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Ausgabe:

1917

Spalte:

146

Titel/Untertitel:

Estori haf-Farchi, Die Geographie Palästinas 1917

Rezensent:

Guthe, Hermann

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H5

Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 6/7.

146

giös noch philofophifch irgendwie metaphyfifch verankert
ift, kann uns nur einem fubjektiven Relativismus oder
einem ängftlich an das überlieferte Herkommen fich haltenden
Pofitivismus ausliefern. Wie darauf eine die
Autoritätsmoral überwindende fittliche Autonomie zu
gründen ift, verftehe ich nicht. Ich fchätze den Ent-
wicklungsgedanken für die religiös-fittliche Unterweilung
fehr hoch ein und verwerte ihn immerfort. Aber er ift
fittlich erhebend und fertigend nur auf Grund des Glaubens
an eine hinter und über der Entwicklung flehende
Wacht der Weisheit und Güte — ein Gedanke, den die
Entwicklungsfchwärmer gewöhnlich unbewußt in verdünnter
Form einfchmuggeln.

P. wünfcht an Stelle unferes jetzigen Religionsunterrichts
eine Einführung der Jugend in die Gefchichte der
Religion, in die ethifche Kultur und in die Kunft fitt-
licher Lebensführung. Der objektive religionsgefchicht-
liche Unterricht foll nicht fromm machen, fondern nur
Verftändnis für die gefchichtliche Größe: Religion wecken;
ebenfo foll der ethifche Unterricht nicht moralifieren
(nach den dargebotenen Lehrplänen fürchte ich freilich,
er wird es in erfchreckendem Maße tun!), fondern nur
den Stoff darbieten, mit deffen Hilfe der Zögling zur
fittlichen Autonomie gelangen kann. Bei diefem Streben
nach Selbftändigkeit der Zöglinge verfällt P. freilich
in einen verhängnisvollen pädagogifchen Wahn. Er fchreibt:
,Wer eine beftimmte Kunft,eine beftimmte Religion,eine
beftimmte Sittlichkeit zu lehren unternimmt, der erzielt im
beften Falle Nachahmer, Anhänger, Schüler, Nachmacher
, die es darin bis zum Virtuofentum bringen können,
aber nie Meifter. Darum lehnen wir ja fo beftimmt die
Unterweifung in der allein feligmachenden Konfeffion
wie in der augenblicklich herrfchenden Zeitmoral ab.
Zur eignen Erarbeitung wollen wir führen'. Merkwürdige
Verblendung! Zur eigenen Erarbeitung führt doch
nur das beftimmte charaktervolle Vorbild; nur das an-
fchauliche konkrete Ziel zieht und erzieht. P. frage
unfere Künftler! Die werden ihn belehren, wenn rte ihn
nicht mit feiner Doktrin auslachen. Auch weiß der
Künftler, daß er wohl Schüler aber keine Meifter bilden
kannn; das ift Sache eines andern. Und wer Führer
auf dem Wege zur Frömmigkeit und Sittlichkeit fein will,
follte das erft recht wiffen. Möchten wir uns doch der
großen Worte entwöhnen und uns mit befcheidenen
redlichen Zielen begnügen! Dann werden wir uns auch
hüten, mit einem einzelnen Fichtewort alle ,Autoritätsmoral
' ,gewiffenlos' zu Ichelten.

So muß ich leider die Tendenz des Buches ablehnen.
Trotzdem wünfchte ich, es würde gelefen, und man ließe
fich durch P. anregen, einerfeits den Wert unferes üb-
ichen Katechismus- und Bibelunterrichts bis auf den
Grund ftreng zu prüfen und andererfeits viel mehr fo-
ziale Ethik zu treiben.

Hannover-Kleefeld. Schuft er.

Die Feier der Nebengottesdienfte. Hrsg. u. verlegt v. der
Lutherifchen Konferenz in Minden-Ravensberg. (72 S.)
4°. Gütersloh, C. Bertelsmann 1916. Geb. M. 2.50
Das Erfcheinen diefes Buches ift freudig zu begrüßen.
Es will Anregung geben zur Wiederbelebung desPfalmen-
gefanges in den Gottesdienften der lutherifchen Gemeinden,
der in der älteren Zeit vielerorten regelmäßig im Gebrauch
ftand, aber feit 200 Jahren fo gut wie ganz in
den meiften Landeskirchen verftummt ift. Es enthält
zugleich Anleitung zur Ausführung diefes Gefanges mit
beigefügten Notenbeifpielen zu den einzelnen Pfalmtönen,
macht Vorfchläge für die Geftaltung erbaulicher Vefpern
und bringt noch eine Reihe von Gebeten, die zweckmäßige
Verwendung in den jetzt vielfach angeordneten
und abgehaltenen Kriegsbetftunden finden können. Die
Verfaffer des Buches geben nicht eigentlich eine Belehrung
über das Pfalmodieren, fetzen vielmehr die Bekanntfchaft

mit ihm voraus und befchränken fich in der Hauptfache
auf Winke zu feiner richtigen Ausführung. Ob es gelingen
wird, unfre Gemeinden wieder an den altkirchlichen
Pfalmengefang zu gewöhnen, wage ich nicht als ganz
zweifellos hinzuftellen. Ich habe als junger Lehrer das
Pfalmfingen mit den Infaffen eines proteftantifchen Da-
menklofters geübt, als Leiter eines Schullehrerfeminars
unter Beihilfe eines tüchtigen Mufiklehrers mit meinen
Zöglingen Pfalmen nach den überlieferten Melodien ge-
fungen und im liturgifchen Seminar an der hiefigen Universität
, der Anregung, die ich felbft als Student von
Schöberlein erhalten hatte, folgend, theoretifche und
praktifche Anleitung zum Singen der Pfalmen gegeben,
aber die Spuren von diefer Tätigkeit an verfchiedenen
Orten fcheinen mir verwifcht zu fein, jedenfalls ift mir
nicht bekannt, daß hannoverfche Gemeinden pfalmodieren.
Darüber wundere ich mich nicht, da ein inzwifchen heim-
gegangener Generalfuperintendent die auf folche Belehrungen
und Übungen verwandte Zeit als wenig erfprießlich
angebracht bezeichnen konnte. Es würde mir im Inter-
effe des liturgifchen Ausbaus unserer Nebengottesdienfte
große Freude bereiten, wenn die lutherifche Konferenz
in Minden-Ravensberg mit erwünfchterem Erfolge wirken
könnte. Das von ihr herausgegebene Buch bietet dazu
jedenfalls eine zweckmäßige Handhabe. Es ift fplendide
ausgeftattet und forgfältig gedruckt. Die Notizen über
Lucas Loffius S. 29 find dahin zu berichtigen, daß fein
Geburtsort nicht Vacha an d. Werra, fondern Vaake an
d. Wefer ift, und daß er in Lüneburg nicht Rektor, fondern
Kantor am dortigen Johanneum war.

Göttingen. K. Knoke.

Referate.

Ertori haf-Farchi: Die Geographie Paläftinas. Bearb., überf.
u. erläutert v. Rabb. Dr. L. Grünhut. (VIII, 92 S. m. 1
Karte.) gr. 8°. Frankfurt a. M., J. Kauffmann 1912. M. 2 —
Eftori, ein jüdifcher Gelehrter und Arzt aus Spanien, der
arabifch verltand, hielt fleh 1314—1321 in Paläftina auf und fchrieb
über feine dort betriebenen teils halachifchen, teils geographifchen
Forfchungen in hebräifcher Sprache das Buch Kaphthor wa-
Pherach. Aus diefem Werke hat der 1914 verftorbene Rabbiner
Dr. L. Grünhut in Jerufalem den geographifchen Stoff ausgezogen
ins Deutfche übertragen (nach der Ausgabe von Hirrch Edelmann,
Berlin 1852), neu geordnet und mit Anmerkungen verfehen. Der
Gedanke, die wertvollen Beobachtungen Eftori's den deutfehen
Gelehrten leichter zugänglich zu machen, ift zu loben, ebenfo
die nicht geringe Sorgfalt, die Gr. auf feine Arbeit verwendet hat.
Für wiffenfehaftliche Zwecke darf man freilich auf die Ver-
gleichung des Urtextes nicht verzichten, weil fich Gr. z. B. eine
genaue Wiedergabe der Schreibweife der Eigennamen (s oder s,
t oder t) nicht hat angelegen fein lallen. Schade, daß ihm nicht
die Hiife eines wiffenfchaftlich gefchulten Beraters für feine,
Arbeit zu Gebote geftanden hat! Die Form, in der die Schrift
vorliegt, verdient fcharfen Tadel; der Setzer hat fehr nachläffig
gearbeitet, was Gr. S. VIII felbft beklagt, auch der Druck (S-
Zuckermann in Jerufalem) läßt viel zu wünfehen übrig.

Leipzig. Gut he.

Jahrbuch für Brandenburgifche Klrchengefchichte. Hrsg. im Auftrage
des Vereins f. Brandenb. KG. v. Geh. Oberkonfift.-Rat
Prof. D. Dr. Guftav Kawerau u. Priv.-Doz. Prof. Lic. Leopold
Zfcharnack. 13.Jahrg. (V, 191 S.) gr. 8°. Berlin, M. Warneck 1915.
Diefes Heft bringt zunächft den Schluß der Abhandlung von
Hans Schulze:, Zur Gefchichte des Grundbefitzes des Bistums
Brandenburg'. Darauf fchildert Hans Petri ,die Grenz- und
Zufluchtskirchen im Kreife Soran N. L.' (zunächft Jefchkendorf
Chriftianftadt, Nieder-Ullersdorf, Albrechtsdorf), in denen die
Evangelifchen des Fürftentums Sagan nach dem Einfetzen der
Gegenreformation i. J. 1668 unter großen Schwierigkeiten und
Gefahren Befriedigung ihres gottesdienftlichen Bedürfniffes fuchten.
Sodann behandelt G. Kawerau unter dem Titel: ,Birchof Matthias
von Jagow und die Ordination evangelifcher Geiftlicher'
einen Briefwechfel zwifchen Fürft Georg von Anhalt und dem
Bifchof von Brandenburg aus den Jahren 1539 und 1540, den er
in Abfchriften aus dem Zerbfter Archiv im Nachlaß Nikolaus