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Ausgabe:

1917 Nr. 4

Spalte:

76-77

Autor/Hrsg.:

Riggenbach, Ed.

Titel/Untertitel:

Der Brief an die Hebräer. Ein Ermunterungsschreiben an zagende Christen 1917

Rezensent:

Windisch, Hans

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 4.

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logen Stoff zu allerlei Bemerkungen und Verbefferungen.
1911—12 erfchienen zwei neue Editionen von einheimi-
fchen indifchen Gelehrten und im zuletzt genannten Jahre
noch eine italienifche Überfetzung mit Beiträgen zur
Textkritik von Formichi (Agvaghosa, Poeta dal Buddismo,
Bari 1912; vgl. ZDMGLXVI, S17), der aber nach Gawroriski
nicht genügend Sanskrit verftand. Diefer hat nun noch
1913 eine deutfche Überfetzung, fowie eine neue kritifche
Edition, zum Drucke vorbereitet und gibt hier vorläufig
eine Reihe von Emendationen und Bemerkungen zum
Text. In feinem zweiten Auffatz weift Gawroriski nach,
daß Kalidafa in feinem Raghuwarhsa IV, wo er die Siege
des Raghu, eines der Vorfahren des Rama, befingt, von
der Infchrift des Königs Samudragupta (Corp. Inscr. Ind.
III, 1), der um 375 geftorben ift, abhängig ift. Dadurch
gewinnen wir einen weiteren terminus a quo für Kalidafa
. Weiter haben wir eine Notiz von dem inzwifchen
verftorbenen Krcek zu Rigv. 4,18, 10 (S. 83—84) und
manche Etymologien von Rozwadowski (S. 94).

Von dem zuletzt genannten haben wir auch eine grö- i
ßere Abhandlung über die lexikalifchen Beziehungen
zwifchen den flavifchen und iranifchen Sprachen (S. 95
bis 110). Der Verfaffer unterfucht zunächft die bisherigen
Anrichten und kommt zum Refultat, daß von direkten
und ficheren Entlehnungen aus dem Iranifchen im Sla-
vifchen nicht die Rede fein kann, daß höchftens irgendwelche
Spuren eines weit zurückliegenden religiös-kultu- j
rellen Einfluffes fich bemerkbar machen, der dann feinen
Ausdruck im flavifchen Lexikon gefunden hat. Grzego-
rzewski handelt über den perfifchen Dzetazismus im erften,
lexikalifchen Teil des Codex cumanicus (S. 85—93), wobei
er außer der Edition von Geza Kuun (Budapeft 1880)
auch photographifche Reproduktionen der Hff. benutzt
hat. Grzegorzewski hält den Autor des Kodex für einen
katholifchen Miffionar und glaubt, daß in diefem Dzetazismus
, der der perfifchen Sprache fremd ift, fich der
Einfluß des Kumanifchen geltend macht (vgl. auch Vam-
bery, ZDMG XXXV, 770). Wir haben auch nach G.
1 len Kodex nicht in feiner urfprünglichen Geftalt vor uns,
fondern aus der Hand eines unkundigen Kopiften.

Die Lefer diefer Zeitfchrift dürften befonders zwei
Auffätze von M. Schorr intereffieren. Der eine enthält
Beiträge zur Phrafeologie der biblifchen und babylonifchen
Pfalmen (S. Iii—122). Hier wird an einer großen
Reihe faft identifcher gedanklicher Phrafen und poetifcher
Wendungen in den beiden Pfalmenarten nachgewiefen,
daß eine unmittelbare literarifche Beeinfluffung von feiten
der älteren babylonifch-affyrifchen auf die jüngere alt-
ifraelitifche Dichtung vorliegt. In der Tat find manche
Analogien fo frappierend, daß ein Zufall ausgefchloffen
ift, fo z. B. die von Pf. 18, 43 mit der Phrafe ikdütija
kima kakkäru lükabbis ,daß ich meine Feinde wie die
Erde trete' im Gebet an die Istar, oder von Pf. 32,4 mit
kabtat katsu ,feine (des Gottes) Hand laftet' ufw. Andere
aber wiederum find ganz allgemeiner Natur, und
die Übereinftimmung kann eine zufällige fein. Jedenfalls
aber haben wir ein neues Kriterium für das Verftändnis
und dieBeftimmungszeit fo mancher Pfalmen, das beachtet
werden muß und das zwingen wird, fo manchen als jung
betrachteten Pfalm in eine ältere Zeit hinaufzurücken.
In feinem zweiten Auffatz (S. 123—176) transfkribiert und
erklärt Schorr zwei neue Fragmente des Kodex Hammu-
rapi, die beide aus Nippur flammen und im Jahre 1914
von Langdon bzw. Poebel nur in Keilfchriftkopien und
dazu in nicht genügend forgfältiger Weife publiziert worden
find. Diefe Texte find aber von Wichtigkeit dadurch,
daß durch fie die Einteilung des ganzen Gefetzes in Paragraphen
fich genauer beftimmen und eine beträchtliche
Lücke im Louvre-Stein fich ausfüllen läßt, dann, daß fie
eine ältere Verfion als der genannte Stein repräfentieren.

Das Heft fchließt mit zwei arabiftifchen Beiträgen von
Th. Kowalski, der fich bereits durch feine Edition des Kais
ibn al -Hätim als tüchtiger Kenner der altarabifchen Poefie

erwiefen hat. Über diefe Poefie handelt eben fein erfter
Auffatz (S. 177—218), der von ihm zuerft als Antritts-
vorlefung an der Krakauer Univerfität vorgetragen worden
ift. Mit eingehender Sachkenntnis und befonnenem
Urteil werden hier alle charakteriftifchen Merkmale der
altarabifchen Poefie vorgeführt, alfo das Milieu, in dem
fie entftanden ift, ihre Kompofition, Ausdrucksweife, Reim,
Metrik, Gattungen ufw. Der zweite Auffatz handelt über
einige arabifche Speifen in Zeiten der Hungersnot (S. 219
bis 224). Diefe Not zwang die Beduinen einerfeits zur geduldigen
Ertragung des Hungers (sabr) und andererfeits
zur Erweiterung des Begriffskreifes des Eßbaren. Man
genoß z. B. die bittere Kolloquinthe, eine eigentümliche
Speife 'Ilhiz (j^ty, die aus Kamelblut und -Haaren be-
ftand und daher fpäter in der religiöfen Tradition für
verpönt galt (f. die Zitate aus LA II, 481 u. VII, 248;
ufw. Diefer kleine Auffatz ift ein intereffanter Beitrag
zur arab. Kulturgefchichte und Lexikographie.

Wie wir fehen, ift der Inhalt ein mannigfaltiger und
wertvoller. Der zweite Teil, der fich bereits unter der Preffe
befindet, foll u. a. enthalten: Über die Deklination in
der Sprache der heutigen Kalmüken von Kotwicz; jaku-
tifche Texte von Piekarski; karäifch-tatarifche Texte von
Grzegorzewski; die Gebete der Ainos von Pilsudski ufw.
Wir wünfehen dem neuen Unternehmen, deffen Entftehen
der Initiative von Grzegorzewski, dem gelehrten Vorfteher
der polnifchen wiffenfehaftlichen Station im Orient (mit
dem Sitz in Sofia und Konftantinopel), zu verdanken ift,
den bellen Erfolg und hegen die Hoffnung, daß es Sinn
und Intereffe für orientalifche Studien auch hier bei uns, in
dem zu neuem Leben auferftandenen Polen, wecken wird.

Warfchau. Samuel Poznariski.

Riggenbach, Prof. D. Ed.: Der Brief an die Hebräer. Ein

Ermunterungsfehreiben an zagende Chriften. (Bibl.
Zeit- und Streitfragen, X, n/12.) (38 S.) 8<>. Berlin-L.,
E. Runge 1916. M. — 80

In diefem Heft gibt Eduard Riggenbach in kurzer
Zufammenfaffung die Refultate feines gelehrten Kommentars
(Bd. 14 in Zahn's Kommentarwerk 1913). In wirklich
gemeinverftändlicher Sprache behandelt er, eingangs
die Beziehungen des Hebr. zur Gegenwart und zum
Weltkriege fein andeutend, den Verfaffer und die Empfänger
, Veranlaffung und Zweck des Briefes, führt dann
den theologifchen Gehalt unter dem Gefichtspunkt: der
Hohepriefter nach der Ordnung Melchifedeks aus und
entwickelt zuletzt noch die Herkunft der Gedankenwelt
des Hebr. Während er über den Verfaffer wie über
den Wohnplatz der Lefer nichts Sicheres feftftellen kann,
ift ihm ,gewiß', daß die Lefer geborene Juden waren;
die Gegeninftanzen werden leider nicht namhaft gemacht.
Doch will auch Riggenbach nichts davon wiffen, daß die
Lefer in Gefahr waren, ins Judentum zurückzufinken;
nur ihr Glaube war erfchüttert. Mit Gefchick weiß der
Verfaffer dem bibelgläubigen und bibelfeften Lefer die
fonft fo fremd und abftrus erfcheinenden Gedanken des
Hebr. verftändlich zu machen, fie aus den Bedürfniffen
und dem Bildungsftand der Zeit zu erklären. Auch für
den Fachgenoffen ift der letzte Abfchnitt lehrreich, in
dem Riggenbach den Verfuch macht, die Theologie des
Hebr. hauptfächlich aus dem A. T. (LXX) und dem
fynoptifchen Evangelium abzuleiten. Freilich ift dabei
nicht bemerkt, wie ftark doch eben das A. T. (LXX)
das Intereffe an dem fynoptifchen Evangelium zurückgedrängt
hat. Daß Hebr. von Philo nicht abhängig
fei, fcheint auch mir richtig (f. m. Komm, in Lietzmann's
Handbuch); aber daß eine Menfchwerdung des Logos
für Philo ein abfurder Gedanke fei, ift m. E. viel zu fcharf
gefagt. Auch muß man, wenngleich direkter Einfluß
Philo's abzulehnen ift, doch gewiffe helleniftifche Meditationen
in reicherem Maße als Riggenbach es tut, in