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Ausgabe:

1918 Nr. 1

Spalte:

232-233

Autor/Hrsg.:

Pfennigsdorf, Emil

Titel/Untertitel:

Wie predigen wir heute Evangelium? 1918

Rezensent:

Schian, Martin

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231

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 17/18.

232

Eucken, Rudolf: Geiftfge Strömungen der Gegenwart. Der

Grundbegriffe derj Gegenwart 5. umgearb. Aufl. (XII,
406 S.) gr. 8°. Leipzig, Veit & Co. 1916. M. 9—;

geb. M. 10 —

Das Euckenfche Werk, das urfprünglich unter dem
Titel, Grundbegriffe der Gegenwart' ausgegangen war, enthält
bekanntlich nicht bloß einen darfteilenden Bericht über
die heutige Lage des gefamten geiftigen Lebens, londern
bringt zugleich auf Schritt und Tritt die Notwendigkeit einer
neuen und tiefer greifenden Begründung desfelben zu Bewußtfein
. Das Werk erfcheint hier in fünfter Auflage, nicht
ohne daß der unermüdliche Verfaffer das Ganze einerDurch-
ficht unterzogen und da und dort die verbeffernde Hand
angelegt hätte. Die meiften Veränderungen find wefentlich
formaler Art; doch fehlt es nicht an fachlichen, durch
die indeflen das beherrfchende Leitmotiv nicht angetaftet
wird. Solche befinden fich namentlich in dem praktifch
bedeutfamen Abfchnitt, der von den ,Problemen des Men-
fchenlebens' handelt. Hier find zwei neue Kapitel eingegliedert
: .Zweifel und Fragen der Gegenwart' und ,Die
moralifchen Gefahren der Gegenwart'. Aus dem erfteren
feien wenigftens einige kurze Sätze angeführt, denen
man, ob man ihnen nun zuftimme oder nicht, jedenfalls
die Aktualität nicht abfprechen wird: .Auch die
große Zahl taugt wenig für fchwerere und feinere Probleme
, wie eine hochentwickelte Kultur fie bringt. Die
Parlamente find geeigneter zur Fernhaltung von Uner-
wünfchtem als zu pofitivem Schaffen, auch drängen
bei ihnen die Streitfragen, die den Gegenfatz der Parteien
verkörpern, die Probleme der gemeinfamen Geiftes-
kultur weit zurück, diefe pflegen als Nebenfachen behandelt
zu werden. Je mehr das zu allgemeinem Bewußtfein
kommt, defto mehr muß der Glaube an die Parlamente
, das Vertrauen zu den Parlamenten finken. Aber
zugleich können und wollen wir die Parlamente im Intereffe
der Freiheit nicht miffen, es läßt fich höchftens nach einer
befferen Vertretung der großen Kulturaufgaben in ihnen
ftreben. Aber diefes Streben begegnet fofort dem Wider-
fpruch der engen Parteien. So finden wir uns auf dem
Gebiet des gemeinfamen Lebens durchgängig in fchwerer
Verwicklung'.

Straßburg i. E. E. W. Mayer.

Gegarten, Frdr.: Religion weither. (82 S.) 8°. Jena, E.Die-
derichs 1917. M. 2—; Pappbd. M. 2.80

Der Titel des Buches mutet erft ein wenig eigen an
und ift nicht gleich verftändlich. Hat man es jedoch
bis zu Ende gelefen, fo findet man ihn fchön und treffend.
Eis geht aus von der EVage, ob und inwiefern die Religion
individuell fei. Diefe wird bejaht in dem Sinne, daß alle
echte Religion perfönliches Erleben ift, aber verneint,
wenn man wie üblich unter der individuellen Religion
eine Religion verfteht, die fich ein jeder nach Belieben
aus allerlei Grundfätzen und Meinungen zurechtmacht.
Nein, Religion kommt, fo wird in großzügiger Gedankenführung
und plaftifcher, eindrucksvoller Sprache gezeigt,
von weither. Sie ift ewiges Leben, ausgegoffen in die
Gefchichte, gewinnt durch Vermittelung der religiöfen
Heroen Geftalt im Mythos (vgl. Bonus) und pflanzt fich
durch die Gefchlechter hin fort, bis fie endlich im indi-
viduellften Erleben — nicht Erkennen — eines Nachgeborenen
aufblüht. Diefe paar Andeutungen müffen
leider genügen.

Iburg. W. Thimme.

Bauer, D. Georg Lorenz: Die neuere proteftantifche Kenofis-
lehre. (IV, 183 S.) 8°. Paderborn, F. Schöningh 1917.

M. 6 —

B'.s fleißige und lichtvolle Arbeit zerfällt in zwei Teile.
Der erite legt die neuere proteftantifche Kenofislehre dar,
indem er die hierher gehörigen Verfuche von Thomafius
bis zu den jüngeren kenotifchen Theorien (Alexander
von Oeffingen, Martin Kaehler, Benfow, Erich Schaeder,

I Johannes Kunze,^ E. Steudel, R. Rocholl, Ph. Bachmann,
1 R. Seeberg, A. Schlatter, Jon. Naumann) einer eingehen-
I den Würdigung unterwirft (3—129). Der zweite Teil unter-
j fucht die dogmengefchichtlichen und rehgionsphilofophi-
I fchen Vorausfetzungen der Kenofislehre (130—176). Dog-
j mengefchichtlich ift das Syftem der Kenotiker die Umkehrung
der lutherifchen Chriftologie, d. h. der vergött-
lichte Menfch Chriftus bei den Lutheranern wird bei den
I Kenotikern der vermenfehlichte Gott. Religionsphilo-
! fophifch ftellt fich die neuere Kenofislehre im großen
| Geifteskampf des 19. Jahrhunderts als der unmögliche
j Vernich dar, auf dem Boden des Chriftentums und unter
| Beibehaltung eines perfönlichen überweltlichen Gottes das
I durchzuführen, was der Monismus der neueren Zeit unter
j Vorausfetzung eines unperfönlichen Willens und einer be-
| wußtlofen Intelligenz erftrebt. So lange der wefentliche
i Unterfchied zwifchen dem perfönlichen überweltlichen
| Gott und dem moniftifchen All-Einen aufrecht erhalten
i werden muß, muß die Annahme eines des göttlichen
Wiffens und Wollens fich entäußernden Logos als unvereinbar
mit dem chriftlichen Gottesbegriff verworfen werden
. — Den allerdings ftets feltener werdenden Anhängern
des theologifchen Mythologumenons der Kenofis fei die
fcharffinnige Schrift Bauers angelegentlich empfohlen.
Straßburg i. E. P. Lobftein.

Kriegspredigten.

(vgl. zuletzt 1917 Nr. 5)

1. Gefchichtliches. Sehr zur rechten Zeit erfchien
' eine von A. Uckeley veranlaßte Studie über die Kriegspredigt
von 1870/71. Der Verf., P. Piechowski1, hat
keine Mühe gefcheut, um die weitverftreuten literarifchen
Unterlagen (auch die kleineren) zu farnmein; eine 15 S.

j umfaffende forgfältige Quellenüberficht ift des Zeuge,
j Ich glaube nicht, daß ihm irgend wefentliches entgangen
| ift, obwohl abfolute Vollftändigkeit unerreichbar ift.
j Gern hätte ich bei diefen Angaben die Vornamen alle
i ausgedruckt gefehen. Die Verarbeitung des Stoffes zeigt
1 gleichfalls großen Fleiß und mühevolle Sorgfalt, dazu
erfreulicherweife auch eindringende Sachbeherrfchung.
Nach kurzen Vorbemerkungen wird auf 130 S. die inhaltliche
, auf 39 S. die formelle Frage behandelt; eine
Zufammenfaffung und allgemeine Beurteilung bildet den
Schluß. Ich halte es für fehr richtig, daß bei der Be-
fprechung des Inhalts zunächft die zeitgefchichtlichen
Verhältniffe dargeftellt werden, und daß nachher den
religiöfen und ethifchen Problemen einerfeits, der feel-
forgerlichen Eigenart andererfeits befondere Abfchnitte
gewidmet werden. Das Kapitel über die religiöfen und
ethifchen Probleme ift ganz befonders intereffant; in ihm
wieder vor allem der Abfchnitt ,Deutfchtum und Volksreligion
unter den Einwirkungen des Krieges'(62— 78). Parallelen
zur Gegenwart überall! "Proben find zuweilen eingefügt;
das war ja auch wünfehenswert; ein Zuviel ift glücklich vermieden
. Die Ausdrucksweife könnte manchmal einfacher
und vor allem glatter fein. Sonft genügt die Arbeit allen an
folche Darfteilung zu erhebenden Anforderungen in vollem
Umfange; ich begrüße fie als einen wertvollen Beitrag
zur Gefchichte der neueren Predigt. Möge die Kriegspredigt
1914 ff einft eine ähnliche Bearbeitung (die freilich
noch umfänglicher werden müßte) erfahren! Was
in diefer Richtung bisher vorliegt (Köhler), kann ja, fchon
weil viel zu zeitig begonnen, nur eben ein Anfatz fein.

2. Theoretifch.es. Die Gedanken der kleinen Schrift:
,Wie predigen wir heute Evangelium?'find, wie Pfennigsdorf
2 lelbft mitteilt, nicht erft durch den Krieg veran-

1) Piechowski, Lic.Paul: Die Kriegspredigt von 1870/71.
(VIII, 213 S.) 8°. Leipzig, A. Deichert 1917. M. 3.80

2) Pfennigsdorf, Prof. D. Emil: Wie predigen wir heute
Evangelium? Die Lebensfrage der chriftl. Verkiindigg. in entfehei-
dender Zeit. (VII, 74 S.) 8». Leipzig, A. Deichert 1917. M. 1.80;
geb. M. 2.25