Namens Pascal in ein mit einem
k verfehenes deutfches Wort ift nur ein fchwaches
Symbol für die Gewalt, die Wagner dem ftrengen Janfe-
niften, dem wetflüchtigen Katholiken, dem kühnen Skeptiker
antun muß, um aus dem .ganzen Pascal' die Perlen
und das Gold zu gewinnen, die er in evangelifcher Ein-
faffung feinen Lefern darzubieten fucht. Immerhin ift
die Pascalfche Gedankenwelt fo reich, daß auch nach
der vorgenommenen Reduktion felbft bei der Willkür
der Gruppierung und Beleuchtung des Stoffs, die jeden
Pascalkenner ftören muß, noch wertvolle Elemente in den
Bereich eines fchlichten Proteftanten hinüber gerettet
werden können, die auch in diefer Geftalt Segen ftiften
mögen.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Aus dem Briefwechrel des Magus im Norden. Johann Georg
Hamann an Franz Kafpar Bucholtz 1784—1788. Hrsg.
v. L. Schmitz-Kallenberg. (184 S. m. Titelbild.) 8°.
Münfter i. W., F. Coppenrath 1917. M. 5—

Die Hälfte diefer 33 Briefe war bereits bekannt, aber
nur in ungenügenden Auszügen. Jetzt liegt der ganze
Briefwechfel Hamanns mit feinem Münfterifchen Wohltäter
urkundlich in vortrefflicher Ausgabe und Ausftattung
vor. Die Briefe zeigen uns den Magus durchweg von
der froheften Seite; handelt es fich doch um feinen fon-
nigen Lebensabend. Münfter ift ihm wirklich mehr ge-
wefen als Weimar. Hamanns Briefe find bekanntlich um
vieles lesbarer als feine Schriften. Aber auch jene wimmeln
von Gedankenbeziehungen und Anfpielungen, die
nicht immer leicht aufzuhellen find und dem Schreiber
felbft bald undurchfichtig wurden. Die forgfältigen Anmerkungen
des Herausgebers laffen einiges vermiffen. S. 71
finden fich Zeilen aus dem Abendmahlsliede .Schmücke
dich, o liebe Seele'(Nr. 5); daher der Ausdruck ,Das Abendmahl
meines Lebens'. S. 72 unten lieft man ein Seiten-
ftück zu einem Lieblingsworte Hamanns, einer Äußerung
desSokrates über die Schriften Heraklits. Die Beziehungen
auf Schriftworte wurden nicht immer erkannt; fo die Anklänge
an Mark. 9,41 und Joh. 12, 24 (S. 117), an Mark. 6,48
(S. 118), an i.Tim. i, 15 (S. 143). Ünter den nicht zahlreichen
Druckverfehen ftöft am meiften: ,denat. 21. Juni
1738' ftatt 1788 (S. 179). Die fpätere ungerechte Beurteilung
der Fürftin Gallitzin feitens Goethes wird (S. 180)
mit Fug abgewiefen. Das Sterben Es in Münfter, das
die Freunde offenbar durch eine jähe Heimreife des fchwer
kranken Gaftes zu verhindern hofften, hatte bekanntlich j
zur Folge, daß die Beftattung des Proteftanten in nicht
geweihter Erde gefchehen mußte. Die Fürftin hat dann
aber ihren Garten freudig zur Verfügung geftellt. Im
Verlauf des Briefwechfels ermüdet und flößt den Lefer

das ftarke Hervortreten von H.s Krankheitszuftänden.
Keine Störung feiner Temperatur oder feines Stoff wechfels
bleibt uns erfpart. Es ift eben der Lebensreft eines vielgeplagten
und höchft feltfamen Mannes. Aber weil es
ein fo großes Leben gewefen, zwingt auch noch die
Ruine zur Ehrfurcht.

Münfter i. W. J. Smend.

Valentin, Veit: Kolonialgefchichte der Neuzeit. Ein Abriß.

(XI, 226 S. m. 2 Tabellen u. 2 färb. Karten.) gr. 8".

Tübingen, J. C. B. Mohr 1915. M. 4.80; geb. M. 6 —
In gewandter Darftellung und klarer Anordnung des
Stoffes fchildert der Verf. die Entwicklung der neuzeitlichen
Kolonialgefchichte vom Standpunkt des politifchen
Hiftorikers aus und will zeigen, daß ,der koloniale Gedanke
feit Beginn der Neuzeit ein Ausfluß des Staats- und Machtgedankens
gewefen und fo die Kolonifation der letzte und
ftrengfte Gradmeffer nationaler Kraft und nationalen Selbft-
bewußtfeins geworden ift', während ,die ökonomifchen Auf-
faffungen' der Kolonialgefchichte abgelehnt werden. In
dem offenbar rafch entftandenen Buch kann ich eine befriedigende
Begründung diefer Thefe nicht erblicken; bei
einem tieferen Eindringen in die Gefchichte und die Probleme
der Kolonialpolitik wären wohl auch manche irrtümliche
Angaben und fchiefen Urteile vermieden worden.
Der Satz: .Sicher arbeiteten die Miffionare (an der Sierra
Leone) brav und hatten manche befondere Freude an
äußerlichen Erfolgen ihrer Erziehung' (S. 149), entfpricht
nicht der Höhenlage, die das Buch fonft einnimmt.
Göttingen. Carl Mirbt.

Strucker, Priv.-Doz. Dr. Arnold: Die Kundgebungen Papft
Benedikts XV. zum Weltfrieden. Im Urtext u. in deut.
Überfetzg. hrsg. (XII, 143 S. m. 1 Bildnis.) gr. 8°.
Freiburg i. B., Herder 1917. M. 2.50; geb. M. 3.50
In dem erften Abfchnitt werden ,die offiziellen allgemeinen
Kundgebungen des Heiligen Stuhles zur Friedensfrage
' zufammengeftellt, und zwar 12 Aktenftücke, deren
er fies vom 8. September 1914 datiert ift, während die
Note vom 1. Auguft 1917 den Abfchluß bildet. Der
zweite Abfchnitt bringt .andere amtliche Verlautbarungen
des Heiligen Stuhles zur Friedensfrage', ebenfalls i2Num-
I mern umfaffend und bis zum 7. Mai 1917 reichend. Der
Anhang enthält Pius X. Mahnruf an die Katholiken des
Erdkreifes zu Kriegsbeginn und ,die wichtigften außer-
päpftlichen Aktenftücke zur Friedensfrage feit dem Friedensangebot
vom 12. Dezember 1916'. Das Buch ift alfo
eine Sammlung von wichtigen zeitgenöffifchen Quellen
deren Benutzung durch die ihnen beigefügte deutfche
Überfetzung erleichtert wird. Für die Beantwortung der
Frage nach der Stellung des römifchen Stuhles zu den
jetzt im Kriege flehenden Mächten reicht freilich das
hier vorgelegte Material nicht aus, vgl. die Schrift ,Papft,
Kurie und Weltkrieg', hiftorifch-kritifche Studie von einem
Deutfchen, Berlin 1918.

Göttingen. Carl Mirbt.

Kaftan, D. Julius: Philotophie des Proteltanlismus. Eine
Apologetik des evangel. Glaubens. (VI, 412 S.) gr. 8».
Tübingen, J. C. B. Mohr 1917. M. 8 —; geb. M. 940
In Nr. 22/23 ('7- Novbr.) 1917 habe ich diefem Werke
eine Voranzeige gewidmet, die feine formale Art kennzeichnete
, d. h. klarlegte, wie es gemeint fei. Ich durfte
damals eine Sachbeurteilung für fpäter verheißen. Und
die dachte ich mir eingehend, wie es dem bedeutenden
Gedankeninhalt des Werks entfpreche. Aber nun ift in-
zwifchen ein ö6y//a xctna Ka'iGaQoq Avyövotov ergangen,
I daß .alle' Befprechungen der Theol. Litztg. kurz fein
müßten: ja die Worte einer jeglichen follen gezählt
werden, ob fie auch das Höchftmaß nicht überfchreiten.
Alfo, ich kann mein Verfprechen nicht einlöfen. Ich
muß alles bei Andeutungen bewenden laffen.