Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1918 Nr. 15

Spalte:

197

Autor/Hrsg.:

Schmidt, Hans

Titel/Untertitel:

Volkserzählungen aus Palästina, gesammelt bei den Bauern v. Bir-Zet u. in Verbindung m. Dschirius Jusif in Jerusalem hrsg 1918

Rezensent:

Ungnad, Arthur

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 1516.

ebenfalls im Indogermanifchen vorhandene, embryonale
Uriorm auf am — vgl. lateinifch clam, nam, demum, do-
mum,item,enim — zurückzuführen, hat der Verfaffer felbft
S. 263—297 verfucht. Das Urteil hierüber muß der zu- j
ftändigen Fachwiffenfchaft überlaffen bleiben. Das Buch
ift gut gefchrieben, nur find die Hauptfachen oft nicht '
fcharf genug herausgearbeitet, fodaß das Eindringen in
den ideengang nicht immer leicht ift. S. XX fpneht der
Verfaffer die Bitte aus, die Kritik möge mit einem ab-
fchließenden Urteil warten, bis der zweite (Schluß-)Band
erfchienen fei. Da dies aber jetzt, nach zwei Jahren, noch
nicht gefchehen ift, durfte ich die Befprechung des erften
Bandes nicht länger auffchieben, auf die Gefahr hin, mein
Urteil fpäter noch einer Revifion unterziehen zu muffen.

Obwohl man dem Werke nicht leicht ablehnender
CTeaenüber flehen kann als ich, fo foll doch nicht geleugnet0
werden, daß es eine anfehnliche Leiftung ift, nicht
allein we^en des darin zu Tage tretenden vielfeitigen
philologifenen und fprachwiffenfehaftlichen Wiffens, fondern
auch wegen der energifchen fprachphilofophifchen wie
fprachpfychologifchen Durchdringung des Stoffes und der
Großzügigkeit der Betrachtungsweife.

Königsberg i. Pr. Friedr. Schwally.

Schmidt, Prof. D. Hans, u. Prof. Dr. Paul Kahle: Volkserzählungen
aus Paläftina, gefammelt bei den Bauern v.
Bir-Zet u. in Verbindg. m. Dfchirius Jufif in Jerufalem
hrsg. Mit e. Einleitg. über paläftin. Erzählungskunft,
e. Abriß der Grammatik, e. Verzeichnis der Sachen
u. Namen, der Märchenmotive u. der Wörter. (For-
fchungen zur Religion u. Lit. des A. u. N. T. 17. Heft.)
(96* und 303 S.) 8°. Göttingen, Vandenhoeck &
Ruprecht 1918. M. 14.40

Diefe von H. Schmidt in Verbindung mit dem Lehrer
Dfchirius in Bir-Zet (Gebirge Ephraim) gefammelten
und in lateinifcher Umfchrift nebft Überfetzung bekannt
gegebenen Erzählungen werden in unfern Tagen, wo gerade
diefe Gegend einen Hauptmittelpunkt der Ereigniffe
bildet, manche Liebhaber finden. Sie ermöglichen es
nicht nur — wenigftens dem, der etwas Arabifch kann, —
fich bequem in den Dialekt jener Gegend hineinzufinden,
wobei ihm Kahles fchöner Auffatz über die Sprache der
Texte (SS. 45*—93*) von großem Nutzen fein wird, fondern
fie geben auch ein recht anfehauliches Bild vom
Leben und Treiben jener oft recht armfeligen Bauern.

Die erzählungstechnifche Seite des Stoffes hat Schmidt
trefflich in der Einleitung behandelt. Wenn auch manche
Erzählungen recht hübfeh und einheitlich find, fo überwiegen
doch die, bei denen die einzelnen Motive in fchlimm-
fter Weife durcheinandergeworfen und der Faden oft
mehrfach jäh zerriffen wird. Pur die Beurteilung von
Märchen und ähnlichen Erzählungen ergeben fich daraus
manche wertvolle Mahnungen. Auch für die Wanderung
der Stoffe läßt fich manches Beachtenswerte aus diefen
Texten gewinnen. Neben Stoffen rein orientalifchen Ur-
fprungs finden wir auch folche, die ihre Herkunft aus
dem Werten deutlich zur Schau tragen. Man vgl. vor
allem die merkwürdige Polyphem-Erzählung (S. 228 ff),
die ihre Abftammung aus der Odyffee noch deutlich
erkennen läßt.

Mag man auch an der Umfchrift, die von Dfchirius
und feiner Schwerter flammt, gelegentlich Anftoß nehmen,
fo werden die Herausgeber doch für ihre Gabe des
Dankes aller Freunde des modernen Orients gewiß fein
dürfen.

Jena. A. Ungnad.

de Zwaan, J.: Het evangelie van Lucas.

v. Veldhuizen, A.: Paulus' brieven aandeKorinthiers. (Tekft
en Uitleg. Praktifche verklaring van het N. T. door
A. v. Veldhuizen.) (Je 148 S.) gr. 8°. Groningen,
J. B. Wolters 1917. Je fl. 1.90

In der für Gebildete beftimmten Erklärung des

N. T., deren früher erfchienene Teile in Th. L. Z. 1916,
Nr. 13; 1917, Nr. 6/7 befprochen wurden, hat de Zwaan,
Profeffor in Groningen, die lukanifchen Schriften übernommen
. Dem Büchlein merkt man an, daß hier ein
Fachmann am Werke ift, der auch eigene Gedanken hat
und in der noch bis in die Gegenwart hineinwirkenden
Umwelt des N. T. zu Haufe ift. Die Lektüre der Auslegung
ift auf vielen Seiten auch für den Gelehrten anregend
. Wo freilich de Zwaan fchwierige, der Unge-
fchichtlichkeit verdächtige oder das Dogma bedrohende
Stellen behandelt, wird fich auch Widerfpruch geltend
machen. Auf einige bedenkliche Erklärungen und Lücken
hat fchon Oort in der Hervorming 1917, Nr. 48 aufmerk-
fam gemacht. Aus der Kindheitsgefchichte nenne ich die
Annahme des Verf., der Schatzungsbefehl des Kaifers fei
darauf zurückzuführen, daß in einer Zeit, wo Herodes in
Ungnade gefallen war (8 vor Chr.), die Einführung des
römifchen Steuerfyftems ,gedroht' habe, und das Erzählte
fei die Nachwirkung diefer Drohung gewefen — ein kaum
annehmbarer Rettungsverfuch des Berichtes. In der 2. (lukan.i
Verfuchung fieht er das Anerbieten des Satans, über ihn
felbft und über feinen Befitz zu verfügen, wenn er dabei
nur Jefu erfter Minifter werden könne, eine Annahme, die
fchwerlich Zuftimmung finden wird. Wie fich der Lefer
die Wunder vorftellen foll, wird ihm leider faft niemals
verraten, nur über die Dämonifchen erhält er eine Aufklärung
, die wohl darauf hinausläuft (ganz unumwunden
drückt fich der Verf. leider nicht aus), daß der antike
Volksglaube richtig ift. Die Sprache de Z.s ift gewählt,
bilderreich, geiftreich; bisweilen koftet es freilich Mühe,
hinter den bilderreichen Wendungen die fchlichte Wirklichkeit
zu faffen, oder es verbirgt fich dahinter ver-
fchämte orthodoxe Textausdeutung, fo an dem klaffifchen
Prüfftein für gefunde oder gekünftelte Auslegung, dem
Worte Jefu an den reichen Jüngling Lc. 18, 19.

Manche bedenklichere Verfäumniffe hängen mit der
vorgefchriebenen Kürze zufammen. Aber daß wir über
Lc. 23, 26—32 und 50—56a nur ein paar nichtsfagende
Worte erhalten, ift doch fchlimm. Jn der Behandlung der
Abendmahlsperikope fchließt fich de Zwaan an Zahn an.

Auch einige der Flüchtigkeit zuzufchreibende Druckfehler
find leider flehen geblieben; S. 80 Mitte L Mt. 7,
24—27. — Ook Matth; ebenfo L S. 93 Mitte: Matth, ftatt
Marcus. Praktifche Regifter befchließen das Büchlein.

Die Eigenart der Veldhuizen'fchen Exegefe ift fchon
in früheren Befprechungen (f. Th. L. Z. 1916, Nr. 13)
von mir gezeichnet worden. Auch das vorliegende Bändchen
enthält eine kurze Einleitung, die Briefe in neuer,
von der Oort'fchen vielfach abweichender Überfetzung,
bei der dem fchwierigen zweiten Brief verhältnismäßig
wenig Raum zugewiefen ift. In den fehr kurz erörterten
Einleitungsfragen fleht v. V. den Anfchauungen Jülichers
nahe. Recht nützlich ift für den Gelehrten (wie wertlos
für die Lefer, an die eigentlich gedacht ift) wieder das
Literaturverzeichnis.

Nur einige Details feien hier noch angemerkt, die
zu Einwendungen Anlaß geben. Wenn v. V. S. 16 ,den
dichterlijken onzin van het kruis met rozen' brandmarkt —
hat er dabei auch an das Wappen Luthers gedacht?
Daß diejudaiften nach II 11,4h mehr fein wollen als Apo-
ftel, ift in diefer Form nicht richtig gefagt (S. 19). In
der Überfetzung I 1,20 ift rov alätvoq tovtov nicht zu
feinem Recht gekommen. Paffend wird zu I 5 an die
Verfluchung des Venizelos zu Athen erinnert. Ob man
I 6, 7 r/zrijiia mit ,een verloren zaak' überfetzen kann
(im Blick auf die Möglichkeit, den Prozeß zu verlieren),
ift mir fraglich. Fälfchlich wird zu I 8, 3 der intellektu-
aliftifchen Gnofis der Griechen das myftifche Erkennen
der Juden gegenübergeftellt; die myftifche Gnofis ift gerade
helleniftifch, nicht jüdifch. In I 9, 17h folgt v. V.
der zweifelhaften Wort- und Satzverbindung, die Hofmann
und Bachmann vorgefchlagen haben. Das phanta-
ftifche Bild vom wandernden Yes in I 10,4 fucht er