Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1918 Nr. 1

Spalte:

236

Kategorie:

Religiöse Kriegsliteratur, Kriegspredigten, Kriegspädagogik

Autor/Hrsg.:

Meyer, Max

Titel/Untertitel:

Das Christentum der Reformation in eiserner Zeit. Predigten 1918

Rezensent:

Schian, Martin

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

235

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 17/18.

236

verfäume: diefe Sorge ift der Grundton aller 21 Predigten. ; künftlerifche Anfprüche befriedigt, heutzutage eine be-

Darum fehlt es in ihnen auch, fo fehr innerlich-perfönlich j fondere Aufgabe hat. Allen kann freilich auch diefe

fie zu wirken fuchen, nicht an Ausführungen über unfer | Art nicht gerecht werden. — Neben Palmer zwei Oft-

Volh Nach 1 Mofe 18, 20 — 33 bildet I. das Thema: | deutfche zu ftellen, ift eine Aufgabe von befonderem

,Unfer Volk und wir die Einzelnen in ihm' (200ff.); auch | Reiz. Nowak8 gibt die Predigten, die er, als das Große

die Bußtagspredigt gilt dem Volke als ganzem. Die
Politik fchaltet I. natürlich aus (21); wie Ichwer das ift,
zeigt z. B. der Dank an Neujahr 1916 dafür, daß an der
Spitze unferes Volkes Männer flehen, zu denen wir in
vollem Vertrauen aufblicken dürfen. Zu ihnen gehörte
Bethmann Hollweg! Daß die Predigten die Peifon Jefu
kräftig zur Geltung bringen, verftebt fich bei I. von
felbft; es gefchieht in ganz religiöfer, jede dogmatifche
Verfteifung vermeidender Weife. Der Band ift eine der
dankenswertesten Gaben der Kriegszeit — Auch der
Dresdener I. Keßler6 fetzt die Drucklegung feiner
Kriegspredigten fort. Ihre Art ift früher gekennzeichnet
(1916, Sp. 305); jetzt mache ich befonders auf H. 10
aufmerkfam. K. ging Oftern 1916 an die Front; er gibt
die Predigt vor der Ausreife und einige nachher, wieder
daheim gehaltene, die noch ganz von den Erlebniffen

Hauptquartier in Pleß war, 1915 _ IO/I7( vor dem Kaifer
und manchem feiner militärifchen Berater gehalten hat.
Sie halten fich nahe an die Texte, gliedern klar, find im
Ausdruck knapp, ziehen Zeitereigniffe heran, ohne darin
des Guten zuviel zu tun, verfäumen auch nicht, b -
lebende Einzelheiten einzuflechten. Sie leiften alfo alles,
was man gemeinhin von einer guten Predigt fordern
kann. Nur zeigen Textausbeutung und Gedankenvorrat
keine originale Art. N. weiß praktifch gewählte Schriftworte
dem Hörer ans Herz zu legen; und das hat feinen
Wert. Aber manche Hörer werden das Gefühl sie' t
los geworden fein, daß fie die vorgetragenen Gedanken
fchon kannten. Das ift die größte Kunft des Predigers,
alte Wahrheiten neu zu machen. — Meyer9 will mehr
geben; er weift der Predigt ausdrücklich die Aufgabe
zu, ,dem religiöfen Leben und Denken unferer Zeit ein

des Kriegsfchauplatzes durchtränkt find. Es fcheint i feftes Rückgrat zu geben durch Verständnis der alten
(S. 244 Anm.), als folle dies Heft die Reihe der heimst- j christlichen, oft falfch verstandenen Heilswahrheiten' (Vor-
lichen Kriegspredigten abfchließen. — Diefen Fortfetzungs- j wort); er nimmt alfo die apologetifche Arbeit in Angriff-
fammlungen längst bekannter Prediger habe ich drei ; Daneben ift es feine Abficht, den Anfchluß an die Welt-
Sammlungen bisher weiteren Kreifen unbekannter Männer ' und Lebensanfchauung der Reformation zu pflegen,
anzufchließen. Freude hat es mir gemacht, mich in die Der Krieg tritt bei ihm mehr in den Hintergrund, doch

Predigten des Pfarrers im Heinrichsbad Palmer7 hin
einzufühlen. Er ift der zweite in der Schweiz predigende
Reichsdeutfche, der Predigten aus der Kriegszeit ver

foll .alles, was in diefer Zeit unter Gottes ehernem Tritt zum
Durchbruch gekommen ift, geklärt und gestärkt werden'.
Befonders charakteriftifche Proben fcheinen mir die Ofter-

öffentlicht (vgl. Heinzelmann, 1917, Sp. 112). Auch er j predigt 112 ff., fowie die über die Bibel 206 ff, und die
hält felbftverftändlich keine eigentliche Kriegspredigten, 1 Taufe 125 ff. Daß der Band ein ernftes Sichmühen in

aber er gibt durchaus .Gedanken zur Gegenwart'; na
mentlich die Gruppe von Predigten bei befonderen An
läffen kann gar nicht am Kriege vorübergehen. Beachtenswert
ift aus ihrer Zahl die taktvolle, ernfte, wirkfame
Predigt am eidgenöffifchen Bettag. In der überwiegenden
Menge der Stücke tritt das Zeitereignis mehr oder
auch ganz zurück; fie find in befonderem Maße Jefus-
predigten. Zwölf bilden eine Gruppe: Jefus, dergehorfame
Gottesknecht'; 23 eine andere: Jefus, der Herold des
Reiches'; aber auch die Gruppe .Heilige Ausfichten'
stellt ihn in den Mittelpunkt. Die Art, wie das gefchieht,
möchte ich als modern-innerlich bezeichnen. Obwohl P.
zur Theologie des alten Glaubens hält (leibhafte Auferstehung
28), vermeidet er jede dogmatifche Schärfe; das
innere Leben Jefu macht er geltend, nicht aber oder
nur feiten (Oftern 1) die äußere Tatfache. Und Jefus
drängt ihm nicht Gott zurück: Jefus, der Gottbringer,
der Mittler Seiner Gnade und Seiner Wahrheit und
Seines Lebens: als folcher ift er der Heiland der Welt'
(241). Die Innerlichkeit der Predigten, die öfter an evan-
geliftifche Art anklingt, ift doch von der fchablonen-
haften Evangelifationspredigt fcharf gefchieden, wie ja
P. auch ausdrücklich die Pfingftbewegung energifch abweift
(96). Modern, in gutem Sinn, ift auch die Form,
die alles fchematifche meidet, ohne herausgehobene Einteilung
den Gedankengang weiterfpinnt, vielleicht aber
in der Verdeutlichung diefes Ganges dem Hörer, in der
Sonderung häufigerer Abfätze dem Lefer stärker entgegenkommen
könnte. Es ift mir nicht zweifelhaft, daß
diefe aus dem inneren Leben Jefu fchöpfende Predigt,
die den äußeren Biblizismus ebenfo wie den Dogmatismus
der älteren Predigt überwunden hat, die ohne
jede abfichtliche Apologetik dennoch von innen heraus
vielen Fragen wirkfam begegnet, die gar keine ,Kunft-
homilie' fein will, aber in edler, gehobener Sprache auch

6) Keßler, Pfr.J.: P red igten und An fp rächen in den Kriegstagen
1914/16. 9. u. 10. Sammig. (S. 155 — 252) 8°. Dresden,
C. L. Ungelenk 1917. je M. —175

7) Palmer, Pfr. Theodor: Fröhlich in Hoffnung! Gedanken zur
Gegenwart u. frohe Botfchaft für die Not der Zeit in Predigten. (VIII,
369 S.) 8». Bafel, F. Reinhardt 1917. M. 5—; geb. M. 6.25

der angedeuteten Richtung aufweift, erkenne ich gern
an; die Predigten befitzen von daher einen reichlichen
Bestand von Gedanken, ohne doch die Predigtart einzubüßen
. Freilich fcheint mir die Apologetik oft allzu -
fehr mit den üblichen Beweisgängen zu arbeiten; fie
häuft allerhand Erwägungen mehr äußerer Art, während
fie beffer rein von innen heraus zu gewinnen fuchen
follte. Die Predigten bringen viel und faffen doch oft
nicht den Kernpunkt des Widerstandes. M. verzichtet
wie Palmer auf eigentliche Teilung; aber während jener
oft zu lange Abfchnitte formt, zerfpittert M. feine Predigt
in allzuviele kleine. Die Himmelfahrtspredigt zählt
nicht weniger als 46 Abiätze auf 6 Seiten! Das mag
für den Hörer weniger merkbar werden; es fcheint mir
aber doch mit der inneren Struktur der Predigten zu-
fammenzuhängen. Daß M., wie mancher andere, die
Wendung vom Bankerott der Christenheit falfch, nämlich
als folchen des Christentums zitiert (41), fei kurz angemerkt
. —

5. Kriegsbetftunden und Kriegsandachten.
Boehmer 10, der für fich allein ein Heft liturgifcher Kriegsbetftunden
herausgegeben hat, vereinigt jetzt 24 Stücke,
die gleichfalls .Kriegsbetftunden' heißen, aber recht ver-
fchieden geartet find. Teils find es nur Ansprachen,
teils ift ein Lied angegeben, teils der Abriß einer Liturgie
hinzugefügt, ein vierter Teil (von B. felbft verfaßt)
bietet liturgifche Entwürfe ohne Anfprachen. Mannigfaltigkeit
war gewünfcht und gewollt; aber konnte nicht
überall ein kurzer liturgifcher Entwurf beigegeben oder
mindestens ein Lied genannt werden? Auch die Länge
der Anfprachen ift fehr verfchieden; fie fchwankt zwifchen
9 und 3 Druckfeiten. Ift die lange Anfprache S. 18 ff.

8) Nowak, Superint. G.: Stark und getroft im Herrn. Predigten
aus emuer Zeit, geh. im großen Hauptquartier. (243 S.) 8°.
Berlin, M. Warneck 1917. M. 3.80; Pappbd. M. 4.50

9) Meyer, Päd. Milit. Seelf. Lic. Max: Das Chriftentum der
Reformation in eiferner Zeit. Predigten. (VIII, 260 S.) 8°. M. 4—;
geb. M. 5.50

10) Boehmer, Pfr. Lic. Dr. Julius: Mach End, o Herr, mach
Endel Kriegsbetftunden unter Mitwirkg. v. Paft. Danneil ufw. hrsg.
(III, 103 S.) 8°. Leipzig, Krüger & Co. 1917. M. 1.50