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Ausgabe:

1918

Spalte:

251

Autor/Hrsg.:

Pastor, Ludwig v.

Titel/Untertitel:

Die Stadt Rom zu Ende der Renaissance 1918

Rezensent:

Mirbt, Carl

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Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 19/20. 252

Noch find wir weit davon entfernt, da die Pionierarbeit j
einiger weniger von der proteftantifchen Theologie fo gut
wie unbeachtet bleibt.

Hamburg-Schmalenbeck. Hans Vollmer.

Paftor, Ludwig v.: Die Stadt Rom zu Ende der Renaiffance. Mit

102 Abbildgn. u. 1 Plan. (XVIII, 135 S.) gr. 8". Freiburg
i. B., Herder 1916. Kart. M. 4.50

Das von Paltor in dem 6. Band feiner ,Gefchichte der Päpfte'
auf Grund von zeitgenöffifchen Berichten, Zeichnungen und
Stichen entworfene Bild der Stadt Rom gegen Ende der Renaiffance
erregte fo großes Intereffe, daß der Wunfeh nach einer iiluftrierten
Sonderausgabe entftand (Vorwort). Der Erfüllung diefes Verlangens
verdanken wir die Schrift, die einen Schatz ausgezeichneter
Abbildungen darbietet und dem Hiitoriker wie Kunftfreund
reichen Gewinn bringt.
Göttingen. Carl Mirbt.

Reformationsliteratur.

Von den in Nr. 20/21 Jahrg. 1917 diefer Zeitung
befprochenen Reformationsfchriften der Allgemeinen
ev.-lutherifchen Konferenz find inzwifchen vier weitere
Hefte erfchienen. H. Preuß1 ftellt die Abendmahlsfrage j
unter den Gefichtspunkt des Luthers Leben durchziehen- !
den Zweifrontenkampfes gegen die Papftkirche und die
Schwärmer. Der römifche Gegenfatz ift klaflifch dargelegt
in de captivitate babylonica ecclesiae und betrifft die
eigentliche Gabe des h. Abendmahls'; fie wird nach Seite
der Frömmigkeit als .männliches Vertrauen, Stärke ftatt
weiblicher Plingabe in Vereinigung mit dem Geliebten'
(diefe Formulierung ift trotz der alsbald gegebenen Erläuterung
nicht glücklich) und .Freude, frei von aller Furcht'
gekennzeichnet. Beim Kampf gegen die Schwärmer geht
es ,um die Art der Vermittlung'. Die Unterfchiede Luthers
von feinen Gegnern beiderfeits werden von P. an-
fchaulich entwickelt. Aber ift wirklich .außerhalb des
Luthertums die Schrift überall Gefetz- oder Orakelbuch'
(S.4) Und hat Luther .auf dem Trümmerfelde des nie-
dergeftrittenen Meßopfers ftark und fieghaft das Abendmahl
in feinem urfprünglichen, bibliichen Sinn aufgepflanzt'?
(S. 7) Gewollt hat er das gewiß, und vermutlich hat es
P. auch fo gemeint, obwohl er uns über feinen eigenen
Standpunkt etwas im Unklaren läßt. Der Satz: ,es
gehört zu den unerläßlichen Fundamentalfätzen wirklichen
Chriftentums, daß in der hiftorifchen Perfon Jefu
von Nazareth Gottheit und Menfchheit vereint ift' (S. 15)
ift mehr als mißverftändlich geprägt, ebenfo wie die folgenden
chriftologifchen Ausführungen.Die endgültige Kelchentziehung
für die Laien ift nicht auf dem Laterankonzil
1215, wie es S. 4 heißt, fondern zu Konftanz 1415 fixiert
worden.

Hält Preuß mit dem eigenen Standpunkt zurück, fo
betont ihn um fo deutlicher Lauerer2. Auch hier wird
die Abfage Luthers nach rechts und nach links — hier
war fie die fchärfere — herausgehoben. Stark unterftreicht
L. den Satz, .daß Luthers Anfchauungen von der Taufe j
fich während feines reformatorifchen Wirkens im wefent-
lichen immer gleich geblieben find, mag er auch anfangs j
mehr das fubjektive Moment des Glaubens und fpäter
mehr die objektive Grundlage im göttlichen Wort betont
haben;' m. E. zu ftark, die von Goltfchick in feiner Schrift
über die Taufe gezogenen Entwicklungslinien treten nicht
gebührend heraus. Gut wird die Lebensbedeutung der
Taufe im Sinne Luthers, ihr Wert für die Erhaltung der
Volkskirche und Luthers Ringen um die Verteidigung
der Kindertaufe dargeftellt. ,Es mutet faft wie Eigenfinn
an, zu fehen, wie fich Luther hierbei jeden Ausweg zu
einer vernünftigen Erklärung verfperrt'. Daß Luther die
Taufe nicht zur Tat des Menfchen machen will (gegen
Zwingiis Meinung vom Verpflichtungsakt), ift richtig, aber

1 Preuß, Lic. Dr. Hans: Luther und das Abendmahl. (Refor-
mationsfchrit'ten der Allg. Ev.-Luth. Konferenz, Heft 6.) (27 S.) 8°.
Leipzig, A. Deichert 1917. M. — 35

Lauerer, Pfr. Lic.: Luthers Anfchauung von der Taufe. (Reformationsfchriften
Heft 7.) (24 S.) 8". Ebd. 1917. M. —35

daß die andersartige Auffaffung .glatter Verfall in eine
neue Gefetzlichkeit' fein muß, leuchtet mir nicht ein; ebenfo-
wenig der .geheimnisvolle Vorgang' bei der grundlegenden
Befitznahme des Menfchen durch Gott in der Kindertaufe
. Man wird doch fragen dürfen: weshalb ift diefe
Befitznahme an einen beftimmten Akt gebunden? L. ift
auch geneigt, die fides infantium anzunehmen, um anderer-
feits hinter die Frage der Unfeligkeit ungetaufter Kinder
,ein untheologifches aber hoffentlich nicht unreligiöfes
ignoramus' zu fetzen.

Sehr frifch und inftruktiv ift die Schrift von Althaus8,
auch von einem warmen nationalen Klang durchzogen
und Luthers Bedeutung vom Mittelalter abhebend. Die
Frage nach dichterifchen Verflachen Luthers vor 1523
wird offen gelaffen, aber die bekannten Lieder (gegen
Spitta) nicht vor diefe Zeit hinaufgerückt. Die einzelnen
Lutherlieder werden charakterifiert und als ihnen ge-
meinfam die Erhebung des Individuellen zu einem Bekenntnis
der vielen, in deren Namen er redet, beftimmt.
Die Umwandlung des Gottesdienft.es durch das deutfehe
Kirchenlied, Quellen und Vorlagen des Dichters werden
erörtert, die Anerkennung verliert fich nie in Über-
fchwänglichkeit. .Auch Luther hat nicht nur Erftklaffi-
ges und Vollendetes gefchaffen' (S. 36).

Greiner4 bietet mehr, als der Titel feiner Schrift vermuten
läßt; es wird fehr gefchickt und richtig der litur-
gifche Gottesdienft als ein Teil des Gott-Dienens im Sinne
Luthers gewertet. Ausgangspunkt ift der Satz: nicht
der Gottesdienft fchafft die Frömmigkeit, fondern die
Frömmigkeit erzeugt den rechten Gottesdienft. Diefer
zerfällt in individuellen—Gottesdienft im Geift, Bekennen
in Lob und Dank wie in Leiden, Nächftenliebe und Berufsarbeit
— und gemeindlichen. Letzterer,ift nichts anderes
und will nicht i anderes fein als Ausfluß und Ausdruck
der Frömmigkeit, Äußerung und Geftaltung, Übung und
Pflege des Glaubens' und zerfällt in gemeinfames Handeln
mit Beziehung auf Gott und auf den Nächften. Schade,
daß G. uns zumutet, feine Zitate an der erften (!) Auflage
der E.A. nachzuprüfen. Daß Luther den Gegenfatz:
Chrift und Kultur ,überwunden' habe (S. 16), ift charak-
teriftifcher für G. als Lutheraner als für Luther felbft, bei dem
die Spannungen noch fehr deutlich find. Zu kurz und
nicht allenthalben richtig find die Ausführungen über
Luthers Kirchenbegriff S. 21 und 24.

P. Althaus' Schrift5 ift namentlich im erften Teile
fehr frifch und warm gehalten, im zweiten gerät Vf. ein
wenig ftark in die Syftematik hinein, wenn er die Aus-
einanderfetzung mit der .deutfehen Frömmigkeit' im Sinne
von Lagarde, Bonus, Joh. Müller (der freilich etwas aus
dem Schema fällt) vollzieht. Hier vermag ich ihm nicht
allenthalben zuzuftimmen und hätte die Abgrenzung Luthers
von diefer verfchwommenen Myftik gern lchärfer
vollzogen gefehen. Der .Immanenzgedanke' bei Luther
im Sinne der Erhaltung der Welt durch Gott ift doch
etwas ganz Anderes als die pantheifierende Immanenz
etwa bei Jatho. Oder .Monismus ift für uns Chriften der
eine Pol unferes Gottesgedankens; Gott ift der Ailum-
fafiende' meint einen ganz anderen Begriff von Monismus
als ihn die .deutfehe Frömmigkeit' vertritt. Auch im
erften Teile, der treftlich Luthers deutfehe Art herausarbeitet
, fehen manche Sätze etwas verfliegen aus. Ift z. B.
die Frage: wie kriege ich einen gnädigen Gott? in der
perfönlichen Zufpitzung, die fie bei Luther hat, ,deutfch'
(S. 9)? Der mit Gott ringende Luther hat fich jedenfalls
gar nicht als Deutfehen, londern als armen, fündigen Men-

s Althaus, Prof. D. P.: Luther als der Vater des evangel. Kirchenliedes
. (Retormationsfchiil'Un Heft 8,9.) 45 S.) 8". Ebd. 1917.

M. — 70

* Greiner, Pfr. Lic. Hermann: Luthers Aufi'aflung vom Gottesdienft
. (Reformationsfchriften Heft 10.) (26 S.) 8°. Ebd. 1917. M.—35

s Althaus, Priv.-Doz. z. Z. Gouv.-Pfr. Lic. Paul: Luther und das
Deutfchtum. (Reformationsfchriften Heft II.) (32 S.) 8". Ebd. 1917.

M. -35