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Ausgabe:

1918

Spalte:

222

Autor/Hrsg.:

Boehmer, Julius

Titel/Untertitel:

Die neutestamentliche Gottesscheu und die ersten drei Bitten des Vaterunsers 1918

Rezensent:

Hoffmann, Richard Adolf

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Seite 1

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222

zugleich, was befonders bemerkenswert ift, die Töne des j Boehmer, Pfr. Liz. Dr. Julius: Die neuteflamentliche Gölte;-

Minnegefangs nachklingen. DasmittelhochdeutfcheOriginal j fcheu und die erften drei Bitten des Vaterunfers. (Müh -
ift abgedruckt bei Merzdorf, Deutiche Hiftorienbibeln manns theologifcheTafchenbücher Nr. u.) (VIII,2uS.)
(Bibliothek des Litterar. Vereins Bd. ioo u. ioi) S. 423 kl. 8°. Halle, R. Mühlmann 1917. M. 4 —

—442, übrigens auch fchon bei Herder, Lieder der Liebe j Verf. gibt mit großem Fleiß eine Zufammenftellung
(in Suphans Ausgabe, Bd. 8). Die Übertragung von und teilweife Erläuterung all der ntlichen Stellen, an denen
Grimm ift ftellei weife frei, fchließt fich aber meiftens j von Gott nur in umfchreibender, andeutender Weife die
nahe an das Original an. Eine frühere Nachdichtung 1 Rede oder der Name Gottes ganz weggelaffen ift. So
von W. Vefper erfchien 1906. Alle diefe Angaben werden Wendungen wie rraoa xm &em, hvmjriov xov
verdanke ich meinem Kollegen Profeffor Helm in Gießen.
Die fchüne Schrift ift vom Verleger glänzend ausgeftattet.
Gießen. Hermann Gunkel.

Grimm, Eduard: Die Ethik Jefu. 2., neubearb. Aull. (V,

343 S) 8°. Leipzig, M. Heinfius Nachf. 1917.

M. 6—; geb. M. 7 —

Es ift fehr erfreulich, daß diefes Buch, deffen elfte
Auflage 1903 erfchienen und von Joh. Weiß in ThLz.
1904 Nr. 13 fehr anerkennend angezeigt ift, jetzt in neuer,
in vielen Abfchnitten gehörig erweiterter Auflage erfchienen
ift. Der Verf. hat in fehr gefchickter Weife feine
hiftorifche, auf forgfältiger Exegefe und Kritik der fynop-
tifchen Evangelien beruhende Arbeit mit tiefgehendem
Verftändnis der ethifthen Prob'eme zu verbinden gewußt.
Indem er die ethifche Gedankenrichtung und Stimmung
Jefu vortrefflich kennzeichnet, fetzt er den ethifchen Grundcharakter
des echten Chriftentums mit feiner Gültigkeit
für alle Zeiten ins rechte Licht.

In dem einen Hauptteile, ,Die Grundzüge', wird alles
zufammengeftellt, was die ethifche Grundanfchauung Jefu
ausmacht. Dahin gehört die Forderung des Willens zur
Wahrheit; dann die der jüdifchen Veräußerlichung des
Gefetzes entgegenftehende Verinnerlichung der littlichen
Forderungen; die Betonung der Unbedingtheit diefer
Forderungen; die Vorausfetzung der perfönlichen Selb-
ftändigkeit und Verantwortlichkeit des Menfchen; die Aufgabe
innerer Entwicklung der menfchlichen Perfönlich-
keit. Ferner das Liebesgebot, bei deffen Erfüllung die
Ehrfurcht vor der inneren Würde der anderen Perfonen
gewahrt bleiben muß, aber auch gerade die eigene fittliche
Würde feftgehalten und entwickelt wird. Endlich das Verhältnis
diefer fittlichen Grundideen Jefu zu feiner religiöfen
Gottesidee und feine Auseinanderfetzung mit dem Lohn-
und Verdienftgedanken, fowie mit der Erlöfungsidee.

Im zweiten Hauptteile werden dann: .Befondere
Fragen und Verhältniffe' befprochen, d. h. folche ethifche
Einzelforderungen und -urteile Jefu, welche eine befondere
zc'tgefchichtliche Färbung an fich tragen und deshalb
unter wefentlich veränderten und fortgefchrittenen Ver-
hältniffen nicht äußerlich aufgefaßt und befolgt werden
dürfen. Hier finden die großen ethifchen Themata Ehe,
Familie und Vaterland, Beruf und Befitz ihr Erörterung;
ferner die Gegenfätze zwifchen Notwendigkeit und Freiheit
, zwifchen Individualismus und Sozialismus, zwifchen
Verantwortlichkeit und Vergebung, zwifchen Liebespflicht
und Kriegspllicht, zwifchen der Hoffnung auf ein kommendes
Reich Gottes und der Pflicht zu gegenwärtiger
Bekämpfung der unfittlichen Mächte.

Bei manchen fchroff erfcheinenden Forderungen Jefu
find uns die befonderen Verhältniffe, die Jefu den Anlaß
gaben, nicht mitgeteilt. Hier mag man im einzelnen von
den Vermutungen des Verf.'s abweichen. Aber anzuerkennen
ift, daß er durchweg mit feinem Verftändnis die
auf die rechte fittliche Gerinnung zielende Abficht Jefu
vorausfetzt. Namentlich ift auch fehr richtig hervorgehoben,
wie fehr der Wechfel zwifchen der erfolgreichen Anfangszeit
des Wirkens Jefu und der fpäteren Periode, wo er
die fchwere feindfelige Bekämpfung feines Wirkens empfand
, auf feine Stimmung und feine Geftaltung ethifcher
Einzelforderungen eingewirkt haben muß.

Ich hoffe, daß das reichhaltige, ebenfo für Theologen
wie für gebildete Laien lehrreiche und intereffante Buch
weite Verbreitung findet.
Jena. H. H. Wen dt.

Ireov befprochen S. 12 ff., auch gewlffe paffivifche Ausdrucksweifen
, die eigentlich, ohne Erwähnung Gottes, eine
Betätigung desfelben zum Ausdruck bringen, S. 20f".
Eine Reihe atlicher Parallelen wird angeführt, freilich er-
fcheint im N. T. die verhüllende Art, von Gott zu reden,
noch gefteigert. Den Anfang des Vaterunfers deutet nunB.
nicht wie Neveling (Proteft. Monatshefte 1916 S. ioff.)
als Gelübde, fondern, wohl mit Recht, als Wunfeh des.
Beters, Gott möge felber feinen (entweihten) Namen
heiligen (vgl. bef. Ezech. 36, 20—24), indem er feine
Herrfchaft über das All aufrichtet und fo feinen Willen
wie im Himmel alfo auch auf Erden zur Ausführung
bringt, S. 182 ff.

Die Gr ünde für den behandelten Sprachgebrauch
werden leider nicht näher erörtert. Vielfach handelt es
fich wohl nur um Abfchleifungen in der Ausdrucksweife,
wie bei xb jcvedfia, xb svayytXiov, n ßaaiXeia, die fich
in dem ntlich prägnanten Sinne im Judentum nicht vorfinden
. ,Religiöfe Scheu' mag in andern Fällen Einfluß
haben, aber diefer Begriff wäre, vor allem auf gewiffe
abergläubifche Elemente hin, näher zu unterfuchen ge-
wefen. Zunächft ift doch gerade im Urchriftentum das
Gefühl der Gottesferne durch das der Gottesnähe und
des Vertrauens zu Gott erfetzt.

An manchen Stellen, die der Verl. anführt, dürfte eine Beziehung
auf Gott überhaupt nicht vorliegen. In der Lifte der Worte, bei denen rov
9-sov fehlt (S.42fi'. vermiffe ich anderfeits ö XptOTOC, dXöyog im Sinne von
Joh. 1, 1, tvöoxla Lk. 2, 14, xb SQyov Phil 2, 30 (C) Act 15, 38. Auch
liegt, was B. nicht bsriiekfichtigt, die Frage meift anders, wenn die betr.
Wörter den Artikel haben, als wenn derlelbe fehlt. Bei der Erörterung
der dritten Vaterunrerbitie wird nicht klar, ob der Verf. im cuc-Satze
ein yivexai oder yev^&r/xw ergänzt. Auch ift das Fehlen des a»; in
D* und andern Texteszeugen nicht berückfichtigt.

Wien. R. A. Ho ff mann.

Linde, Dr. S.: Der vermeintliche Opfertod Jefu im Lichte der Evangelien
, nebft Beiträgen zu der den Weltfrieden fördernden Zu-
kunfiskirche. (123 S.) 8°. Berlin, W. Borngräber 1916. M. 2 —
Die für Vegetarianismus und Alkoholabftinenz, Tierfchutz und
Duellverwerfung, Buddhismus und Zukunftskirche und noch
manches andere interefflerte, mit zahlreichen Anhängen verfehene
Schrift L.s fucht auf ihren erften 36 Seiten eine neue Auffaffung
vom Abfchluß des öffentlichen Lebens Jefu zu begründen. Verf.
hat ,die Pafflonsberichte mit der Vorausfetzungsloflgkeit des
wirklichen Wahrheitsforfchers' gelefen (S. C3) und gefunden, daß
das 4. Evangelium die relativ brauchbarfte Darfteilung enthält,
aber auch in den apokryphen Evangelien, felbft noch in dem des
Nikodemus gute Traditionen decken. Echter gefchichtlicher Sinn
gewinnt aus dem vorhandenen Material etwa das folgende
Bild.

Jefu Freunde im Hohen Rat fehen nach feinem eigenmächtigen
Einfehreiten im Tempelvorhof ein fchlimmes Gewitter (ich
über ihm zufammenziehen. Sie fagen es ihm, ohne ihn jedoch
beftimmen zu können, die Stadt zu verladen. So entwerfen fle
einen andern Rettungsplan, der ftch auf der Gewohnheit aufbaut,
dem Volke am Feft einen Verurteilten freizugeben. Jefus muß,
um den Anfchlag gelingen zu laden, bis Freitag früh verurteilt
fein, und fein eigenes Verhalten hilft dazu, daß es gefchieht.
Aber das Unternehmen fchlägt fehl, da das Voik den Barabbas
fordert. So bleibt nur noch ein Weg zum Ziel. Jefus, deden
Exekution nun nicht mehr zu hindern ift, muß möglichft bald
vom Kreuz gelöft werden. Dabei ift zu bedenken, daß die Kreuzigung
gar nicht den Tod des Delinquenten herbeizuführen pflegte.
Jefus ift ,fchonend' an den Pfahl gebunden und nach kaum einer
Stunde wieder losgemacht worden. Das konnte unbemerkt ge-
fchehen, weil das zufchauende Volk zwecks Teilnahme an der
Zeremonie der Lämmerfchlachtung zur Stadt zurückgekehrt war.
Befonders Hartnäckige mag ein ftarker Gewitterguß heimgejagi
haben (S. 67). Nach feiner Befreiung wird Jefus wieder im
Effäerorden, dem er fchon vor feinem Auftreten angehört hat,
untergetaucht fein. Natürlich war die Rettung Jefu nur möglich,
w?nn Pilatus völlig auf feiner Seite ftand. So Hellt es L. denn
auch dar und nennt den Prokurator den ,einzigen Verteidiger

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