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Ausgabe:

1918 Nr. 14

Spalte:

175

Autor/Hrsg.:

Koch, Hugo

Titel/Untertitel:

Die altchristliche Bilderfrage nach den literarischen Quellen 1918

Rezensent:

Dobschütz, Ernst

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175

Theologifche Literaturzeitung 1918 Nr. 14.

176

löget überfchreit auch den exakt unterfuchenden und
dann die Ergebniffe objektiv darftellenden Forfcher mit I
fo bedenklichen, mindeftens grob übertreibenden Sätzen
wie dem: ,Ni e haben fie (die Volkshäupter) es gewagt,
gegen die chriftlichen Frediger den Vorwurf der Unwahrheit
oder des Betruges zu erheben oder die Darftellungen
der Evangelien als das Machwerk müßiger
Erfinder, Schwärmer oder Träumer hinzuftellen' (S. 71),
oder dem anderen: ,Die Worte Jefu haben auch in der
griechifchen Überfetzung, in der fie uns vorliegen, nichts
von ihrer urfprünglichen Tonfarbe verloren' (S. 77). Die
Verficherung endlich, daß zwifchen dem Leben Jefu und
der Entftehung der Evangelien gar keine Zeit zur Legendenbildung
übrig geblieben fei (S. 68), wäre dem
Verf. vielleicht etwas minder glatt aus der Feder ge-
fchlüpft, wenn er an einem geeigneten Stoff, etwa der
Vita Martini des Sulpicius Severus erft einmal ftudiert
hätte, wie kurz oder lang Legende braucht, um zu ent-
ftehen, fich zu entfalten und zu verbreiten.

Göttingen. Walter Bauer.

Koch, Prof. Dr. Hugo: Die altchriltliche Bilderfrage nach
den literarifchen Quellen. (Forfchungen z. Religion u.
Lit. d. Alten u. Neuen Teftaments. N. F. 10 Heft.) (IV,
108 S.) gr. 8°. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht
1917. M. 4.80

Die kurze Skizze, die Ref. in feinen Chriftusbildern
von dem Aufkommen des Bilderdienftes innerhalb der
Chriftenheit (1899) gegeben, war Gegenftand lebhaften
Widerfpruchs geworden. Jetzt erwächft ihr in H. Koch
ein Verteidiger, der mit klarem Einblick in die befonderen
Schwierigkeiten des durch jahrhundertelange Polemik verwirrten
Problems lichtvoll darfteilt, was die literarifchen
Quellen befagen: der Reihe nach werden als Zeugen vernommen
der gegen jeden Schein von Götzendienft eifernde
Tertullian, Cyprian, die Kirchenordnungen, Irenaeus, Clemens
, die Apologeten, Origenes, Methodius, die Lateiner,
Makarius — alle find einer Meinung: das Chriftentum
weiß nichts und will nichts wiffen von Bildern — d. h.
irgendetwas, das fich den Götterbildern vergleichen ließe.
Das dekalogifche Verbot der Bilder wird von Tertullian,
Clemens, Eufebius ausdrücklich als für die Chriften giltig
hierauf angewendet. Das fchließt nicht jeden künftlerifchen
Schmuck aus, wie ihn die Katakomben, wie ihn das Hausgeräte
tatfächlich zeigen; das macht aber eine eigentliche
Bildnerei unmöglich. Befonders ausführlich werden darin
Canon 36 von Elvira, Eufebius und (im Anfchluß an Holl)
Epiphanius behandelt, die fich noch als Vertreter des
Alten ergeben, während mit der Mitte des 4. Jahrhunderts
der neue kulturfreundliche, kunftliebende Geift einfetzt.
Die Unterfuchung, die manche minder beachtete Stelle
ans Licht zieht, wird bis auf Gregor I. fortgeführt, in dem
die Auffaffung der Bilder als eines das Wort ergänzenden
Lehrmittels ihren klaffifchen Vertreter findet. Der 2. Teil,
Ergebniffe und Zufammenhänge, ausgezeichnet durch
feinfinnige Beobachtungen und Vergleiche, ordnet den
Stoff. Koch ftellt fich den archäologifchen Denkmälern,
foweit fie gegen die Refultate der patriftifchen Forfchung
ins Feld geführt werden, fehr ablehnend gegenüber; er
bezweifelt vor allem die Sicherheit der Datierungen. Diefer
Paragraph hätte wohl die Ausweitung zu einem befonderen
Teil verdient, denn hier liegen die Hauptfchwierig-
keiten. Was über die Urfprünge chriftlicher Kunft, über
heidnifchen und chriftlichen Bilderftreit gefagt wird, ift
nicht erfchöpfend, aber überfichtlich und trifft in der
Hauptfache das Richtige. Befonders lehrreich ift die Darlegung
über Sakrileg, die beim Begriff der Heiligkeit und
des Heiligtums geboten wird. Den Schluß macht eine
gute Unterfcheidung zwifchen Pietät und Bilderkult. Alles
in allem ein durch ruhige Objektivität und fichere metho-
difche Führung fehr erfreulicher Beitrag zu einer religions-
und dogmengefchichtlich hochbedeutfamen Frage.
Halle a. S. v. Dobfchütz.

Bees, Nikos A.: Kunltgefchichtliche Unterfuchungen über die
Eulalios-Frage und den Mofaikfchmuck der Apoftelkirche
zu Konftantinopel. (S. A. aus dem .Repertorium für
Kunftwiff.' Bd. 39/40. (62 S.) 4«. Berlin, G. Reimer
1916/1917.

AuguftHeifenberg hatte in feinem Werke .Grabeskirche
und Apoftelkirche. Zwei Bafiliken Konftantins',
Leipzig 1908, den gefamten Mofaikenzyklus der letzteren,
wie ihn im 10. Jahrhundert Konftantinos Rhodios in feinem
zwifchen 931— 944 entftandenen verfifizierten und Niko-
laos Meffarites in feiner 1199—1203 entftandenen Profa-
Exphrafis befchreibt, mit Emphafe der Zeit unmittelbar
nach Vollendung ihres durch Juftinian I. gefchehenen Neubaues
zugewiefen und als feinen Schöpfer und Meifter auf
Grund einer unter Feuchtigheit kaum mehr lelbaren Randnotiz
{rbv EvXäXiöv q>t]Oi) der von ihm entdeckten Mes-
sariteshs. Cod. Ambrosianus gr. F96 sup. Blatt 4' den
bis dahin unbekannten Maler Eulalios bezeichnet, der ihn
unter Juftin II. (565—578) und in deffen Auftrage (wohl
in den Jahren 565—569, vielleicht gar in dem einen Jahre
565: fo in dem gleich zu nennenden Ergänzungsauflatze)
entworfen und ausgeführt habe. Die Sache war wichtig
genug, ernfthaft nachgeprüft zu werden. Und zwar fo-
wohl hinfichtlich der Meifterfrage wie hinfichtlich der
Chronologie. Die Tragweite des Problems, um das es fich
in letzterer handelt, hat Helfenberg felbft in dem eben
fchon erwähnten Nachtrage (S. 126) zu feinem großen
Werke fo formuliert: ,Die Frage nach der Entftehungs-
zeit diefer Mofaiken ift von größter Bedeutung, nicht nur
für die Ikonographie, fondern auch für unfere Auffaffung
von der gefamten Entwickelung der byzantinifchen Kunft;
berührt fie doch die Grundfrage, ob der nachikonokla-
ftifchen Periode noch jene gewaltige Schöpferkraft innewohnte
, die dem juftinianeifchen Zeitalter feine alles überragende
Bedeutung gegeben hat, und ob wir über die
Malerei diefes Zeitalters felbft noch mehr erfahren können
als uns die Mofaiken von Ravenna lehren'. War aber
Eulalios der Mann, der, wie H. meinte, den gefamten Mo-
faikenfchmuck der Apoftelkirche erfand und fchuf, fo ift
er einer der glänzendften Künftlernamen innerhalb der
byzantinifchenKunft nicht bloß, fondern in der Kunft überhaupt
. ,Denn man vergeffe nicht', fchreibt H. felbft wiederum
a. a. O. S. 127, ,die Mofaiken der Apoftelkirche,
das Werk des Eulalios, waren nicht ein unbedeutender
Bilderzyklus irgend einer Kirche zweiten oder dritten
Ranges, fondern der größte Triumph der monumentalen
Malerei; alle unfere Quellen find darin einig, daß die by-
zantinifche Malerei Großartigeres nie gefchaffen hat,
ihren Mofaiken verdankte es die Apoftelkirche, wenn fie
immerfort ihren Rang neben der gewaltigen Hagia Sophia
behauptete'.

Das Bekanntwerden mit zwei neuen Zeugniffen für die Exiflenz
und das hohe künftlerifche Anl'ehen des Eulalios in Verfen des Nike-
phoros Kalliftos Xanthopoulos (13./14. Jh.) auf das Pantokratorbild in
der mittleren Kuppel der Apoftelkirche, das auch Meffarites ausführlich
befchreibt, und des Theodoras Prodromos (12. Jh.) auf ein fonft unbekanntes
Meifterwerk des Künftlers, einen Erzengel Michael, einerfeits,
namentlich aber die gegen die vorikonoklaftifche Datierung der von Konftantinos
Rhodios und Meffarites befchriebenen Mofaiken der juftinianeifchen
Apoftelkirche erhobenen Bedenken Ch. Diehl's, Manuel d'art
byzantin S. 449fr., C. M. Dalton's, Byzantine Art and Archaelo-
logy S. 649 n. 2, auch J. Reil's, Die altchriftl. Bildzyiden des Lebens
Jefu, S. 129, andererfeits veranlaßten Helfenberg, ,das bedeutungsvolle
Problem noch einmal von allen Seiten zu beleuchten' (126) in einer
Studie ,Die alten Mofaiken der Apoftelkirche und der Hagia Sophia', einem
Beitrage zu St-via. Hommage international a Tuniversite nationale de
Grece, 1912, S. 121—160. Die hier vorgetragenen mehr überfchwäng-
lichen als nüchternen, die ausgefprochenen Einwände allzuwcnig achtenden
Ausführungen beftätigen vollauf das bereits in dem größeren Werke
gewonnene Refultat.

Dem gegenüber prüft nun Bees, der bereits in feinen
Beiträgen zur byzantinifchen Malergefchichte bis zur Eroberung
von Konftantinopel (Nlxov A. Bir, ByCäpjsivoi
C,or/Qa<poi Jrpo rr/q AXmazmq. Ev/ißoXi] slg tr/v loroQiav
xrg Bv^avTivrjq yQarpiyJ/q, in der Bv^uvziq Bd. 2, 1911/12,
457—473 u. 618) auch über Eulalios gehandelt und ihn