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Ausgabe:

1917

Spalte:

457-459

Autor/Hrsg.:

Wendland, Paul (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Hippolytus Werke 3. Bd.: Refutatio omnium haeresium 1917

Rezensent:

Bonwetsch, Gottlieb Nathanael

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457

liehe gnoftifche Formeln veranlaßt war, aber hier floffen
feine Quellen nicht.

Kiel. R- Schütz.

Hippolytus Werke. 3. Bd. Refutatio omnium haeresium.

Hrsg. im Auftrage der Kirchenväter-Commiffion der
Königl. Preußifchen Akademie der W iffenlchaften v.

D. Dr. Paul Wendland. (Die griechifchen chriftl.

Schriitfteller der elften drei Jahrhunderte. 26. Bd.)

(XXIV, 337 S.) Lex. 8°. Leipzig, J. C. Hinrichs 1916.

M. 16 — ; geb. M. 21 —

Eine wehmütige Freude ift es mir, diefe Ausgabe von
Hippolyts Refutatio omnium haeresium befprechen zu
düiten: eine wehmütige, weil ja der Herausgeber noch
vor der abfchließenden Vollendung feines Werkes abgerufen
wurde, nach langem, geduldig getragenen Leiden;
dennoch eine Freude, weil ich fo auch an diefer Stelle
ihm den Dank ausfprechen kann für felbftlofe, wertvolle Hilfe
bei allem, was ich an Philologifchem gearbeitet, wahrend
wir in Göttingen Kollegen waren, aber auch für die Dienfte,
die er, der Philologe, der theologifchen Wiffenfchaft in
fo reichem Maße geleiftet hat. Die letzte deutfehe Ausgabe
der Refutatio, auch in Göttingen hergeftellt, war ein
gemeinfames Werk des Theologen Duncker und des Philologen
Schneidewin. In P. Wendland waren Theologe
und Philologe vereint. Reitzenfteins Nachruf (Göttinger
.Nachrichten', Gefchäftl. Mitteilungen a. d. J. 1916 S. 70 ff.)
hat darauf hingewiefen, wie unter der Arbeit über die
Einwirkung der heileniftifch-römifchen Kultur auf das
Chriftentum die lachlichen Probleme ihn immer mehr fef-
felten und wie er fördernd in ihre Erkenntnis eingriff.
Durch diefe Vereinigung theologifcher bzw. kirchenhifto-
rifcher und philologifcher Ausrüftung war Wendland wie
wohl kein zweiter befähigt, der Aufgabe zu entfprechen,
die gerade Hippolyts Refutatio an den Herausgeber ftellt.
Es bedurtte hier neben den fprachlichen Vorausfetzungen
dafür auch der gleichzeitigen Beherrfchung der antik phi-
lofophilchen und der patriftifchen Literatur, fowie Kenntnis
alier fie betreffenden Arbeiten. Wendland hebt mit
Nachdruck die Dienfte hervor, die ihm für das erfte Buch
der Refutatio Diels Doxographi graeci, Berlin 1879, geleiftet
und die fie auch nach feiner eigenen Ausgabe
noch weiterhin leiften werden, indem fie die verwandte
doxographifche Literatur in ihrem ganzen Umfang vorführen
und durch ihre Einordnung von Hippolyts erftem
Buch in die Fmtwicklung diefer Literatur feine Textes-
konftitution und Verftändnis ficherftellen (S. XXIII).

Den wefentlichen Teil der Einleitung hat Wendland
noch in einem Entwurf fertigstellen können. Die Kirchenväter
-Commiffion der Berliner Akademie hat darauf
verzichtet, .daraus ein abgerundetes Ganze zu machen',
vielmehr nur die Angaben über die Handfchriften und
Drucke ergänzt. Man wird ihr Verfahren nur billigen
können. Ausgefchloffen wäre freilich durch die Grenzen,
die fie ihrem Verfahren gezogen, nicht gewefen, daß
z. B. ein Verzeichnis der Abkürzungen, die im Apparat
verwandt find, beigegeben worden wäre. Für den, der
fich eingehender mit ihm befchäftigt, ift er freilich entbehrlich
, aber die fchnelle Orientierung würde es erleichtern
; daß z. B. H im Apparat Hippolyt an den parallelen
Stellen bedeutet, dürfte nicht jedem, der gelegentlich
eine Stelle einzuteilen hat, fofort deutlich fein. Ein fehr
großes Verdienft um die Herausgabe hat fich C. Schmidt
dadurch erworben, daß er die Indices noch genau nachgeprüft
hat. Die Bürgfchaft für die Zuverläffigkeit der
Indices ift dadurch tatfächlich gegeben. Für die Vollftän-
digkeit könne fie freilich nicht geleiftet werden, wird
S. 294 erklärt. Aber auch in diefer Hinficht durfte
wohl wenig zu vermiffen fein; wenn z. B. zu diuäoxrj die
Stelle S. 240,26 zu vermiffen ift, fo will das wenig be-
lägen, die belangreicheren Stellen ftehen dort.

Erft durch Paris. Suppl. grec 464, eine Bombycin-
handfehrift des 14. Jahrhunderts, die Mynoid'es Mynas
nach Paris gebracht und auf Grund deren die Ausgabe
Emmanuel Millers 1851 erfolgte, find auch Buch IV bis
X des Werkes bekannt geworden. Bis dahin war nur
das eifte Buch überliefert, und zwar als ein Werk des
Origenes. Unter den vier Handfchriften des 14 bis 16.
Jahih.s, die es enthalten, gehören drei eng zufammen:
Laurent. IX, 32. Barberin. IV, 78, Ottobon. 194, im Unter-
fchied von dem leider verftümmelten und befchädigten
Taurin. ZI, 10. An dem ganzen Werk fehlen auch jetzt noch
Buch II, III und ein Teil von Buch IV, für deren Inhalt
wir auf das angewiefen find, was fich aus fonftigen Angaben
darüber bei Hippolyt erfchließen läßt. Buch I bis
IV hatte nach der Überfchrift und der Auslage von IX,
8,2 den Titel Philofophumena und bot nach der Vorrede
§ 8 und dem Schluß von Buch I eine Darftcllung der Lehren
der Philofophen, Myfterien und Aftrologen, aus denen Hippolyt
die häretifchen Lehren hergeleitet anfah; in B. II. III
waren die Myfterien, in B. IV, wie das davon Erhaltene zeigt,
die Sternentheorien behandelt. Hellenifche und barbarifche
Weisheit und Myfterien werden nicht gefchieden, fondern
nebeneinander behandelt. Wendland erklärt fich S. XVI f.
mit Recht gegen d'Ales, La theologie de Saint Hippolyte
(Paris 1906), daß unfer Buch IV auch B. II. III in fich befaffe.
In der Lücke zwifchen B. IV, 27 und 28 kann der Eingang
von B. III nicht geftanden haben, denn ,wo bleiben
Titel, xerpaXalmöiq, Proömium von IV?' —

Befonders wertvoll ift Wendlands Orientierung über
Hippolyts Quellen von Buch I; er kann dabei auf dem
j von Diels gelegten Grund weiter bauen. I, 1—4 find
| einer biographifchen Hauptquelle entnommen, die jünger
j ift als der für die chronologifchen Anfetzungen benutzte
! Apollodor (S. XVIII f.). I, 6—16 geht zurück, wie Diels
gezeigt hat, auf die 'Pvoixöjv dögai Theophrafts, obfehon
j die chronologifchen Notizen auch hier der biogra-
! phifchen Quelle entflammen. Die Quelle für I, 17 ff.
1 mit den Lehren des Piaton, Ariftoteles, der Stoa und des
Epikur bekundet eine Erweichung und Contamination
der Schullehren, Wendland fetzt fie daher mit Diels in
die nachchrift.iche Zeit an. Aus X, 5, 1, wo von den Lehren
der Hellenen, Ägypter, Chaldäer und Babylonier die
Rede ift, auf den Inhalt von Buch IL III über die Myfterien
Schlüffe zu ziehen, hält Wendland für möglich.
Buch IV ift C. 1—7 aus Sextus Emp. Adv. Math. V, 37 ff.
entnommen, C. 8—13 aus einem Timaios-Kommentar eines
Platonikers, C. 14 einem arithmetifchen, 15—27 einem aftro-
logiichen Traktat, 28—42 einem folchen gegen die
Magie; C. 43 f. bieten eine neupythagoreifche Zahlentheorie,
46—50 einen Arat-Traktat, durchfetzt mit chriftlichen
Umdeutungen der Sternbilder. Geiftig verarbeitet hat
Hippolyt nicht, was er aus feinen Vorlagen gefchöpft,
und einen ernftlichen Nachweis für die Abhängigkeit der
von ihm bekämpften Härefien von ihren angeblichen
Urbildern nicht unternommen.— Offenbar hat Wendland
auch eine Unterfuchung über die Quellen Hippolyts für
feine Schilderung der Härefien beabfichtigt. Wie wertvoll
wäre es gewefen, von ihm hierüber, wo noch foviel im
Dunkeln liegt, Belehrung zu empfangen! Aber im Apparat
ift die ganze ketzerbeftreitende Literatur der alten
Kirche herangezogen. F> bietet daher eine vollftändige
Überficht über alles, fowohl in den alten Quellen, wie in
Beiträgen in der neueren Literatur, was zur Orientierung
über die altchriftliche Gnofis dient. Ausgaben wie diefe
Wendlands und die des Panarion durch Holl — der
ebenfo wie E. Kloftermann und C. Schmidt auch die Korrektur
der Refutatio-Ausgabe mitgelefen — reichen heute
dem Forfcher auf diefem Gebiete in vorzüglicher Weife
das Material dar, deffen er bedarf, geben feiner Arbeit
eine fichere Grundlage und erleichtern fie in ganz anderem
Maße, als dies früher der Fall war. — Ift fo zur Beleuchtung
des Textes und für feine kirchenhiftorifche Verwertung
alles gefchehen, fo felbftverftändlich für Herftellung

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