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Ausgabe:

1918 Nr. 1

Spalte:

225

Autor/Hrsg.:

Vogelsang, Friedrich

Titel/Untertitel:

Der Begriff der Freiheit bei Robert Grosseteste 1918

Rezensent:

Scheel, Otto

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225

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 17/18.

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Vogelfang. Dr. Friedrich: Der Begriff der Freiheit bei Robert ; aufwühlenden Klagen und Schmerzenslautenausgedrückt,
Grorretefte. (105 S.) gr. 8". Gütersloh, C. Bertelsmann^ 1915. die um fo gewaitiger wirken, wenn fie nach kurzen Ruhe-

Die gefchichtliche Stellung Groffeteftes fucht Vogelfang f'ol- , pauien immer aufs neue an unfer Herz dringen. Die große
gendermaßen zu beftimmen. In den allgemeinen und großen ! kunftlenfche und geiftesgefchichthche Bedeutung diefes
Zügen gehört er auf die Seite eines Auguftin und Bernhard, j Meifterwerkes erkannt zu haben, ift das befondere Verdienft

Aber die Seligkeitsfrage hat nicht mehr in der philofophifchen
Arbeit einen Platz. Die Intention ift bei Grofietefte letztlich
eine andere als bei Auguftin und Bernhard. Anfelms von Can-
terbury Geift und Intention haben Groffeteftes Denken entfchei-
dend beftimmt. Im Vergleich mit Thomas von Aquin erfcheint
GroITetefte als Vertreter älterer Traditionen und gleichwohl als
Vorkämpfer ,modernerer' Gedanken, als fie Thomas je in den Sinn
kommen konnten. Duns Skotus fetzte die Arbeit GrolTeteftes
fort, deffen Schrift de Iib. arb. gleichfam ein Präludium auf den
Skotismus ift.

Tübingen. Scheel.

Konrad Burdachs. Unter feiner Leitung hat Alois Bernt1)
aus den zahlreichen Handfchriften und Druckvorlagen
mit Bienenfleiß eine Mufterausgabe des Textes herausgearbeitet
und alles dazu getan, was der Philolog zur Erläuterung
beitragen konnte. Das Werk Bellt aber noch
höhere Anfprüche an feinen Erklärer. Der Verfaffer be-
herrfcht in erftaunlicher Weife den ganzen Gedankenfehatz
feiner Zeit und verbindet in freier Beherrfchung
die Bilder- und Vorftellungswelt der Bibel und Piatons,
Ariftoteles und Senecas; greift aber auch in das Gebiet
des Aberglaubens hinein und zeigt fleh als gründlicher
Kenner volkstümlicher Sitte und Redeweife. Das alles
hat nun Konrad Burdach mit feiner wahrhaft verblüftenden
Kenntnis des mittelalterlichen Geifteswefens zu neuem
Leben erweckt und in feinen ungeheuer weitausgreifenden

J agic, V.: Ein Beitrag zur Erforfchung der altkirchenflavifchen
Evangelientexte (Evangelium Bucovinense). (Sitzungsberichte
der kaif. Akad. d. Wiff. in Wien. Philofophifch-
hiftor.Kl. 180. Bd. i.Abh.) (70 S.) gr.8°. Wien, A. Holder
1916. M. 1.65
Das Evangelium Bucovinense, ein fragmentarifch in I und doch gedrängten Beiträgen zu der Erläuterung des

einer Hdfchr. von ca. 1300 überliefertes Tetraevangelium, Werkes wahre Schatzhäufer der Belehrung auch für den

gehört zu den kirchenflavifchen Evangelientexten der Theologen eröffnet.

,mittleren Zeit', bildet demnach ein Bindeglied zwifchen der Voran fteht natürlich, was über mittelalterliche Todes-

älteften Überlieferung und den fpäteren Änderungen im : vorftellungen gefagt ift (vergl. bef. S. 172, 231, 237, 265,
kirchenflavifchen Evangelientext. Da es weder ediert, 379 und die jeweils folgenden); wir verweifen ferner auf
noch textgefchichtlich ausgebeutet war (nur Mikloflch die Ausführungen über Seelenwanderung (385), über aske-
hat es lexikographifch verwertet), legt Jagic uns die tifche Beftrebungen (309 f.) über optimiftifche und peffi-
wichtigeren Erfcheinungen des Evangeliums vor, indem miftifche Strömungen (314ff), über den Gedanken der
er vor allem die vom Codex Marianus abweichenden militia Chriftiana (214 f.); ferner über die Adamslegende
Lesarten gibt, dann die Stellung unferes Textes unter ; (262f., 325, 338), Simfon (262), die Sibyllenfage (259^),
den anderen der mittleren Zeit erörtert, die bemerkens- j über das Symbol der Turteltaube (185 fr.) und über alte
werten Erfcheinungen aus dem Bereiche der Grammatik Litaneiformen (402). Vor allem aber kommen die mittelvorführt
und zum Schluß die Fälle aufzählt, wo das Ev.
Bucovinense zwar vom Codex Marianus abweicht, aber
fonft gute alte Überlieferung für fleh hat. Es handelt
fleh um einen für die kirchenflavifche Evangclienüber-
lieferung wichtigen Text, und der Beitrag von Jagic ift
um fo dankenswerter, als ein Druck des ganzen Textes
wohl kaum jemals erfolgen wird.

alterlichen Vorftellungen von der Magie, von den Geifter-
befchwörern, Teufelsbannern und den Trägern geheimer
Weisheit von Salomo bis zu den großen Naturphilofophen
der Renaiffance zu ausgiebiger Behandlung (vgl. befon-
ders 203, 260, 277, 279, 293; 325, 330, 334 338 und die
jeweils folgenden, vor allem aber die eingehenden Unter-
fuchungen über die verfchiedenen Arten der Wahrfagerei

Prag. R. Trautmann. S. 343—371; hinzuzufügen wäre den Literaturangaben

R. Vian, ein altdeutfches Mondwahrfagebuch, Halle 1910)

Überfetzune; der Dichtung, in untere Sprachformen veröffentlicht. Ein
ganz billiger Abdruck des Urtextes mit den wiebtigften Lesarten für
den Vorlefungsgebrauch wäre ein dringendes Bedürfnis.

Bernt, Alois, u. Konrad Burdach: Der Ackermann aus I Der theologifche Lefer, der in diefen Reichtum EinBöhmen
. Im Auftrage der Königl. Preuß. Akad. der j blick genommen hat, wird mit um fo größerer Spannung
Wiff. hrsg. Einleitung, krit. Text, vollftänd. Les- I dem zweiten, abfchließenden Band des Werkes entgegen-
artenapparat, Gloffar, Kommentar. (Vom Mittelalter I fehen; er foll biographifche und ideengefchichtliche Ünter-
zur Reformation. 3. Bd., 1. Tl.) (XXII, 414 S.m. 8 Lichtdr.- Eichungen über den Dichter bringen und damit eine
Tafeln.) gr. 8°. Berlin, Weidmann 1917. M. 20— ! Würdigung des Gefamtwerkes verbinden und wird hoflent-
Aus den literarifch gebildeten Kreifen am Hofe heb. in Bälde ausgegeben werden. Daß die Ausftattung
Karls IV., die am Ende des 14. Jahrhunderts reiche An- 1 des Bandes (auch mit Handfchrift-, Druck- und Bildregungen
der italienifchen Humaniften mit wiflenfehaft- proben) muftergültig ift, verfteht fleh bei dem Weidlichen
und künftlerifchen Leiftungen von ftaunenswerter mannfehen Verlage von felbft.

Selbftändigkeit beantworteten, ift um jene Zeit ein Pofen. Robert Petfch.

merkwürdiges Büchlein hervorgegangen, das bis in die i -

Snrache hinein den Einfluß diefes Kreifes verrät und das ! „ ') Diefer hat auch in der infcl-B-cherei (Nr. 198) eine wirkrame
nach feinem menfehlichen Gehalt und nach feiner vollendeten
Form zu den erlefenften Kleinodien des deutfehen
Schrifttums gehört. Ein deutfeher Schriftfteller aus Böhmen,
der fleh Johann von Saaz nennt, ftimmt feiner eben ver- Preuß, Prof. Lic. Dr. Hans: Luthers Frömmigkeit. Ge-
ftorbenen jungen Frau eine gewaltige Totenklage an, und ! danken über ihr Wefen u. ihre gefchichtl. Stellung,
zwar in Geftalt eines in allen Formen Rechtens geführten (IV, 91 S.) gr. 8°. Leipzig, A. Deichert 1917. M. 2.50
Streitgefpräches mit dem Tode; die Einkleidung (der Skizzen zu Luthers Frömmigkeit, wohl aus öffentlichen

Kläger erfcheint als ein Ackermann) flammt von dem Vorträgen erwachfen. Die überaus anfehauliche, bilder-
Engländer W. Langland und feinem ,Peter dem Pflüger', I reiche Sprache, fowie die wiffenfehaftliche Methode, die
die innere Geftaltung ift ganz Sache des Verfaffers. Die die Frömmigkeit unter völligem Abfehen von ihrem
unbedingte Forderung des Zeitalters auf Lebensfreude Ausdruck in Gedanke und Lehre zu erfaffen fucht, dürfen
wird hier nicht gebrochen, fondern wahrhaft überwunden : als hochmodern gelten. Das erfte Kapitel fucht das
durch die Einficht in die Vergänglichkeit alles Irdifchen i Wefen der Frömmigkeit Luthers aus Luthers Naturanlage
und durch die Erkenntnis der Liebe, die auch den Tod : zu entwickeln, als die drei Grundzüge treten dabei Wirküberdauert
. Das alles aber wird gar nicht in lehrhaftem ! lichkeitsfinn, Vertrauen und Gemüt hervor. Das zweite
Ton und, trotz der feinften Berechnung aller Mittel einer I Kapitel fchildert die vier ,Frömmigkeitsftile', die P. im
rhetorifch gefchulten und fprachlich gefchmeidigen Profa, | ausgehenden Mittelalter unterfcheidet, und beftimmt dann
gar nicht mit logifcher Strenge entwickelt, fondern in ! Maß und Art ihrer Umbildung und Aneignung durch