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Ausgabe:

1918 Nr. 1

Spalte:

237

Kategorie:

Religiöse Kriegsliteratur, Kriegspredigten, Kriegspädagogik

Autor/Hrsg.:

Huber, Fritz

Titel/Untertitel:

Aus tiefster Not zu Gott! Kriegsandachten 1918

Rezensent:

Schian, Martin

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237

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 17/18.

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nicht vielmehr eine Predigt? Und ift denn die im Felde
gehaltene Ansprache zur Friedhofsweihe (64 ff) eine
Kriegsbetftunde? Im übrigen bietet die kleine Sammlung,
an der u. a. Gennrich (Königsberg), Jofephfon (Halle)
und Weber (Coblenz) mitgearbeitet haben, manche dankenswerte
Gabe. — Hubers11 Sammlung enthält 15 An-
fprachen von je 4 —- 5 Druckfeiten Länge, die reichlich
ins Leben der Zeit hineingreifen, auch hübfch geformt
find, freilich ohne gerade eine beftimmte Sonderart herauszuarbeiten
.

6. Soldatenpredigten. Von H. Beck12 ift fchon
früher (1917, Sp. 114) eine Sammlung Feldpredigten angezeigt
worden; in diefer zweiten vereinigt er 17 genau
datierte Reden aus dem Stellungskrieg im Often, der
zuo-leich durch 51 photographifche Aufnahmen hübfch
veranfchaulicht wird. Über die Art der Reden habe ich
aus Anlaß der erften Sammlung das nötigfte gefagt; ich
habe jetzt nur weniges hinzuzufügen. Das Vorwort betont
ftark: ,Ich will niemand bekehren oder moralifch
beffern, auch niemand an mich reißen'; das .religiöfe
Selbftbeftirnmungsrecht des Hörers' verbiete das. Ganz
abgefehen davon, ob nicht diefe Formulierung zu fcharf
ift, fcheint mir der Inhalt dem Programm nicht völlig zu
entfprechen. B. geht ganz kräftig an den einzelnen heran
, fetzt auch ein folches (manchmal ficher ein zu großes)
Maß gemeinlamer religiöfer Erfahrung voraus, daß das
religiöfe Selbftbeftimmungsrecht ziemlich zur Seite ge-
fchoben erfcheint (z. B. S. 15). Manche Reden wollen mir
reichlich lang erfcheinen (Nr. 1 hat 7 Druckfeiten!) Gelegentlich
greift der Ausdruck höher, als richtig ift; auch
finden fich ziemlich abftrakte Wendungen. Doch ift der
Ton im allgemeinen fo frifch und die innere Berührung
mit dem Hörer fo lebendig, daß der Gefamteindruck
recht erfreulich ift. Befonders gelungen find vielfach die
Einleitungen. Auch von Reetz13 liegt eine frühere
Sammlung vor (1917, Sp. 114 f.); diefe neue behandelt
das Generalthema des Leidens in unmittelbarem, praktischen
Eingehen auf das, was die Hörer in Lazaretten
durchzumachen haben. Er hat die Anfprachen unter
mancherlei eigenen Leiden niedergefchrieben; fo fteht
ihnen auch die Wirkung eigenen Erlebens zur Seite.
Daneben bekennt R., viel Anregung von Hilty erhalten
zu haben. Für noch wirkfamer würde ich die Anfprachen
halten, wenn fie teils als ganzes, teils doch in einzelnen
Teilen knapper zufammengefaßt wären. Die durchfchnitt-
liche Länge von 6 — 7 Seiten ift zu reichlich.

6. Katholifches. Höchft intereffante Betrachtungen
ermöglichen die katholifchen Predigten, die Bifchof von
Faulhaber unter dem Titel ,Das Schwert des Geiftes'
crefammelt hat14. Faulhaber hat fich mit dem Rotten-
burger Bifchof Keppler und mit Domprediger Donders
zufammengetan, um ,den Mitbrüdern im Felde homile-
tifche Munition nachzuliefern'. Sie haben das, unter-
ftützt durch eine ganze Zahl anderer Geiftlicher, feit
1916 getan, anfcheinend durch Zufenden einzelner Reden,
die nun hier gefammelt find. ,Unfere Feldpredigten
wollen nur in dem Sinne kanzelfertig fein, daß fie zum
Nachdenken und Weiterdenken anregen und namentlich
durch Angleichung an die jeweiligen Erlebniffe und
Seelenftimmungen der Kameraden ergänzt werden.' Sicher
werden diefe Hülfen, befonders die der anerkannten
homiletifchen Führer und Meifter wie Keppler, viel be-

11) Huber, Pfr. Dr. Fritz: Aus tiefer Not zu Gottl Kriegs-
andackten. <79 S.) 8°. Heidelberg, Ev. Verlag 1915. M. 1.20.

12) Beck, Feldgeiftl. Paft Dr. H.: Siegfried! Gottes Kraft
f. die Front im deutfchen Weltkriege. Mit 51 Aufnahmen. (180 S.) 8°.
Braunfchweig, H. Wollermann 1917. M. 2—

13) Reetz, z. Z. Garnifonpfr.: Vom Leiden. Anfprachen an
Soldaten, bef. Verwundete u. alle durch den Krieg Leidtragende. (III,
95 S.) 8». Mainz, V. v. Zabern 1916. M. 1—

14) Faulhaber, Bifch. Dr. Michael v.: Das Schwert des
Geiftes. Feldpredigten im Weltkrieg, in Verbindg. m. Bifch. Dr.
Paul Wilh. v. Keppler u. Dompred. Dr. Adf. Donders hrsg. (XIV, j
525 S.) 8°. Freiburg i. B., Herder 1917. M. 5.50; geb. M. 6.60

nützt worden fein; wir dürfen fie alfo als eine Art
Spiegelbild der katholifchen Feldpredigt anfehen. Die
Sammlung nennt ihren Inhalt im Untertitel felbft ,Feld-
predigten'; fie bringt aber außer Predigten auch recht
viel anderes: Beichtanfprachen, Kommunionanfprachen,
Lazarettanfp rächen, Grabreden, bifchof liehe Hirtenbriefe
und andere Gelegenheitsäußerungen; am Schluffe auch
Denkmalinfchriften für Kriegergräber. Sehr intereffant
ift es, zu beobachten, wie fern diefe Reden von jeder
Formfchablone find. Den meiften geht die Angabe des
,Lefeftücks' voraus, das behandelt wird; andere knüpfen
in freierer Weife an ein Bibelwort an; wieder andere
unterlaffen folche Anknüpfung ganz (z. B. ,Familienforgen
im Felde' 41 ff.). Neben Predigten, die Thema und Einteilung
angeben, flehen andere, die ohne folche Formulierung
Gedanken an Gedanken reihen; namentlich Keppler
pflegt diefe letztere, mehr ,moderne' Art. Eine nicht
feiten auftretende Neigung, eine Reihe von kurzen Ab-
fätzen mit je einem klar herausgehobenen Gedanken
neben einander zu Hellen, fördert das Aufmerken der
Hörer. Neuzeitlich ift auch die Sprache, nur daß häufiger
, als in evangelifchen Predigten möglich, lateinifche
Wendungen begegnen und, was ja felbftverftändlich ift,
katholifch-kirchliche Ausdrücke vielfach wiederkehren.
Nach Anfchaulichkeit ftreben alle Verfaffer; manchmal
wirkt dies Streben aber gefucht und gewaltfam; fo z. B.,
wenn der Täufer wegen Mt. 3, 3 als ,der geborene Schutzheilige
für unfere Pioniere, für Brückenbau und Straßenbau
' bezeichnet wird (2). Inhaltlich bieten die Predigten
viel; fie behandeln ernftlich eingehend wichtige Fragen
und bleiben doch überall praktifch. Somit wird die
Sammlung ihrem Zweck in vollem Umfange genügen.
Wir unfererleits vertreten ja andere Anflehten über die
Lieferung ,homiletifcher Munition'; aber die Frage, wie
den nun im vierten Kriegsjahre im Felde Stehenden
homiletifche Anregungen zuzuführen feien, follte uns mehr
befchäftigen, als fie es tut. — Eine gedankenreiche, klare
Pfinzelpredigt über ein fehr wichtiges Thema hat der
Schweizer Meyenberg15 an einigen Stellen ,etwas
weiter' ausgeführt. Was uns jetzt vorliegt, ift mehr eine
populäre Abhandlung als eine - Predigt. Ob fchon die
urfprüngliche Predigt fehr lang war? Auf die Art, wie
M. fein Problem anfaßt, kann ich hier nicht eingehen.
Gießen. M. Schian,

15) Meyenberg, Kanonikus Mfgr. A.: Wie kann Gott dem
Weltkrieg zufchauen? Predigt, geh. am Eidgcnöffifchen Bettag
1916 in der Hofkirche zu Luzern. (58 S.) 8°. Luzern, Räber & Co.
1916. M. —95

Berichtigungen.

1. Zur Befprechung von Beckh, Buddhismus in Nr. 14,
Sp. 169 f.

Über Frankes Anzeige hat fich Dr. Beckh befchwert. Da wir
unferm gefchätzten Mitarbeiter ausreichenden Platz zu feiner Verteidigung
nicht zur Verfügung Mellen können, fo geben wir aus
einer fympathifchen Würdigung Herrmann Oedenbergs (im 1.
Morgenbl. der Frankf. Ztg. vom 27. Okt. 1916) ein paar Sätze
wieder, die auf das Intereffe unferer Lefer rechnen dürfen. ,In
der ihm eignen feinen und tiefen Empfindung' hat B. die Grundzüge
von Buddhas Perfönlichkcit und Wirken gefchildert: Buddha
habe feinen gewaltigen Einfluß geübt ,in tieffler SelbMentäußerung
einzig darauf bedacht, andere zum Lichte der Erkenntnis, und
durch die Erkenntnis zum Heile, zum Frieden, zur Befreiung
von allem, was die Seele in die niederen Regionen des Seins
herabzieht, zu führen, indem er ihnen geiMiges, außerhalb der
Sphäre materieller perfönlicber InterelTen liegenden Ziele wies,
von L'ebe und Mitleid befeelt, jenem Mitleid mit allem Lebendigen
, das ihm aus einem Herzen floß, das fonR von allem Irdi-
fchen abgefchieden war'. Die Eigenart von Bs. Auffaflung des
Buddhismus liege in feiner weitgehenden Identifizierung mit dem
Yog? dem Suchen nach höheren BewußtfeinszuRänden, die
jemeits das Alltagsleben Mehen. Oldenberg hält das für einfeitig,
erkennt aber an, daß damit ,ein höchM gewichtiges Moment' erfaßt
fei von einem DarReller, der ,für das Erraffen der hier in
Frage kommenden Erfcheinungen ungewöhnlich begabt und darauf
eingeMellt fein mag'. Daraus ergibt fleh, daß der Theologe, auch