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Ausgabe:

1917 Nr. 5

Spalte:

114

Kategorie:

Religiöse Kriegsliteratur, Kriegspredigten, Kriegspädagogik

Titel/Untertitel:

Diebert, ‘Hie Schwert des Herrn und Gideons!’ Neue Folge der ‘Feldgrauen Predigten’ 1917

Rezensent:

Schian, Martin

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Uß Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 5. 114

ftenliebe an Verwundeten und Gefangenen (265 ff.) und
viele andere ähnliche Gegenftände befpricht er in ganzen
Predigten oder in Teilen von folchen. Aber auch über
die Grenzen des eigenen Landes geht der Blick oft hinaus
; ja man kann fagen, daß aus jeder Predigt tiefes
Mitempfinden mit den in den Krieg verwickelten Völkern
ergreifend heraus klingt. Uns berührt befonders wohltuend
, daß bei Benz jenes anmaßliche Gerede mancher
Schweizer, das fo tief verletzend wirken muß, gänzlich
fehlt. Da ift kein rafch herausgefprochenes Urteil, das
das Kriegführen an fich in ftrikten Gegenfatz zum Chriften-
tum brächte. Wohl hat Benz Verftändnis dafür, daß die
Lofung ,Krieg dem Kriege!' Anhänger gewinnt; aber
viel abflößender als der Krieg an der Front ericheint
ihm der häßliche Kampf der Zungen und der Federn
hinter der Front (54); er ift ficher ,vor Gott ein ungleich
größerer Greuel als der andere'. Zugleich weiß er das
Gute zu würdigen, das der Krieg bringt: Willenskraft,
Ausdauer, Selbftbeherrfchung, Tapferkeit, auch religiöfe
und fittliche Erneuerung (54 f. 76 f.). Die Kriegszeit
feinem Volk felbft zum inneren Segen werden zu laffen:
das ift fein allerdringendftes Anliegen. So vollzieht er
für fich und feine Hörer keine Flucht aus diefer argen
Welt heraus; er deutet ihnen die große, die furchtbare
Zeit als Gottes Zeit; er mahnt am Friedensbettag vor
allem: Jeder löfche fein Feuer!' (81). Er tut das alles
mit der ganzen Feinheit der Gedanken, die wir an ihm
kennen, mit der Lebhaftigkeit und Frifche der Sprache,
in der im bellen Sinne des Wortes .modernen' Form, die
uns auch fonft an ihm erfreut haben. Unter den Schweizer
Predigten, die ich in diefen letzten Jahren zu lefen
bekam, haben die von Benz fraglos einen befonders hohen
Rang. Andere mögen mehr Bibelexegefe bieten, auch
noch gründlicher einzelne Fragen durcharbeiten, mögen
als Bußpredigten düflerer gehalten fein oder in derberem
Zufaffen volksmäßiger erfcheinen: keiner verlieht es fo
gut wie er, Außenleben und Innenleben zu verbinden,
keiner fo gut, zugleich gedanklich tief und doch in eleganter
Form zu reden; keiner fo gut, den Menfchen
unferer Zeit praktifch anzupacken.

3. Sammlungen von Soldatenpredigten. Je
länger der Krieg währt, um fo zahlreicher werden auch
die Druckausgaben von Predigten, die im Feld oder im
Etappengebiet gehalten find. Goens' Sammlung13 (vgl.
1915 Sp. 266, 1916 Sp. 306) mehrt fich um die 3. Reihe;
alle Reihen zufammen enthalten 29 Stücke; fie reichen
bis zum Erntefeft 1915. Drei Predigten diefes Heftes find
im Hauptquartier des Deutfchen Kronprinzen gehalten.
Für die Charakteriflik verweife ich auf das früher Ausgeführte
. — Dem polnifchen Etappengebiet entflammt
die Sammlung von Althaus14. Der Titel ift gewählt,
weil die Gottesdienfte den Landfturmleuten ein Stück
Heimat bedeuten follen. Die 7 hier vereinigten Predigten
find natürlich dem Ort und der Zeit vielfach angepaßt;
aber fie find nicht in dem Sinn Kriegspredigten wie viele
andere. Sie betonen das biblifche Moment ziemlich ftark
und bringen faft durchweg allgemeine, dauernde religiöfe
Fragen zur Befprechung: Die Herrlichkeit der Liebe;
Das Bekenntnis zu Jefu; Der Weg zum Beten; Der Segen
der Armut); doch knüpfen fie dabei oft an die befondere
Lage der Zeit an. Die Predigten find ziemlich lang
(durchfchnittlich 14—15 Druckfeiten); wie mir fcheint, für
diefe Hörer zu lang. Sie find gedankenreich und bewegen
fich in nicht unbeträchtlicher Höhenlage; manchmal
wünfcht man fie etwas volkstümlicher; doch ift ihr Vorzug,
daß oberflächliche Wendungen fehlen. In der Art der
' Themaftellung und der Gedankenbildung erinnert A. an
die ältere biblifch beftimmte theologifch konfervative

Predigergeneration. Auch Schowalter15 hielt die in
diefem 2. Bändchen gedruckten Predigten vor Befatzungs-
truppen, und zwar in Belgien. Wer feine Heimatpredigten
(f. 1915 Sp. 267, 1916 Sp. 305 f.) kennt, wird fich nicht
wundern, daß er im befetzten Land anders redet als
Althaus, vor allem viel mehr in der Art der Zeitpredigt.
Das gilt am meiften von der Predigt über Pf 137,5
.National denken!', aber auch von der über Röm. 19,7.8,
die neben das Bild des Paulus ausführlich das Bismarcks
ftellt; von der über Pf. 68,20, die eine große Reihe
einzelner Züge aus dem Feldzug zum Beweis für die
durch die Laft erhöhte Kraft unferes Volkes anführt (dabei
übrigens im Druck forgfam die Quellen anführt), ja
in gewiffem Sinn von allen. Aber es finden fich doch
auch recht ausführliche Stellen, die dem Textverftändnis
oder der biblifchen Situation gewidmet find. Und auch
er predigt, ob auch viel kürzer als Althaus, doch nicht
befonders kurz. Das Vorwort begründet das fo: ,Es find
nicht Augenblicks- fondern Dauerleiftungen, die der
Dienft der Okkupationstruppen erfordert; und es find
nicht Augenblicks-, fondern Daueranregungen, deren fie
bedürfen. Jede der verftreuten Abteilungen konnte
damals nur alle 3—4 Wochen Gottesdienft haben; dann
aber, follte jede Predigt zu einem Ereignis in dem ftrengen
an Abwechselungen nicht reichen Dienft, zu einem Kriegserlebnis
werden'. Ein fehr hohes Ziel. Aber manche
der Predigten machen den Eindruck, als könnten fie es
Wirklich erreicht haben. — Eigentliche Feldpredigten liegen
vor von Diebert16 und Beck17. Obwohl an der Front,
predigt der Letztere ziemlich lang; der erftere ift durchfchnittlich
um V6 kürzer. Beide aber reden ganz aus dem
Erleben an der Front heraus; beide fo, daß fie wirklich
.Gottes Kraft für die Front' zu bieten fuchen. Einige
Themata bei Diebert: Weltliche und heilige Feuertaufe
(das Thema felbft ift gut; aber der Ausdruck ift nicht
glücklich); Siege des frommen Herzens; Stärkungsmittel
für die Seele des Krieges; Die Furcht des chriftlichen
Soldaten; daneben flehen minder aktuelle. Themata bei
Beck, der befonders knappe, prägnante Faffungen liebt:
Deine ftarke Fauft; Werde hart! Der Opfertod; Stilles
Heldentum; Der rechte Soldat; An die Front!; Deutfehes
Chriftentum; Helle Augen!; Das deutfehe Gewiffen. Bei
beiden findet fich viel verftändnisvolles Eingehen auf das,
was die Hörer bewegt; auch zuweilen ein recht deutlicher,
ungefchminkter Hinweis auf die fittlichen Gefahren, denen
fie ausgefetzt find (Diebert S. 13; Beck S. 121 f.) Daß
in diefer Lage keine längeren biblikhen oder religiöfen
Erwägungen möglich find, verlieht fich von felbft; oberflächlich
find die Reden darum doch nicht. Mir Rheinen
beide im Allgemeinen den Ton zu treffen, der für den
Frontfoldaten nötig ift. Nur zuweilen habe ich Bedenken,
als fei der Ausdruck zu abftrakt, der Satzbau zu wenig
einfach. Beck's Buch ift mit 55 photographifchen Aufnahmen
, die nach dem Vorwort fall fämtlich von Kameraden
herrühren, zu einem Gedenkbuch für die Referve-
divifion, deren Prediger er war, ausgeftaltet. Diefe
Aufnahmen flehen freilich zum Text in keinem anderen
Verhältnis, als daß fie etwa das Feldzugs-Erleben der
Hörer der Predigten veranfehaulichten. — R e e t z 1 s predigte
Soldaten einer Heimatsgarnifon. Alles hier Gedruckte
flammt aus dem erften Kriegsjahr. Teils find es Predigten,
teils Anfprachen bei Abfchiedsfeiern für Ausrückende'

|3) Goens, Geh. Kont-Rat, ev. Feldoberpfr. D. G.! Gott mit uns!
Feldpredigten im Großen Hauptquartier geh. 3 Reihe. (52 t».J » •
Beilin, E. S. Mittler & Sohn 1916. M. — 3$; geb. M. — 75

14) Althaus, Gouv.-Pfr. Lic. Paul: Aus der Heimat. Lodzer
Kriegspredigten. (102 S.) kl. 8". Lodz 1916. Leipzig, P. Eger. I —

15) Schowalter, A.: Der Krieg in Predigten. II. Tl. Feldpredigten
(105 S.) 8°. Barmen, E. Biermann 1916. M. 1.20

16) Diebert, Felddiv.-Pfr.: ,Hie Schwert des Herrn und Gideons!'
Neue Folge der .Feldgrauen Predigten'. (110 S.) 8". Leipzig, Krüger
& Co. 1916. M. 1 —

17) Beck, ev. Feldgeiftl. Paft. Dr. IL: Vorwärts! Gottes Kraft f.
die Front im deutfchen Weltkriege. I.—3. Tauf. (176 S. m. 55 Abb.)
8°. Braunfchweig, H. Wollermann 1916. M. 3 —

18) Reetz, z. Z. Garnifonpfr.: An meine Soldaten. Anfprachen
u. Predigten" während des erften Kriegsjahres. (170 S.) 8". Leipzig,
Xenien-Verlag 1916. M. I —