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Ausgabe:

1918 Nr. 1

Spalte:

224

Autor/Hrsg.:

Schedler, M.

Titel/Untertitel:

Die Philosophie des Macrobius und ihr Einfluß auf die Wissenschaft des christlichen Mittelalters 1918

Rezensent:

Scheel, Otto

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 17/18.

224

Jefu' (S. 54). Im höherem Maße noch erftaunt der Lerer über die
AuffafTung der Perfon des Judas. Er ift kein Dieb, gefchweige ein
Verräter, iondern der ,feinfühlendfte' (S. 52) unter den Jüngern
und hat den Verkehr zwifchen Jefus undfeinen Anhängern im
Hohen Rat vermittelt.

Die Darlegungen L.s zeichnen fich weder durch große Klarheit
aus noch find fle gerade durchfchlagskräftig. Allzu oft treten
an die Stelle der Gründe wuchtige Behauptungen und fuperlati-
vifche Ausdrücke. Der Quellengebrauch ift fehr willkürlich.
Verf. entnimmt den Stoff, wo es ihm paßt, mit Beifeitelaffung des
Übrigen und ift um Deutungen nicht, verlegen, die weit mehr
feinen Ideen als dem Wortlaut der Überlieferung entrprechen.
Ich kann mir nicht denken, daß er unter wirklichen ,Fachmännern'
irgend jemanden überzeugen wird.
Göttingen. Walter Bauer.

HeufTi, Lic. Dr. Karl: Kompendium der Kirchengefchichte. Anh.:
Zeittafeln. (VIII, 64 S.) gr. 8». Tübingen, J. C. B. Mohr 1917.

M. 1 —

Seinem bekannten, wohl von den meiften Studenten als Examensbuch
gewerteten Kompendium fügt Heurfl als Anhang Zeittafeln
' bei. Daß über ihre Notwendigkeit fich ftreiten läßt, lagt der
Vf. im Vorworte felbft; für Examenszwecke find de wohl unentbehrlich
, und zum rauchen Nachfchlagen bequem. Die vorliegenden
find praktifch und überfichtlich eingerichtet; hübfch, wenn
auch nicht ohne Einfeitigkeit in der Auswahl, ift die chronologifche
Überficht über die neuere und neuefte Theologie S. 56 ff. Das
in knappfter Form Beigefetzte ift fo reichlich, daß ich fürchte,
mancher Student wird fich mit diefem ,kleinen Heuffi' als Einpauker
begnügen; um fo energifcher werden wir betonen müffen
— und H. denkt natürlich ebenfo —, daß die chronologifche
Tatfachenkenntnis noch kein Gefchichtsverftändnis ift. — Die aus
dem großen Buche übernommene Notiz von der Einführung des
kirchlichen Frauenftimmrechtes in Zürich 1905 ift ein Irrtum;
foweit ift man noch nicht.
Zürich. W. Köhler.

Holl, Karl: Die Schriften des Epiphanius gegen die Bilderverehrung
. (Sitzungsber. d. kgl. preuß. Akad. d. Wiff.
Phil.-hift. Kl. 1916.) (S. 828—868.) Lex. 8°. Berlin,
G. Reimer 1916.' M. 2 —

Eine der feltenen Abhandlungen, die ein umftrittenes
und fchwieriges Problem reftlos löfen und aus der Löfung
neue Werte höherer Art zu gewinnen wiffen. Nicht als ob
die Frage nach der Echtheit der bilderfeindlichen Schriften
des kyprifchen Bifchofs heutzutage befonders heißumftrit-
ten gevvefen wäre: im Gegenteil. Die meiften patriftifchen j
Handbücher nennen fie gar nicht, Bardenhewer in der Ge- |
fchichte d. altkirchl. Lit.III 301 notiert nur: ,Ein im S.Jahrh.
auftauchender Brief des hl. Epiphanius gegen die Bilder war j
eine Fälfchung der Ikonoklaften' und verweift auf Vailhe
Echos d'Orient 9,219. Holl ift durch feine Epiphaniusftudien I
naturgemäß auch auf die Suche nach verlorenen Schriften j
feines Autors geführt worden und legt uns zunächft die I
meift aus des Nikephoros Gegenfchrift (um 815) flammenden
Bruchftücke der drei Schriften des Epiphanius ge-
fammelt vor. Dabei wird der wunderliche Einfall von
Serruys erledigt, die griechifche Faffung des Zitates aus
Hieron. epist. 51 im Paris, gr. 1250 fei das Original und
als Fälfchung verdächtig. Danach wird der Gedankengang
der Schriften ermittelt und ihre Herkunft von
demfelben Verfaffer erwiefen: auch zeigt der Inhalt ihrer
Polemik deutlich, daß fie die Verhältniffe des endenden
IV. Jahrhunderts vorausfetzen. Der pofitive Beweis für
Epiphanius als Autor wird durch frappante Stilähnlichkeiten
fowie die Wendung erwiefen, daß fieza rag aiQtOeig
xal za tiöm).a jetzt die Gefahr des Bilderkultes drohe:
fo fchreibt der Verfaffer des Ketzerbuches, der mit feiner
myftifchen Zahl von 80 Härefien diefen Teil der Kirchengefchichte
für erledigt hält. Es zeigt fich, daß die Schriften
wirklich von Epiphanius find, wie ihre Titel einft auch
behaupteten. Aber im Eifer der Verteidigung des Bilder-
dienftes haben ihre byzantinifchen Kritiker, denen Epiphanius
eine höchft ehrwürdige Autorität war, es vorgezogen
, Argumente gegen ihre Echtheit zufammenzutragen,
die nicht alle ohne Gewicht find. Holl geht nun auf diefe
Gegengründe ein (S. 847 ff.) und befchert uns zunächft eine j

i) Die Befprechung crfcheint durch Schuld des Referenten verfpätet.

wertvolle Studie über die Gefchichte des Faftens am Sonnabend
, welches die griechifche Kirche verpönt, Epiphanius
aber in den anerkannten Schriften ebenfo wie in den neuen
Fragmenten billigt. Dabei ift mir fraglich, ob Athanafius
epist. feft. 6 wirklich den Sabbath als Fafttag rechnet
(S. 850): leine ,Teffarakofte' läuft vom 1. Phamenoth (334)
= 25. Febr. bis zum Abend des Ofterfamftags II. Phar-
muthi = 6. April: das find 41 Tage, alfo rund 40 auch
nur, wenn man die Sonntage mitrechnet, an denen doch
ficher nicht gefallet wurde; weshalb alfo aus der Zahl kein
Schluß auf die Samftage erlaubt ift. Und die fragliche
Stelle des Syrers kann ich nicht mit Holl deuten, weil
mir bei der glänzenden Textüberlieferung die Annahme
einer fo fchweren Textverderbnis nur als ultima ratio
einleuchten will. Ich überfetze ,in welcher (sc. Faftenzeit,
01^ geht auf i-ieo^c) wir die Erholungen der Sonntage
und der ihnen vorangehenden Samftage haben', njiss ^
als Plural = xvQiaxai begegnet z. B. in der fyr. Über-
fetzung des can. 12 Sardica bei Schultheß p. 17217 und
das folgende )av als Plural von ]*^«- ift ganz regulär.

Sodann zeigt Holl überzeugend, wie auch im Panarion
diefelbe ablehnende Stellung gegenüber dem Bilderkult
vorliegt und — durchfchlagend — in der Cberfetzung
des Hieronymus epist. 51, 9 präzife der Gedanke des
fr. 29 begegnet. Dann wird die Abfaffungszeit der Schriften
genauer auf die Jahre 393—394 begrenzt. Wertvoll find
nun aber vor allem für die altchriftliche Kunftgefchichte
die tatfächlichen Mitteilungen der Fragmente über Form
und Inhalt der Bilder, die Holl S. 862—865 zufammenftellt
und in ihrer Bedeutung für die uns ja faft verfchloffene
orientalifche Bildkunft des IV. Jahrh. würdigt: auf die
Parallele zwifchen den Lektionen der Oftervigil und manchen
Sarkophagbildern (S. 862 3) weife ich als auf einen
ganz befonders fruchtbaren Gedanken hin. Mit dem Nachweis
der engen Beziehungen zwifchen diefer Bilderpolemik
und dem alten Bilderkampf der Philofophie endet die
Studie, die auf nur 40 Seiten eine Fülle von Stoff und
Gedanken bringt: ein jtaQfQyov der Epiphaniusausgabe,
das aber eigenes Leben befitzt und neues zu wecken
vermag.

Jena. Hans Lietzmann.

Schedler, Dr. M.: Die Philofophie des Macrobius und ihr
Einfluß auf die Wiffenfchaft des chriftlichen Mittelalters.

Dargeftellt und philofophiegefchichtlich unterfucht.

(Beiträge z. Gefch. d. Philofophie des M.-A. 13. Bd.

1. Heft.) (XII, 162 S.) gr. 8°. Münfter i. W., Afchen-

dorff 1916. M. 5.50

Zu den wenigen Philofophen aus dem Zeitalter Augu-
ftins, die zu Lehrern des Mittelalters wurden, gehört
Ambroftus Theodofius Macrobius. Seine Philofophie ift
freilich nicht originell. Die wiffenfchaftliche Unfelbftändig-
keit der ,letzten Römer' charakterifiert fchon ihn. Weder
Ariftoteles noch Plato find ihm aus eigener Lektüre bekannt
. Er fchöpft aus zweiter Hand und gibt nur fekun-
däres Wiffen weiter. Aber das frühe Mittelalter lebte
davon. Eine Monographie über den unfelbftändigen
platonifchen Eklektiker Macrobius war darum wohl am
Platze, zumal feine Schriften, vor allem fein Kommentar
zum Traum Scipios, noch im Spätmittelalter gelefen und
ausgefchrieben wurden. Wer wie Baeumker dem Plato-
nismus im Mittelalter nachgeht, trifft dabei auch auf die
Wirkungen des Platonikers Macrobius. Befondere Entdeckungen
konnte Schedler natürlich nicht machen. Seine
Arbeit ift aber keineswegs überflüffig. Denn fie Hellt
des Macrobius Philofophie, diefes .immerhin verftändigen
Kompilators', im Zufammenhang dar, deckt die Quellen
auf, die er benutzte und folgt feinen Spuren im Mittelalter
, das durch ihn fich vornehmlich über die platonifche
Materie und die neupythagoreifche Zahlenlehre orientieren
konnte.

Tübingen. Scheel.