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Ausgabe:

1918

Spalte:

213

Autor/Hrsg.:

Heußner, Alfred

Titel/Untertitel:

Die philosophischen Weltanschauungen und ihre Hauptvertreter. 3., durchges. Aufl 1918

Rezensent:

Strunz, Franz

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Theologifche Literaturzeitung 1918 N»r. 15/16.

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diefem freilich nicht kommen. Die vielgestaltigen Formen der | und fortwahrend normierten Heilserfahrung. Diefelbe

modernen Erkenntnistheorie und Kaufalauffaffung kommen dafür
zu wenig zu Worte.

Bonn. Horten

nach ihrem Wefen und ihren Grundmerkmalen herauszuarbeiten
und in der typifchen Ausprägung, die fie in der
Frömmigkeit des Apoftels Paulus gefunden hat, zur Geltung
zu bringen, das allein war das Beftreben und das

Heußner, Sem.-Dir. Dr. Alfred: Die philosophischen Welt- "S *a bringen das allen war das Deit eben und das
anlchauungen und ihre Hauptvertreter. Erfte Einführg. • ErterelTe lwommels. Daher die außerordentliche Ungle.ch-
in das Verftändnis philofoph. Probleme. 3- durchgef. maßigkeit femer Behandlung die fich auf d e Lehre von
Aufl. (VI, 276 S.) k Göttingen, VandenhoeckÄ Rup- ! C^ Urhn und Werk und die fogen. fpez.elle Iheologie
Ttf mir Geb M 4— belcnran'<t:. und felbft in diefem eng gezogenen Rahmen

rD efes iute und ans reicher oäda^ogifcher Erfahrung I eine unerbittliche Verkürzung der hergebrachten Dog-

E^'IJdie^ofoSSS vielfach oft nur formel- | Chrift. prinzipielle Neutralität gegenüber den neutefta-
Lahe Katechismenhffl?la& ^ d»-philofc^fcto ™ntl,chen Praex.ftenzausfagen, beinahe völlige Aus
Unterricht als Weltanfchauungsunterncht auf, der zu einer
denkenden Welt- und Lebensbetrachtung führt Er will

das Bedürfnis nach einer denkenden Verknüpfung der
erworbenen Kenntniffe, alfo nach Plulofophie, nach Meta-
phyflk, wachrufen, denn alle Befchäftigung mit philofophi-
fchen Dingen rücke den Menfchen in gewiffer Weife über
die perfonlichen Alltäglichkeiten hinaus. Philofophie ift
Lebensanfchauung. Sie birgt eine große Kraft des Geiftes
und die hohe, reine Sehnfucht nach ,den ewigen Zusammenhängen
des Gedankens'. Folgerecht entwickelt der
Verfaffer, wie Philofophie und Lebensweisheit zufammen-
»rehören und wie die Metaphyfik nicht ohne Einfluß auf
die allgemeine Grundhaltuug des Lebens, wie auch auf
die Stellung zu einzelnen fittlichen Forderungen bleiben
kann. Er meint den Zufammenhang der metaphyfifchen

nfchauung mit der Lebenshaltung. Hier und in dem rehgiofen Glaubenszeugnis des beredten Chriften zollen
feinen Sinn für gewiffe Gefühlsgebiete religiöfer Art, I ™" durch die fleh ihm aufdrängenden Bedenken zu

fchaltung der Wunder Jefu, Verzicht auf die dogmatifche
Verwertung der Auferftehung des Herrn). Fr.s Stärke
liegt in der Befchreibung der ,chriftonomifchen Heilserfahrung
', die er oft in ergreifenden Worten fchildert; dagegen
fehlt ihm faft jedes Verftändnis für die hiftorifch-
kritifchen Aufgaben, denen auch der Dogmatiker fich
nicht entziehen kann. Daß der Verf. das ganze Neue
Teftament im Lichte des Paulinismus betrachtet, daß er
zur Eruierung des Gedankens Jefu promiscue die Synoptiker
und das Johannesevangelium verwendet, daß er die
Stellvertretungsidee im Zufammenhang mit dem Solidaritätsbegriff
als den Kern des Evangeliums feiert, beweift,
wie wenig er durch kritifche Sorgen angefochten war.
Für den Lefer, dem es nicht gegeben ift, die Arbeit der
Kritik zu ignorieren, wird die Bewunderung, die er dem

fcheint mir die Stärke des Buches zu liegen. Man bemerkt
das Bemühen bei aller philofopifchen Erörterung,
das Wefen des Menfchen richtig in Rechnung zu fetzen,
und das ift auch der Standort der kritifchen Bemerkungen
des Verfaffers. In diefem Sinne bekennt er, die Wahrheit
' der metaphyfifchen Annahmen wird fich darin
erweifen müden, daß fie fich im Leben ,bewähren'. Die
Einteilung des ganzen Buches finde ich äußerft gefchickt:
Weltproblem, Erkenntnisproblem und Lebensprobleme.
Die Stoffdarbietung ift Ökonomiich geordnet. Auch die
biographifchen Notizen find in ihrer Knappheit recht
überfichtlich zufammengeftellt. Die Kritik ift maßvoll
und doch beftimmt. Mufterftücke find die Kapitel über
Spinoza und Kant. Der Hinweife auf gewiffe erkrankte
Gefühlswelten der neueren Zeit und auf den fchweren
Kampf um einen geiftigen Lebensinhalt möchte ich rühmend
gedenken, umfomehr als diefes Buch gemeinver-
ftändlich fein will. Das ift wahre Volksbildung. Brandet
doch lo viel Unbekanntes an den Rändern unferes Be-
wußtfeins und Denkens! Gerade auch in diefer Hinficht
gefiel mir Heußners Buch gut, wie es das vulgäre Vor-
ftellungsleben mit dem wiffenfehaftlichen Denken vergleicht
, wie es den Anfänger zur erften Weltorientierung
führt und fein Denken logifch zu läutern unternimmt. . .
Die knappen Literaturangaben werden Nutzen bringen.
Vielleicht darf ich hie und da Ergänzungen vorfchlagen:
z. B. Einiges von Ernft Mach, Paul Deußen, Friedrich Jodl,
Franz Brentano, Wilhelm Jerufalem; bei Spinoza vermißte
ich die Namen F. G. Kolbenheyer und von Dunin-Bor-
kowski.

Wien. Franz Strunz.

Frommel, Gallon: l'Experience chretienne. Un cours de

dogmatique. 3 vols. (278, 443 u. 364 S.) 8°. Neu-

chatel, Attinger freres I916. fr-12 —

Die letzte Veröffentlichung aus dem theologifchen
Nachlaß des Genfer Lehrers, die nach dem Texte der
letzten Bearbeitung (1904—1906) herausgegebene dog-
matilche Vorlefung, kann nur in befchränktem Maße als
eine Bereicherung der Wiffenfchaft bezeichnet werden.
Dem Verf. ift die evangelifche Glaubenslehre die fyfte-

matifche Darfteilung der durch Jefus Chriftus erzeugten ] beweis für die Kirchlichkeit des Doktorenamtes werden

häufig getrübt. Leider ift jede Auseinanderfetzung mit
dem Genfer Dogmatiker dem Ref., der hinreichenden Anlaß
dazu haben würde, durch die diefer Befprechung gebotenen
Grenzen unterfagt. Um dem Werke ganz gerecht
zu werden, darf man das Buch nicht von den
apologetifchen Vorlefungen trennen, die die Grundlagen
der Glaubenslehre bilden (vgl. Th. Litztg. 1910, Nr. 17;
1918, Nr. 14:) beide Schriften zeichnen fich in gleicher
Weife durch glänzende Vorzüge und durch fchreiende
Mängel aus.

Straßburg i. E. P. Lobftein.

Doekes, Dr. G.: Het kerkelijk doctorenambt. (167 S.) gr. 8".
Kampen, J. H. Kok 1917. Fl. 1.50

Zum Verftändnis diefes frifch gefchriebenen Buches
muß man fich vergegenwärtigen, daß in Holland Kirche
und Staat getrennt find. Infolgedeffen ift dort auch das
Studium der Theologie anders als bei uns in Deutfch-
land. An den drei Reichsuniverfitäten (Leyden, Utrecht,
Groningen) werden a. u. nt. Exegefe, Religionsphilofophie
und -gefchichte, auch Kirchengefchichte in der philofo-
phifchen Fakultät gelefen; dazu beftellt d i e K i r c h e zwei Pro-
fefforen für Dogmatik, Dogmengefchichte und praktifche
Theologie. Nur die freie Univerfität in Amfterdam, 1880
auf Kuypers Betreiben durch die Stadt und eine Bereinigung
für höheren Unterricht' gegründet, befitzt eine
vollftändige theol. Fakultät. Außerdem befteht in Kam-
den feit 60 Jahren eine von der Kirche eingerichtete
,Theol. Schule', deren Schüler gleiche Rechte mit den
übrigen Theologen haben. Nun wurde in den letzten
Jahren die Frage aufgeworfen und in allen Kirchenzeitungen
lebhaft behandelt, ob das theol. Profefforen-
amt ein kirchliches oder ftaatliches Amt fei.
Der Verf., der felber Prof. in Kampen ift, tritt mit Ent-
fchiedenheit für die Kirchlichkeit ein, und beweift
dies im 1. Teil aus der Gefchichte und im 2. aus der
Hl. Schrift. Denn in allen Kirchenordnungen und Syno-
dalbefchlüffen der Holl. ref. Kirche, wie in Dortrecht
und Wefel, werden Doktoren und Lehrer verlangt,
welche die Aufgabe haben, das Wort Gottes immer
tiefer zu ergründen, junge Theologen zu erziehen und
die Kirche gegen Irrlehren zu verteidigen. Als Schrift-