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Ausgabe:

1917

Spalte:

60-61

Autor/Hrsg.:

Döring, Oskar

Titel/Untertitel:

Das Lebenswerk Immanuel Kants 1917

Rezensent:

Buchenau, Artur

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 3.

als findiger Forfcher und zuverläffiger Darfteller ervviefen
hat. Den frühem Arbeiten aus feiner Feder reiht fich
die vorliegende Schrift, welche der Theol. Fakultät in
Göttingen zugeeignet ift, in ebenbürtiger Weife an. Eine
auch nur einigermaßen eingehende Würdigung ihres
reichen Inhaltes zu geben, verbietet der Raum. Ich be-
fchränke mich daher auf einige wenige Angaben, die
einen allgemeinen Überblick über jenen Inhalt ermöglichen
follen, um die Aufforderung zu rechtfertigen:
Sume et lege!

In dem größern, mit arabifchen Ziffern 1—485 paginierten
Abfchnitte find die in Frage kommenden Texte
abgedruckt.

Es find die folgenden: I. Die Scholien zu Exod. 20, lateinifch 1523
und deutfch 1525. II. Das Enchiridion elementorum puerilium 1523 (?)
und deffen deutfche Ausgabe unter dem Titel ,Handbüchlein' 1524.
III. Die Paraphrasis Dominicae orationis (vor 1526). IV. Etliche Sprüche,
darin das ganze chriftliche Leben gefaßt ift (1527). V. Kurze Auslegung
der 10 Gebote (1527 ?). VI. Kurze Auslegung des V. 11.(1527?). VII.
Eine kurze Auslegung der 10 Geb., des V. U. u. Glaubens 1528. VIII.
Catechesis puerilis (lateinifch) 1543 bzw. 1540 und Catechismus, d. i. Kinderlehre
(deutfch) 1543. IX. Kurze Auslegung des V. U. 1547 bzw.
1542. X. Catechismus deutfch und lateinifch 1548. XI. Die 10 Geb.,
der GL, das V. U. 1549.

In einem .Anhange' S. 373—420 find, I. .Melanchthonifche Stücke,
in andern Katechismen' abgedruckt, nämlich I. ,Pietas et eruditio'
aus dem Kat. des Moibanus 1533. II. Auslegungen über Joh. I, 17.
iS aus dem Hortulus animae 1548. III. Gebete aus des Pecelius
.Kurzen und notwendigen Fragen' 1573 bzw. des Lyttichius ,Quae-
stiunculae' 1574- IV- Vorreden zu den Katechismen von Moibanus 1538
und Trotzendorf 1558. — II. folgen Bearbeitungen Melanchthonifcher Schriften
, nämlich L der Catechesis durch Alefius (Epitome) 1550, Steph.
Agricola (L'nterweifung) 1551; II. der Loci von Joh. Spangenberg (Mar-
garita) 1540; III. des Ordinanden-Examens durch Lyttichius (Quaestiuncu-
lae) 1574 (Fragftücke) 1575. III. Ergänzungen, nämlich Vorreden und
dgl., die katechetifchen Schriften andrer Theologen entnommen find,
nämlich Brenz, Brufch (Überfetzung der Catechesis) u. a. Den Schluß
bildet die Nachbildung des Kleinen Katechismus mit feinen bildlichen
Illuftrationen 1549 (oben unter XI. aufgeführt).

Diefen Wiedergaben der Texte ift eine mit römifchen
Ziffern paginierte .Einleitung und Bibliographie'XXI— CLVI
vorangeftellt. Hier handelt der Verf. zunächft über Melanch-
thons Mitarbeit am Problem des Kinderkatechismus in
den Jahren 1527 und 28. Von Intereffe ift hier befon-
ders, zu erfahren, daß Melanchthon die unter VII. aufgeführte
Schrift, von der nur 3 Bogen gedruckt vorliegen,
nicht ihrem ganzen Umfange nach hat erfcheinen laffen.
C. glaubt, das fei durch das Erfcheinen des Kleinen Luther-
fchen Katechismus verurfacht. Eine Beftätigung diefer
Vermutung möchte ich in dem Umftande fehen, daß
Melanchthon keine innere Stellung zu Luthers Kat. gehabt
zu haben fcheint. Jedenfalls ift es auffällig, daß er
ihn nie erwähnt hat, foviel ich fehe. Weiter handelt C.
über Melanchthons katechetifche Mitarbeit in den Spätjahren
. Hier gibt er einen ausführlichen Bericht über
den oben unter X. aufgeführten Catechismus, der lateinifch
und deutfch nur handfehriftlich in einem Sammelbande
der Jenaer Univerfitätsbibliothek vorliegt. Die
lateinifche Überfetzung flammt von Winshemius, wie C.
S. XLIV nachweift; das deutfche Original aber ift von Melanchthon
verfaßt, um als Konfirmandenbuch im Sinne
des Interims zu dienen, an deffen Befürwortung derfelbe
ftark beteiligt war. Gedruckt ift er nicht. — Auf die
übrigen fehr forgfältig angeflehten Unterfuchungen von
C, die fich auf die von ihm fonft mitgeteilten katechetifchen
Texte beziehen, gehe ich nicht ein; es würde
zuweit führen.

Doch möchte ich nicht unerwähnt lallen und zugleich meinen Dank
dafür ausfprechen, daß er S. CXXXIV meines geringen Dienftes erwähnt,
den ich ihm zur Beftätigung der von ihm fchon früher feftgeftellten Tatfache
erwiefen habe, nämlich daß der vielfach unter Melanchthons
Namen aufgeführte Catechismus, der auch in deutfeher Überfetzung von
1535 vorlieg, nicht von diefem herftammt.

Da C. feine Unterfuchungen mehr nach fachlich gruppierenden
, als nach bloß hiftorifchen Gefichtspunkten geführt
hat, ift es dankbar zu begrüßen, daß er S. CXVII
sqq. eine chronologifche Tabelle über die Zeitfolge, in
der die einzelnen Schriften erfchienen find, gibt. Sehr
wertvoll ift endlich die den Schluß diefes Teiles bildende

i Bibliographie S. CXXIII—CLVI. Aus meinen eignen bi-
! bliographifchen Notizen vermag ich nur ganz geringe Er-
j gänzungen hinzuzufügen. Sie betreffen den Abfchnitt
; ,die Gebete' S. CVIII sqq. und 376 ff. In dem Isagogicus
rerum grammaticarum libellus von Petrus Nigidius. Erfurt
1 548 flehen V. 3b zwei Gebete von Melanchthon in
elegifchem Versmaß, nämlich eine Benedictio mensae und
eine Gratiarum actio. Ferner ift zu erwähnen: FORMAE/
PRECATIO-/ NVM PIARVM COLLE- / CTAE EX
SCRIPTIS REVE-/RENDI VIRI D. PHI-/LIP1T ME-
LAN-/THONIS./A/LVCA BACKMEISTERO/Luneburg-
ensi/... VITEBERGAE/... M. D. LIX (Vorhanden in Harburg
). Dort finden fich Oratio dominica breviter expli-
cata ita, ut formam precationis retineat, ferner eine fol-
che paulo copiosius explicata, fowie eine Confessio pecca-
torum juxta ordinem Decalogi S. D. 2a. Ob diefe mit
der Forma generalis confessionis juxta seriem decalogi,
welche S. 380 ff. abgedruckt ift, übereinftimmt, vermag
ich nach meinen Notizen nicht feftzuftellen.

Bemerke ich nun noch zum Schluß, daß mir beim
Durcharbeiten des Buches nirgends ein Druckfehler begegnet
ift, fo ergibt fich aus allem, daß wir in diefem
Bande der Supplementa Melanchthoniana eine fehr wertvolle
Bereicherung unferer wiffenfehaftlichen Arbeiten
über die katechetifche Literatur der Reformationszeit
erhalten haben, für welche wir dem Verfaffer nicht dankbar
genug fein können.

Göttingen. K. Knoke.

Döring, Dr. Wold. Oskar: Das Lebenswerk Immanuel

Kants. Vorlefgn., geh. im Auftrage der Oberfchulbe-
hörde zu Lübeck im Kriegswinter 1916. (VII, 197 S.)
gr. 8°. Lübeck, Ch. Coleman (1916). M. 3—;geb. M. 3.50

Der Verfaffer beabfichtigt weniger eine Kritik als
eine Darftellung der kantifchen Philofophie und zwar
umfaßt diefe das Gefamtgebiet, alfo das kantifche philo-
fophifche Syftem. Diefes auf etwa 200 Seiten darzu-
ftellen und dabei auch noch die gefchichtlichen Zufam-
menhänge der kantifchen Lehre mit feinen Vorgängern
aufzuzeigen ift keineswegs einfach, doch ift es dem Verfaffer
zweifellos gelungen, feine Aufgabe zu löfen. Dazu verhalf
ihm außer der gründlichen Sachkenntnis feine große
Darftellungsgabe, die das Buch zu einem verhältnismäßig
leicht lesbaren Werke macht. Er zeigt kurz das Werden
der kantifchen Philofophie, handelt von den Grundformen
unferes Anfchauens und Denkens, den Grundfätzen des
Verftandes, den Ideen der Vernunft und ftellt dann in
der zweiten Hälfte das ethifche, das religiöfe, das ftaats-
rechtliche und das äfthetifche Grundproblem dar. In
dem 6. Vortrag (Kant und die Religion) werden im einzelnen
behandelt: die vorkantifche Religionsphilofophie,
Kants Schrift: ,Religion innerhalb der Grenzen der bloßen
Vernunft' in ihren Grundgedanken, die Fragen der Erb-
fünde, der Erlöfung, der Wunder, Kants Begriff der
,Kirche', feine Lehre vom Dienft und Afterdienft unter
der Herrfchaft des guten Prinzips. Auch hier wird man
in allem Wefentlichen zuftimmen können und die Gefchick-
lichkeitdesVerfaffers beim Herausholen der Hauptgedanken
bewundern. Mit Recht betont der Verfaffer die enge
Zufammengehörigkeit der ethifchen und der religiöfen
Prinzipien bei Kant und zeigt, daß die kantifche Religionsphilofophie
fchließlich ausmündet in das wunderbarfte,
tieffte Erleben, das dem Menfchen zuteil werden kann, in das
Erlebnis des Sittengefetzes, das in der dreifachen Form
der Heiligkeit, der Gnade, der Gerechtigkeit erfcheint.
Die Heiligkeit, die Majeftät, mit der es gebietet, wird
uns zum heiligen, göttlichen Gefetzgeber, zu Gott dem
Vater. Und wenn wir in uns hineinfehauen und das
Sittengefetz aus uns herausleuchten fehen als das erhabene
Ideal des vollkommenen Menfchen, fo erleben wir
es in uns als den gnädigen Erlöfer, als Gott den Sohn.