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Ausgabe:

1917 Nr. 4

Spalte:

77-78

Autor/Hrsg.:

Brockhaus, Heinr.

Titel/Untertitel:

Deutsche städtische Kunst und ihr Sinn 1917

Rezensent:

Stuhlfauth, Georg

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 4.

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Hebr. anerkennen. Von Intereffe ift Riggenbachs neue
Erklärung von öia&"qxr], mit der er feine früheren Ausführungen
(Theologifche Studien für Zahn und Komm.
203 f.) berichtigt oder ergänzt. Er meint eine Ver-
fchiebung im Sprachgebrauch von 6. feftftellen zu können:
früher hatte ch=Teftament durchaus die Rechtsform eines
zwifchen zwei Parteien abgefchloffenen Vertrags, entfprach
alfo dem hebräifchen berith; fpäter erft ward das Tefta-
ment eine einfeitige, freie Willensverfügung, fo daß bei
religiöfer Anwendung die Freiheit des göttlichen Waltens
noch ftärker zu Geltung kam.

Leiden. H. Windifch.

Brockhaus, Heinr.: Deutfche rtädtilche Kunft und ihr Sinn.

(VIII, 222 S. m. in Abbildgn.) gr. 8°. Leipzig, F. A.
Brockhaus 1916. M. 5—; geb. M. 6 —

,Sonderbarerweife ift die Bedeutung unferer alten
ftädtifchen Kunft vollkommen in Vergeffenheit geraten.
Man weiß gar nicht, welchen Schatz wir daran befitzen.
Große Gedanken, gut gefaßt, wurden vor Augen gebracht.
Es wurden nur folche Kunftwerke für eine bedeutende
Stadt angefertigt, die fachlich wichtig waren und die
Stadtregierung in ihrer wichtigen Tätigkeit unterftützten.'
Das ganze Buch von Brockhaus ift die Erläuterung und |
Beftätigung diefer Sätze des Vorwortes. Es umfaßt zwei j
Hauptteile: einen individuellen unter der Überfchrift
,Städtebetrachtung' und einen umfangreicheren fyfte-
matifchen unter der Überfchrift Quellenkunde'. Der erfte
zeigt an dem Beifpiele von fünf alten Städten: Nürnberg,
Regensburg, Augsburg, Bremen und Lüneburg und an
ihren hervorragenden Stadt-Denkmälern, vornehmlich den
Rathäufern, wie allenthalben die .ftädtifche Kunft künft-
lerifcher Ausdruck ftaatlichen Lebens' ift und wie die
Kunft im großen wie im kleinen, im Bauwerk wie im
Bildfchmuck, nach außen und nach innen, wo immer fie
auch von den Städten in Dienft geftellt wurde, die Aufgabe
hatte, finnvoll und zweckvoll ,der Stadt, dem Staate
die höchfte Achtung zu fichern und die Arbeit für das
Gemeinwohl zu fördern' (80). Der zweite Teil gibt einen
Überblick über die einzelnen Quellen und Quellgebiete
der Kunft unferer alten Städte: 1. Die ftaatliche Stellung
der Freien und Reichsftädte (Grundlage: Friede, Gerechtigkeit
, Eintracht; Hoheitsrechte: Stadtrecht, Recht über
Krieg und Frieden, Weisheitspflege; der Rat; die Bürgerfchaft
; Wappen, Fahnen u. a.); 2. wichtige Gefichtskreife
(weltgefchichtlich-politifche Auffaffung: das alte Reich,
der Staat in der Weltordnung; Rechtsanfchauungen;
religiöfe Anfchauungen: Gottesdienft, Bibel); 3. einfchlä-
gige Bücher (Auguftins De civitate dei; des Theophilus
Schedula diversarum artium; des Erasmus Unter-
weifung eines chriftlichen Fürften; Dürers Buch über
Städtebefeftigung u. a.). Man fieht: ein recht weitfchich-
tiges Material hat fich hier unter dem Gefichtspunkte
der Stadt als Kunftpflegerin zufammengefunden, und der
Hiftoriker und der Kunfthiftoriker haben fich in B. die
Hand gereicht, es zu erfaffen, um den irgend durch
Kunft vermittelten Äußerungen ftädtifchen Waltens auf
den Grund zu kommen. Dabei tritt eines überwältigend
hervor nämlich daß die alten Städte nie etwa die Kunft
nur zum Schmucke um des Schmuckes willen benutzten,
fondern immer als Mittel zum Zwecke politifcher, religiöfer,
ethifcher Antriebe, wie fie für das Stadtwohl, Regierende
und Regierte, angezeigt und nützlich waren. Und wieder
und wieder ftoßen wir auf die tiefe Weisheit, die in den
taufend einzelnen Figuren vom Schmucke an und in
Rathäufern bis zu einfachen Gebrauchsgegenftanden zum
Ausdruck gebracht ift. Namentlich hat die Bibel, zumal
mit der Reformation, und zwar vor allem in ihren Lehr-
fchriften, den Proverbien, Buch der Weisheit, Jefus Sirach
u. a., für künftlerifches Motiv und Spruch mit in vorderfter
Stelle als reich genutzte Fundgrube gedient. Es wäre
-unferer gegenwärtigen ftädtifch-ftaatlichen Kunft über

alles heilfam, wenn fie in der Anknüpfung an diefe von
den alten Städten vorgezeichnete Linie eine Neubefruchtung
und Vertiefung erführe. Dem Kunfthiftoriker und
dem Städtehiftoriker aber hat Brockhaus in feiner Schrift,
fo unvollftändig fie auch noch ift, doch den Weg ge-
wiefen zum Verftändnis für viele Einzelheiten, deren
Schlüffel eben in folchen Quellen und fachlichen Zu-
fammenhängen liegt, wie er fie aufzeigt. Dem Kunfthiftoriker
insbefondere bieten fpeziell die Ausführungen
über beftimmte Stücke wie den Kelch in Deventer (S.
in—113, 158) und den Taffilokelch (S. 158) oder die
Reliefs der Domtüre zu Augsburg (S. 44fr.: f. Regifter)
oder das Sebaldusgrab in Nürnberg (28ff.) neue Gefichtspunkte
der Erklärung. Ob die Deutungen immer haltbar
find, mag dahingeftellt fein; ich möchte es nicht ohne
weiteres annehmen z. B. hinfichtlich des Wappens von
Augsburg, deffen Bekrönung doch zunächft weit eher an
einen Pinienzapfen erinnert als an eine Knofpe (,Auge')

(lI2ff.).

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Albrecht, D. Otto: Luthers Katechismen. (Schriften des
Vereins f. Reformationsgefch. 33. Jahrg. 1. u. 2. Stück
[Nr. 121/22].) (V, 196 S.) gr. 8». Leipzig, R. Haupt
I9IS- M. 3 —

D. Otto Albrecht hat bisher fchon eine größere Reihe
von Arbeiten über Luthers Katechismen, inbefondere auch
über den Kleinen Katechismus veröffentlicht, die zu dem
Beften gehören, was über fie in den letzten beiden Jahrzehnten
an literarhiftorifchen Unterfuchungen erfchienen
ift. Eine Überficht über diefelben gibt er in den Unterfuchungen
über die beiden Katechismen Bd. 30. I. S. 538
der Weimarer Lutherausgabe. In jenem Bande, deffen
Bearbeitung in der Hauptfache ihm zugefallen ift, war
von ihm der Ertrag feiner langjährigen wiffenfchaftlichen
Forfchungen gründlich und ausgiebig niedergelegt. In der
jetzt zur Befprechung vorliegenden Arbeit wird der we-
fentliche Inhalt jener frühern Publikation wiederholt, jedoch
fo, daß die Darfteilung im Ganzen auf einen etwas' andern
Ton geftimmt ift, wie er dem Tenor der .Schriften des
Vereins für Reformationsgefchichte' entfpricht. Man wird
das nur freudig begrüßen können, weil auf diefe Weife
die Ergebniffe der Albrechtfchen Studien nicht nur den
Fachgelehrten, fondern auch andern wiffenfchaftlich inte-
reffierten Kreifen zugänglich gemacht werden. Luthers
Katechismen find es durchaus wert, daß fie auch von
diefen richtig eingefchätzt und gewürdigt werden.

In feiner neuen Arbeit hat A. auch die feit der Herausgabe des
erwähnten Lutherbandes erfchienenen bezüglichen Publikationen ent-
fprechend beachte. Es gilt dies z. B. von den Ausführungen von D. Joh.
Meyer über ,Fürchten, lieben und vertrauen' (1913) und über die Textredaktion
des Gr. Kat. (1914), die S. 51 f. erwähnt find, fowie von den
Arbeiten von D. A, Hardeland über Luthers Katechismusgedanken in
ihrer Entwicklung bis 1529, und den Begriff der ,Gottesfurcht' etc. 1914,
die S. 84 Berückfichtigung finden. Den jüngften in der Monatsfchr. f.
Paftoraltheol. 1916 S. 441 ff. veröffentlichten Auffatz des Letzteren über
,das erfte Gebot in Luthers Tifchrcden' konnte A. noch nicht benutzen.

Neu ift die Deutung, welche A. S. 33 f. von den oft
zitierten Worten aus Rörers Brief vom 16. 3. 1529 gibt.
Dort find genannt: tabulae confessionis, Litania Germanica
und tabulae de sacramentis, die zu Luthers Katechismus
gehören. A. verlieht den Ausdruck tabulae confessionis
von den drei erften Hauptftücken des Kat., die darunter
zufammengefaßt würden, entfprechend dem damals geprägten
Grundfatze: .Unverhört der Beichte (ohne Beiftrich)
der zehn Gebote, Glaubens und Vaterunfer foll niemand
das Sakrament . . . gereicht werden'. Ich halte diefe
Deutung für zutreffend, da nach den tabulae confessionis
noch tabulae de sacramentis (= 4. u. 5. Hauptftück)
genannt werden. — Auf die große Menge wertvoller
Einzelbemerkungen in diefer neuen Schrift von A kann
ich zu meinem Bedauern mit Rückficht auf den mir zur
Verfügung flehenden Raum nicht eingehen. Doch feien

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