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Ausgabe:

1917 Nr. 3

Spalte:

56-57

Autor/Hrsg.:

Bruggaier, Ludw.

Titel/Untertitel:

Die Wahlkapitulationen der Bischöfe und Reichsfürsten von Eichstätt 1259 - 1790 1917

Rezensent:

Lerche, Otto

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 3.

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S. Maria Antiqua [diefe wiederentdeckte Kirche follte in
der Kunftgefchichte fortan .Ecclesia Wilperti' heißen;
denn die Durchforfchung ihrer Ruinen und Denkmäler
ift Wilpert's Werk, und was fie gefchichtlich und kunft-
gefchichtlich bedeuten, haben wir faß: ausfchließlich von ihm
gelernt]. 13. Vier Kapellen am lateranenfifchen Bapti-
fterium). — Daß die Unterfuchungen über alle diefe Denkmäler
mit genauefter Kenntnis der älteften Berichte und
Abbildungen (fie enthalten öfters mehr, als uns erhalten ;
ift) geführt find, und daß Wilpert hier auch unbekannte j
oder verkannte Schätze nachgewiefen hat, braucht kaum j
erwähnt zu werden. Das dritte Buch (S. 744—1086)
bringt Unterfuchungen über einzelne Darftellungen, welche
die ikonographifche Forfchung vielfach berichtigen und
weiterführen (1. Darftellungen aus dem Leben Jefu und
Mariä. 2. Darftellungen Chrifti, Mariä, derEngel.desTäufers,
der ApoftelundEvangeliften. 3. Darftellungen von Märtyrern
in den Katakombenkirchen. 4. Darftellungen von Märtyrern [
und Bekennern in den oberirdifchen Kirchen. 5. Das
Weltgericht. 6. Aufenthaltsort der Seligen. 7. Darftellungen j
der Seligen). Das vierte Buch (S. 1089—1156) unter-
fucht die Tafelgemälde (1. Zur Technik der Tafelmalerei !
und Bemalte Kirchenvorhänge. 2. Darfteilung Chrifti: j
Erlöferbild in der Kapelle Sancta Sanctorum [befon-
ders wichtig]. Allgemeine Charakteriftik der Nach-
bildungen der Achiropita. Das Erlöferbild von Tivoli.
Bruftbild Chrifti in der vatik. Gemäldegalerie. Ausfeilen
Chrifti. ,Sudarium Chrifti' (hier ift die Darle- |
gung befonders aufklärend). Achiropiten nach römifcher j
Auffaffung. 3. Darftellungen Maria: Bilder Mariä mit j
dem Jefuskind [a. die thronende Himmelskönigin in S.
Maria in Trastevere und Campagnano, b. .Maria Schnee'
in M. Maggiorej. Marienbild in Aracoeli [das ältefte]
und in S. Maria Magg. in Tivoli. 4. Darftellungen
des h. Franz von Affifi [das wirkliche Porträt, das
farbig in ausgezeichneter Reproduktion gegeben wird, ift
wahrhaft ergreifend und auch künftlerifch fehr bedeutend].
Das fünfte Buch bringt die Schlußbetrachtungen in fünf
Abfchnitten: 1. Wert der mittelalterlichen Erneuerungen
altchriftlicherKompofitionen. 2. Vorrang der altchriftlichen
Mofaik- und Wandmalerei Roms vor der orientalifchen.
3. Erneuerung der mittelalterlichen Kunft. 4. Fremde Ein-
flüffe in der römifchen Kunft. 5. Verfall und Wiederaufleben
der römifchen Kunft. Gute Regifter erleichtern
den Gebrauch des Werkes. —

Römifche Kunft: daß es eine folche in befonderer
Eigenart ein Jahrtaufend lang gegeben hat, was fie ge-
leiftet hat, wie fie fich zur griechifch-byzantinifchen verhält
— als chriftliche auftauchend, ift fie bereits felb-
ftändig — und wie lange fie der Erftarrung widerftanden hat,
das wollte der Verf. zeigen mit Vorführung des getarnten
Materials. Byzantinifchem, auch wo er es auf römifchem
und italienifchem Boden findet, gibt er feinen Spielraum
und fein Recht. Fragt man aber, in welcher Kunft das
Vorzügliche des Römilchen überrafchender und eindrucksvoller
hervortritt, in den Mofaiken oder in den Wandmalereien
, fo find es m. E. die letzteren, denen die Palme
gebührt. Das liegt nicht nur daran, daß man bisher nur
einen Teil diefer Malereien gekannt hat und daß die 176
farbigen Bilder mehr Neues bringen als die 124 farbigen
Mofaikbilder, fondern es liegt objektiv in ihrer künftleri-
fchen Freiheit, Schönheit und Kraft. Hier finden fich
Bilder, die die Kunftwerke der Meifter der Renaiffance
vorwegzunehmen fcheinen, nicht nur eines Giotto und
Fiefole, fondern fogar auch eines Michel Angelo. Hier
findet fich eine Kompofition, an der fich Rafael für eines
feiner größten Werke gebildet haben muß. Das Dogma
von der Renaiffance in der Kunft erfährt eine neue Er-
fchütterungl Auch hier hat es ein ftetig durch das Mittelalter
fortwirkendes Element in Italien gegeben, welches
für die neue Stufe der Kulturgefchichte mindeftens die-
felbe Beachtung verdient, wie die neuen Elemente, die
feit dem 14. Jahrhundert aus dem Altertum auftauchen.

Urfprünglich wollte ich auf Einzelnes eingehen; aber
fchon der bloße Bericht über das Wichtigfte, was hier
geboten ift, füllt den zugemeffenen Raum. Möge es dem
Verfaffer vergönnt fein, fich der Wirkungen feines Lebenswerks
in der Kunft- und Kirchengefchichte viele Jahre
zu erfreuen!

Berlin. v. Harnack.

Bruggaier, Domvik. bifchöfl. Sekr. Dr. Ludw.: Die Wahlkapitulationen
der Bifchöfe u. Reichsfürtten v. Eichltätt
1259—1790. Eine hiftor.-kanonift. Studie. (Freiburger
theologifche Studien, 18. Heft.) (XVI, 130 S.) gr. 8".
Freiburg i. Br., Herder 1915. M. 3 —

Die Wahl des Regierenden ift in geiftlichen Kreifen,
auch die Benediktinerregel nimmt ja auf fie Rückficht,
die einzig mögliche Art, die Nachfolge zu regeln. Wie
die Wahl der Päpfte, fo ift auch die der Bifchöfe bald
an beftimmte Formen geknüpft, und die geiftlichen
Purften allen Ranges hatten alsbald wie auch die Kaifer
wichtige Bedingungen zu erfüllen. Sehr früh hat fich
bei den deutfchen Bifchöfen daher das Inftitut der Wahl -
kapitulationen — der Ausdruck ift eigentlich nie fo berechtigt
wie hier — herausgebildet, das die Beziehungen
und insbefondere die Abgrenzung der gegenfeitigen
Pflichten zwifchen Bifchof und Domkapitel (= Wahl-
körper) feftgelegt hat. In den geiftlichen Staaten, in
denen der Fürft häufig in gar keiner Weife territorial
oder dynaftifch gebunden war, ift die Vorlegung und
Befchwörung einer Wahlkapitulation durchaus als im In-
tereffe des Landes liegend zu begrüßen. Dem zuweilen
häufig wechfelnden Fürften gegenüber bildet das Domkapitel
die Kontinuität, es wahrt die Tradition und gibt
der Regierung Anhalt und konfervative, ftaatserhaltende
Momente. So unerfreulich daher manche Punkte der
Wahlkapitulationen fein mögen, fo häufig fie auch von
Eigennutz und Selbftfucht der Kapitelsherren, die oft ge-
fchickt die Notlage des zur Wahl Stehenden auszunutzen
beftrebt find, fprechen, fo wefentlich und wichtig ift es
doch, daß diefe Abmachungen überhaupt getroffen und
feftgelegt find. Geben doch die Wahlkapitulationen im
Einzelnen einen Begriff und in ihrer Folge ein Entwicklungsbild
von der Abrundung und Verwaltung des geiftlichen
Territoriums und feiner ausführenden Organe.
Daher ift jede neue Arbeit auf diefem Gebiete recht
dankbar zu begrüßen. Nun follte man freilich annehmen,
daß nach den zum Teil recht guten Arbeiten von
Stimming über die Mainzer Wahlkapitulationen, von
Abert über Würzburg, von Weigel und Wittmann
über Bamberg, von Kremer über Trier, von Brunner
über Konftanz u. a. m. — während J. Lulves die päpft-
lichen Wahlkapitulationen in ihren Beziehungen zur Entwicklung
des Kardinalats behandelt hat, — auch einmal
die Wahlkapitulationen und entfprechende Verträge
zwifchen Wählern und den zur Wahl Stehenden bei
Reichsäbten, Reichspröpften, Domdekanen und -Pröpften,
Äbten, Pröpften, Prioren und weiblichen Dignitären
gleichen Ranges dargelegt werden. Denn nicht in dem
Nebeneinander des Vielen, fondern in dem Auf- bezw.
Nebeneinander des Mannigfachen fieht man die wetent-
lichen Züge hiftorifcher Entwicklung, im Gegenfatz zur
juriftifchen Aufzählung der .Fälle'.

Die Arbeit von Bruggaier ift unter forgfältiger
Verwertung umfangreicher gedruckter und archivalifcher
Quellen und bei reichlicher Verwertung der großen ein-
fchlägigen Literatur in zwiefacher Hin ficht recht erfreulich
. Einmal legt Br. hiftorifch die Gefchichte der Wahlkapitulationen
von Eichftätt dar. Er zeigt, wie von der
großen Reihe der Wahlkapitulationen vom Ende des
14. Jahrhunderts an bis zur Säkularifation des Bistums
keine nennenswerte Lücke klafft, und wie wir daher gerade
in Eichftätt die Entwickelung ganz befonders gut