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Ausgabe:

1917

Spalte:

44

Autor/Hrsg.:

Gros, Otto

Titel/Untertitel:

Charakter- und Zeitbilder aus dem religiösen Leben von Vergangenheit u. Gegenwart 1917

Rezensent:

Schuster, Hermann

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urzeitung- 1917 Nr. 2.

44

Gewißheiten, fondern die erfichtliche Undiesfeitigkeit
feiner ganzen Art, bei welcher die Auferftehung ,etwas
durchaus Selbftverftändliches' fei (S. 5). Neben folcher
Berufung auf feine Perfönlichkeit für unfere Gewißheit
vermag fehr wohl weiter zu beftehen, daß feine Worte
als Offenbarungen fonft unbekannter Dinge hingenommen
und unter diefem Gefichtspunkt zum Zweck genauerer
Erkenntniserwerbung bearbeitet werden. Die Grundan-
fchauung ift die der alten Orthodoxie.

So auch bei Heibig. Da lefen wir z. B. (S. 78):
.Auch das Neue Teftament kennt diefes Totenreich, aber
es ift ganz deutlich zu merken, daß wir hier einen großen
Fortfehritt in der Offenbarung darüber finden' oder —
wie es unmittelbar nachher heißt — ,hellere Kundgebungen
'.

Gemeinfam ift — außer diefer prinzipiellen Gleichartigkeit
der Vorftellung von göttlicher Kundgebung
über die jenfeitigen Dinge und im Zufammenhang damit
— den drei Verfaffern auch das einfache Hinnehmen der
den religiöfen Ewigkeits- und Vollendungsglauben des
Chriftentums umrankenden Beftandteile überkommener
Seelen- und Jenfeitsmythologie als gottverurfachter Mitteilung
über diefe fonft verborgenen Dinge — allerdings
mit einem leifen Anflug, das alles nicht immer ganz
wörtlich zu nehmen. Die Ausführungen erinnern darum
an jene Prieftertheologien, deren Wefentliches eine Syfte-
matifierung der bunten mythologifchen Hülle der Religion
ift. Die formell durchgearbeitetfte Leiftung ift die
des kathol. Theologen — gewiß nicht zufällig, denn hier
fteht man noch am ungebrochenften auf dem Boden
von folcher naiver Art religiöfer Spekulation. Daß bei
Heibig die Auseinanderfetzung mit dem Spiritismus einen
fo breiten Raum einnimmt, ift auch eine Folge der Falfch-
orientierung feiner Apologetik an der überkommenen
Seelenmythologie. Im übrigen erinnert das Helbigfche
Buch außerordentlich ftark an das Dennertfche und ift
ficher unter deffen Einfluß entftanden.

Die eigentlich bedeutfame und allein diefe Fragen
wirklich fördernde Arbeit, das Herausarbeiten der eigentlichen
Überzeugungsgewißheiten des chriftlichen Vollendungsglaubens
und feiner innerften Wurzeln, wird von
keinem der drei Verfaffer mit einiger Klarheit ins Auge
gefaßt.

Darin liegt der Vorzug der Hansfchen Brofchüre.
Die Auseinanderfetzung geht dort denn auch klarer den
Weg geiftes- und kulturphilofophifcher Erwägungen. Der
Verfaffer berührt fich ftark mit Ausführungen in meiner
Schrift über den religiöfen Unfterbiichkeitsglauben, und
er trifft beffer als ich die leichtverftändliche Form des
Gedankens.

Von den andern drei Büchern enthält am meiften
kulturphilofophifche Erwägung — zur Unterftützung des
entfeheidenden Beweifes aus der Tradition und Offenbarung
— das Buch von Zahn. Und davon ift manches
ernftlicher Erwägung wert und kann auch bei ganz anderer
Grundx-ichtung des Denkens bedeutfame Anregung
geben. Wie denn überhaupt der bei aller Bindung freie
und unbefangene Geift diefes katholifchen Theologen und
feine reiche Belefenheit auch auf dem Gebiete der evang.
Theologie befonders hervorgehoben zu werden verdient.

Als Anhang bringt Blau einen kurzen Auffatz: Ift
Chriftus wirklich auferftanden? der der großen Schwierigkeit
diefer Frage nicht gerecht wird.

Gnadenfeld. TL Steinmann.

Wibbelt, Auguftin: Ein Heimatbuch. Worte des Troftes
und der Mahnung. (XI, 365 S.) 8°. Warendorf, J.
Schnell 1916. M.4—; geb. M. 5 —

A. Wibbelt, der befonders durch eine Anzahl von
Effaybänden, die in der Sammlung der Bücher der
Freude erfchienen, bekannt geworden ift, gehört, das
beweift auch fein neues Heimatbuch, zu den guten Er-

bauungsfchriftftellern. Zumal die beiden erften Abfchnitte
,Unfers Herrgotts Welt' und ,Unfer Land und Volk'
enthalten Betrachtungen fo feinfinnig und gemütvoll, fo
fchlicht und volltönend, daß fie wirklich, wie der Verfaffer
es wünfeht, wunden Seelen in fchwerer Zeit zu
fpenden vermögen ein Tröpflein vom oleum laetitiae
des Pfalmiften. Was diefer Naturfreund beifpielsweife auf
S. 46 ff. zum Lobe des .Fußweges' fagt, kann man nicht
lefen, ohne ihn herzlich lieb zu gewinnen. Auch für
deutfehe Malerei und Baukunft, für Märchenpoefie und
Goethes Fauft zeigt er ein warmes und tiefes Verftänd-
nis. Vielleicht möchte man ihm noch mehr Volkstümlichkeit
wünfehen. A. Wibbelt ift kein Alban Stolz, aber
ohne Zweifel ein echter Dichter. Merkwürdig enttäufcht
leider der dritte Abfchnitt ,Unfer Heim', in dem von
Ehe und Familienleben die Rede ift. Der trauliche Ton,
den die Überfchrift anfehlägt, verklingt fchnell, und der
Verfaffer ift nun nichts weiter als der Priefter und Mo-
ralift. Erft in den Schlußkapiteln diefes Abfchnitts, deren
letztes unter dem Titel ,Ein Feldblumenftrauß' eine
Sammlung von allerlei gereimten Haus- und fonftigen
Infchriften bietet, bekommen wir wieder das fympathifche
Dichtergemüt zu fpüren. Der Schlußabfchnitt ,Unfer
Pleiiigtum' erfreut durch gelegentliche milde Behandlung
des konfeffionellen Problems, fo in dem Kapitel ,Die
beiden Brüder', S. 316 ff oder S. 332: .Geben wir der
Wahrheit die Ehre und fagen wir frei und offen, daß
felbft in der großen Bewegung der Reformation neben
andern auch ftarke Kräfte innerlicher Religiofität wirk-
fam gewefen find und noch wirken bis auf den heutigen
Tag', und S. 333: .Gottes Gnade und Segen über alle
gottfuchenden Menfchen, mögen fie auch auf Wegen
wandeln, die wir als Irrwege erkennen'!

Iburg. W. Thimme.

Referate.

Sickenberger, Prof. Dr. Jofeph: Kurzgefaßte Einleitung in das
Neue Teftament. (XII, 148 S.) kl. 8». Freiburg i. B., Herder 1916.

M. 2 —

Das Büchlein faßt die Hauptrefultate der Vorlefung des
Verf. über fein Thema für feine Hörer kurz zufammen und
möchte auch weiteren Kreifen zur Orientierung und Rekapitula,
tion dienen. Tatfächlich ift es geeignet, den Lefer fchnell über
die Stellung der katholifchen WilTenfchaft zu den Fragen der
neuteftamentlifchen Einleitung zu orientieren, wobei auch die mitgeteilten
Entfcheidungen der Bibelkommiffion intereffant find.
Über die Fragen felbft aber wird man nicht unterrichtet. Denn
die Angaben find von größter Knappheit, und alle ernftlichen
Auseinanderfetzungen fehlen. Auch die Literaturangaben find zu
dürftig und ohne genügende Charakteriftik. Für die WilTenfchaft
ift das Büchlein des fonft fehr verdienten Verf. bedeutungslos.

Breslau. Bultmann.
Gros, Prof. Otto: Charakter- und Zeitbilder aus dem religiöfen
Leben von Vergangenheit u. Gegenwart. (IV, 141 S.) 8°. Gießen
, E. Roth 1915. M. 1.50; geb. M. 1.60
Das Büchlein verdient bei den Religionspädagogen Beachtung
weil es für den in neuerer Zeit immer allgemeiner und dringlicher
geforderten kirchengefchichtlichen Unterricht auf der
Mittelftufe (Tertia), die fich bisher mit einem Bilde Luthers und
der Reformation begnügte, einen Leitfaden bietet, der erfte brauchbare
, der mir zu Geficht gekommen ift (abgerehen von dankenswerten
Anläufen innerhalb größerer ,Hilfsbücher').
Hannover-Kleefeld. Schulter.

Entgegnung.

So fehr es meinem innerften Wefen widerftrebt, mich in formalen
Streitigkeiten zu bewegen, kann ich es doch unmöglich
unterlaffen, gegen einige Äußerungen, die in der meiner ,Ge-
fchichte der altteftamentlichen Religion kritifch dargeltellt' gewidmeten
Rezenfion (Jahrg. 1916, Ift. 24, Sp. 507 ff.) enthalten
find, Proteft zu erheben.

1. Schon die Bemerkung über das auf dem Titelblatt flehende
,durchaus neubearbeitet' beruht auf einer übelwollenden
Auslegung. Denn ebendasfelbe Attribut ift fchon Hunderten von
neuen Auflagen gegeben worden und hat weder zu einer folchen