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Ausgabe:

1917 Nr. 3

Spalte:

68

Autor/Hrsg.:

Leibniz, Gottfried Wilhelm

Titel/Untertitel:

Ausgewählte philosophische Schriften. Im Orig.-Text hrsg. v. Herm. Schmalenbach. 1. Bdchn 1917

Rezensent:

Kohlmeyer, Ernst

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Seite 1

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67 Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 3. 68

Gewißheit und Friede erft dann zuteil, als er in Beugung
unter Chrifti Kreuz und Wort die Heilstatfachen und ihre
Bedeutung für fein religiöfes Leben würdigen lernte. Er
vergewifferte fich alfo der Wahrheit der chriftlichen Religion
, indem er von dem Hauptinhalt der heil. Schrift,
den ,Grundelementen des Evangeliums' ausging. Auf die
Frage, mit welchem Rechte gerade die Gottesfohnfchaft
Jefu, fein Verföhnungstod und feine Auferftehung als die
Grundelemente des Evangeliums angeführt werden, erfolgt
keine Antwort, oder höchftens die eine: ,Gott lehrte
es mich fo', vgl. S. i66ff. (ein Nachtrag S. 309fr. beruft
fich auf die Übereinftimmung mit Th. Kaftan und Loofs).
Hier ftoßen wir auf eine der bei allem Anziehenden
und Ergreifenden, das es enthält, nicht fehlenden theo-
logifchen Schwächen des Buches. Die Hauptfchwäche
fcheint mir in dem Glaubensbegriff mit feiner Über-
fpannung des Willensmoments zu liegen, die dahin führt,
daß man im Grunde, um einen charakteriftifchen Ausberührt
lie fich nicht. Die gefamte geiltige Verfaffung
des deutfchen Volks fleht zur Verhandlung. Kap. I
(.Verfall1) zeichnet deren Entwicklung vor dem Kriege.
Der Idealismus, ,d. h. der Glaube an Ideen, die außerhalb
der Vorteil- und Nützlichkeitserwägung liegen' war einft
im deutfchen Volke von hohem Einfluß. Im Lauf des
19. Jahrh.s war er in Verfall geraten; Nützlichkeitsverehrung
wurde zwar nicht ausfchließlich (andere Anfätze
fehlen nicht), aber doch in überwiegender Weife herrfchetide
Macht. Mitfchuld trug die neue ,theoretifche Deutung
der Lebensvorgänge'; die religiöfe Erziehung bildete kein
genügendes Gegengewicht; fie pflegte zu wenig ein ,vater-
ländifches Sittlichkeits- und Schönheitsreich'. Das zweite
Kap. (,Neues Werden') ftellt diefer Entwicklung den Geifl
von 1914 gegenüber, bei deffen Befchreibung das religiöfe
Moment nachdrücklich gewertet wird (63 ff). Ein neues
Ferfönlichkeitsideal und ein neues Kulturideal wurde wach.
Kap. III zieht die Schlußfolgerung: Es ift das Grunddruck
des Verfaffers zu gebrauchen, ,die Probleme mit gebot der deutfchen Zukunft, daß der neuerftandene
dem Revolver löft', S. 291. Damit foll natürlich nicht deutfche Idealismus ausfchlaggebende Bedeutung gewinne,
beftritten werden, daß unter Umftänden und in befon- Diefe Thefe wird nach einer ganzen Reihe wichtiger

deren Notlagen vielleicht nur ein folcher Glaube, ein
Glaube des verzweifelten Entfchluffes und des krampfhaften
Sichanklammerns, helfen kann.

Iburg. W. Thimme.

Frühes, Prof.Jof., S.J.: Lehrbuch der experimentellen Plycho-

logie f. höhere Schulen u. zum Selbftunterricht. I. Bd.
1. Abtig. (XVI, 198 S. m. 25 Fig. u. 1 farb-Taf.) Lex.-
8°. Freiburg i. B., Herder 1915. M. 4 —

Zweck des Lehrbuches ift, ,das heutige Material der
experimentellen Wiffenfchaft in feinem augenblicklichen
Stand in einer leicht verftändlichen, fchulgemäßen Weife
zur Darfteilung zu bringen ... als Irinführung in das
Studium der Spezialwerke'.

Vorlaufip- nicht behandelt, und zwar aus metnodi- :r „ , ^ -r .. , a , a ,J jw

r u r~ - j r 1 j- «. u rr u r ir j Weife alle Bildungs-, Orgamfations- und Schaffenskräfte
fchen Gründen, find die metaphyfifchen Grundfragen der n, , , 6 ' ■ 6 r j n. 1 u- u- n.

Geficbtspunkte durchgeführt. — Der Hauptgedanke der
Schrift ift alfo nicht neu; auch die näheren Ausführungen
bieten dem Theologen für feine befonderen Fragen nichts
irgend Neues. Mit den Andeutungen nach diefer Seite
hin fich genauer auseinanderzufetzen, lohnt kaum, weil
fie gar fo knapp find. Aber fofern wir nicht mit Fach-
fragen, fondern mit unferem heißen Intereffe an der
fittlichen Gefamtgeftaltung unferes Volkes lefen, bietet
uns B.s umfaffende, nach Möglichkeit forgfaltig abwägende,
von hohem fittlichem Willen und großem Ernft getragene
Darfteilung doch mancherlei Anregung. Wir werden
zwar öfter anders betonen, auch anders formulieren ; abef
wir werden doch weithin zuftimmen. So z. B. gegenüber
dem Satze: ,Ein religiöfes Glaubensleben tut not, das fein
Ideal in der höchftentwickelten Gemeinnützigkeit des
Volks- und Staatslebens erblickt und diefem Ideal in jeder

Pfychologie, die vermutlich im II. Bande des Werkes erörtert
werden follen, weshalb fich auch die Kritik veranlaßt
fehen muß, nach Erfcheinen des II. Bandes noch

dienftbar macht, um im gefundeften und tüchtigften
Gemeinfchaftskörper das fittliche Schöpfertum zu größter
allgemeinen Entfaltung und zu höchfter Leiftungsfahigkeit

. /- ' .. , , tv t-. , .. ui. gelangen zu laficn' (ich). Befonders dankenswert fit die

auf das Ganze zurückzukommen. — Die Einleitung hat ö • l tt l •,. v j r c-n.- a r l : r 1,1-

v:^i .j in 1 • t u r>r l i r ! reiche Verarbeitung und forgfa tige Anführung emfchla

Ziel und Wege der empirifchen Pfychologie zum Gegen- : . T . s 5 , °

U11U »»cgc UC1 ciupuiiLiicii njLiiuiuijii; ^Scu- ; mo-er Literatur
ftande, wobei befonders Gewicht auf die Darfteilung der „. „
Methoden der Pfychologie, fpeziell des Experimentes,
gelegt wird. Eine Überficht über die Entwickelung der
Pfychologie und eine Klaffifikation der pfychologifchen
Teilwiffenfchaften befchließen die Einleitung. Darauf
folgt ein Abfchnitt über die Empfindung im allgemeinen,
dem fich als 2. Hauptabfchnitt die einzelnen Empfindungen
anfchließen: Gefichts-, Gehör-, Geruchs- und
Gefchmacksempfindungen, die Hautempfindungen, die
kinaefthetifchen und die ftatifchen Empfindungen, die
Organempfindungen. Das Schlußkapitel des I. Buches
bilden die einfachen finnlichen Gefühle.

Die Darftellung der einzelnen Gebiete ftützt fich auf
eine reiche Literatur, die in ihren grundlegenden Werken
immer den einzelnen Hauptabschnitten vorangefchickt
wird, fonft in den Text eingeflochten ift. Dabei haben
auch die neueften Arbeiten Berückfichtigung gefunden.
Bei der Lektüre des Lehrbuches gewinnt man den Eindruck
, daß der Autor den obengenannten Zweck vollauf
erreicht hat. Man darf der Veröffentlichung des IL Bandes
mit Intereffe entgegenfehen.

Bonn. Dr. Kutzner.

BifchofffDiedrich: Die unfichtbare Kirche. Ein Grundgebot
deutfcher Zukunft. (VII, 112 S.) 8» Leipzig, B. Zechel
1916. M. 1.50

Mit dem, was man theologifch ,unfichtbare Kirche'
nennt, hat diefe Schrift nichts zu tun, obfchon fie das
religiöfe Leben mit berückfichtigt; mit Krchenfragen

Gießen. M. Schian.

Referate.

Leibniz, G. W.: Ausgewählte philolbphifche Schriften. Im Orig.-
Text hrsg. v. Herrn. Schmalenbach. 1. Bdchn. (Bibüotheca
philosophorum. Vol II.) (XX, 164 S.) 8". Leipzig, F. Meiner
1914. M. 3. —; geb. M. 3.60

Diefe beginnende Sammlung philofophifcher Quellenfchrif-
ten liefert die betten Originaltexte zu billigem Preife; wo es lieh
um religionsphilofophifche Fragen handelt, wie bei Leibniz, find
auch die theologifchen Seminare Intereffenten für diefe Ausgaben.
Schmalenbach hat in diefem 1. Bändchen die wichtigften Texte
zu Leibniz' Metaphyfik bis zum Jahre 1700 vereinigt und in forg-
fältigfter Textbearbeitung nebft Überlicht über die handfchriftliche
wie Drucküberlieferung gegeben. Das Heft enthält vor allem den
Discours de Mdtaphysique nebft dem fleh daran fchließenden Brief-
wechfel mit Arnauld, fowie das Syfteme Nouveau de la Nature
nebft Erläuterungsfchriften. Die Auswahl ift fachgemäß getroffen
und das Bändchen kann empfohlen werden.
Kiel. F.. Kohlmeyer

Lieberknecht, Predigcrfem.-Infp. Pfr. Lic. Paul: Gefchichte des
Deutrehkatholizismus in Kurherren. (VIII, 116 S.) gr. 8". Marburg
, N. G. Elwert 1915. M. 2.50
Der Verfaffer der vorliegenden Arbeit, einer Differtation aus der
Schule Mirbts, befindet fich in der angenehmen Lage, fehr viel.
Neues fagen zu können, da er feine Darfteilung ihrem ganzen
Umfang nach auf falt völlig ungedrucktes Aktenmaterial Itützen
konnte. Für den Gegenltand feiner Arbeit darf er ein größeres
Intereffe beanfpruchen, als es der kurheffifchen deutfehkatho-'