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Ausgabe:

1917 Nr. 26

Spalte:

453-454

Autor/Hrsg.:

Fiebig, Paul

Titel/Untertitel:

Das Judentum von Jesus bis zur Gegenwart 1917

Rezensent:

Bischoff, Erich

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453

Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 26.

454

kurzes Kapitel (100 -1^3) handelt vom Verfall des Eides. ; jeweilige Stelle des Stückes im jiidifchen Gottesdienfte,
P. nennt zwei Faktoren, die hier zufammenwirken: das I über leinen allgemeinen Charakter und über bemerkens-
Schwinden der alten Weltaufchauung und die durch die werte Einzelheiten, über feine Entftehung und feine heutige
Praxis geförderte Entwicklung eines komplizierten Rechts- 1 Schätzung ufw. Der erfte und der zweite Teil der Schrift
fyftems (S. 190). Je zutreffender das ift, um fo mehr j (S. 1 —15; ich hätte fie Einleitung genannt) geben in ganz
bleibt der Wunfeh im Reft, der Verfaffer möchte auch kurzem Abriß die Hauptfachen über das Judentum von
fonft innerhalb des Ganzen feiner Arbeit der im engern j der Zerftörung Jerufalems (alfo nicht ,von Jefus') an bis
Sinne hi ftorifchen Entwickelung der Eidesvorftellungen
und der Eidespraxis mehr nachgegangen fein.

Zum Schluß noch ein paar Einzelheiten. Den S. 23 angerührten
Stellen wäre aus dem A. T. I Kön 19,9, S. 73: Dtn 2t|ä IT. hinzuzufügen
. S. 43 vermag die Verteidigung des MT Ez 3O5: .Söhne des gelobten
Landes = die in Ägypten wohnenden Juden' doch wenig zu befriedigen
. Sollte wirklich He:ekiel der jüdischen Diaspora, die es damals
in Ägypten allerdings fchon gab, den gleichen Untergang wie Ägyptens
heidniiehen Bewohnern gewünleht haben?— S. 75 f. bemerkt P. zur
Gefchichte 'Akans fehr fein, die Erzählung beruhe im letzten Grunde
auf eim r Moral, in der man nicht zwifchen fchädlich und fchuhlig
unterfcheide. — S. 81 f. verdienen die Ausführungen über den Sinn
von OST Beachtung. Aber daß das Wort keinen Affekt bezeichne,
würde ich z. B. angefichts einer Stelle wie Jer 1517, die offenbar ihre
belle Erklärung durch 6n erhält, nicht fagen. Ps 7,2 möchte ich
übrigens Matt EST biet, da das parallele p^X nach dem Sprauchgebrauch
des Plalters in bonam paitem gewendet ift, D5j xbl lefen (vgl. 1 Sam 2j
MT u. LXX). — Verwieren fei ferner auf die fprachlichen Bemerkungen
zu X"» (S. 113 Anm. 2), ins (S. 151), "Brä (S. 186 Anm. 2).— Zu
den Eiden bei den Göttern trage ich nach den Schwur ,bei den großen
Göttern und dem Schlangengott' auf dem fogenannten Caillou Michaux I 21,
dem Schlangengott als chthonifcher Gottheit, wie denn der Schwur bei
chthonilchen Göttern befonders heilig war (vgl. C. Frank, Studien zur
babylon. Religion 1911, S. 250). — Zum Verftändnis der S. 224 angeführten
arabixhen Fluchformel (ad p. 92) vgl. noch II Mak 412.—
S. 228 (ad p. 219) enthält eine vortreffliche Parallele zu Davids berüchtigtem
Teftament I Kön 28 Wo ift ftatt is zu lefen).

Man legt P.'s Erftlingsbuch nicht aus der Hand ohne
den Wunfeh, weitere Gaben des Verfaffers zu empfangen
Göttingen. Alfred Bertholet.

Fiebig, Lic. Paul: Das Judentum von Jefus bis zur Gegenwart
. (Religionsgefchichtl. Volksbb., II. Reihe, 21./22.
Heft.) (IV, 68 S.) 8». Tübingen, J. C. B. Mohr 1916.

M. 1 —; geb. M. 1.30
Wenn fchon eine genauere Kenntnis des römifch-

katholifchen Gottesdienftes felbft bei evangelifchen Theologen
und noch weit mehr bei evangelifchen Laien heute

vielfach fehlt, fo ift dies in ungleich höherem Grade hin-

fichtlich des jüdifchen Gottesdienftes, feiner Beftandteile,

heutigen Geftaltung und feiner gefchichtlichen Entwickelung
der Fall. Über den katholifchen Gottesdienft, deffen

Formen im Breviarium romanum feit 1568 und im Missale

romanum feit 1570 feftgelegt find, kann fich der prote-

ftantifche Fachmann mindeftens aus der Proteftantifchen

Real-Encyklopädie, der proteftantifche Laie bei einigem

Suchen aus volkstümlichen Brofchüren (z. B. Heydecke,

Die rechte chriftliche Gottes Verehrung, Braunfchweig 1893,

S. 34—42) unterrichten. Für die Kenntnis des jüdifchen

Gottesdienftes fehlte es bisher faft gänzlich an einer folchen,

nichtjüdifchen Kreifen leicht zugänglichen Aufklärung;

denn J. Elbogens Jf I9I7) an ucn brauchbares Buch:

,üer jüdifche Gottesdienft in feiner gefchichtlichen Entwickelung
' (Leipzig 1913) fetzt für den mit dem ganzen

Stoffe nicht bereits fachmännifch Vertrauten zuviel voraus

und ermangelt vor allem der jüdifchen Gebetstexte felbft,

die es ebenfalls als bekannt vorausfetzt. Die jüdifchen

Gebetbücher aber, welche diefe Texte (hebräifch, einige

auch mit deutfeher Überfetzung, Seligmanns Frankfurter

Gebetbuch von 1910 in moderner deutfeher Umdichtung)

enthalten, find chriftlichen Gelehrten und Laien nicht

nur fo gut wie unbekannt, fondern ohne Erläuterungen

auch wenig nütze. Da ift das praktifche Büchlein Fiebigs

tatfächlich eine fehr verdienftliche Pionierleiftung. Als

Titel (der jetzige führt leicht irre) hätte die Uberfchrift

des (S. 16—64 umfaffenden) 3. und Hauptteiles gewählt

werden follen: ,Die wichtigften Texte zum Verftändnis

des jüdifchen Gottesdienftes'. Dieije (25) Texte gibt F.

in eigener deutfeher Übertragung, häufig auch dazu die

Seligmannfche Umdichtung, mit Erläuterungen über die

zur Gegenwart und über die Entwickelung des jüdifchen
Gottesdienftes feit dem neuteftamentlichen Zeitalter, S. 9
bis 14 das Nötigfte über den heutigen jüdifchen Gottesdienft,
dem F., wenn auch nur in der kleinen Gothaer Synagoge,
perlönlich beizuwohnen Gelegenheit gehabt hat. Daß F.
Elbogens im ganzen zuverläffige Vorarbeit benutzt hat,
ift felbftverftändlich, läßt ihn aber gelegentlich jüdifchen
Vorurteilen folgen, z. B. hin fichtlich des Alters verfchiedener
Stücke. Weder er noch E. haben mein Urteil erfchüttert,
daß keines der angeführten jüdifchen .Gebete' (die mit
Ausnahme etwa von Nr. 5, 10—12, 15f., 20, 22, 25 Formeln
, Benediktionen oder Hymnen find), abgefehen von
den darin enthaltenen altteftamentlichen Stellen bis in Jefu
Zeit zurückreiche. Die zum Beweife des Gegenteils angeführten
Einzelftellen aus dem ,Achtzehngebete' (Sche-
moneh esreh) fetzen deutlich die Zerftörung Jerufalems
voraus; die Erwähnung der Opfer ift üblicher bildlicher
Ausdruck für das Gebetsopfer wie tp 119, 108.— Nicht
.Verleumdung', fondern Tatfache ift es, daß in dem (feit
etwa 1300 an den Schluß des täglichen Gebetes gefetzten)
Hymnus ,Alenu' die Stelle: ,denn fie beten das Nichtige
und Eitle (hebel wa-rik) an und flehen zu dem, der nicht
hilft (jofehia)' auf die Chriften und Chriftus bezogen
worden find. — Bei der am Eingange des Verföhnungs-
tages noch heute üblichen Formel (nicht Gebet) ,Kol nidre'
konnte kritifch erwähnt werden, daß diefe Selbftauflöfung
aller im kommenden Jahre geleifteten Gelübde (ein folches
ift nach der talmudifchen Eideslehre auch der promif-
forifche Eid) im Widerfpruche mit der rabbinifchen Lehre
von der Auflöfung der Gelübde fteht, fowie, daß noch
im Jahre 1909 der .Zentralverein der deutfehen Staatsbürger
jüdifchen Glaubens' die kuriofe Meinung vor Gericht
vertreten hat, ,Kol nidre' fei erfunden worden, um
gewiffe, von fpanifchen chriftlichen Behörden jüdifchen
Scheinchriften auferlegte Eide für das Gewiffen der
Schwörenden und für ihre jüdifchen Genoffen unverbindlich
zu machen! (Eingabe des .Zentralvereins' an die
Kgl. Staatsanwaltfchaft zu Berlin vom 11. Oktober 1909.)

— Zum ,Kappore Schlagen', diefem noch heute bei Altjuden
üblichen ftellvertretenden Hahnenopfer am Ver-
föhnungstage (S. 13), vgl. die Gießener Differtation von
Ifidor Scheftelowitz, Das ftellvertretende Huhnopfer (1914).

— Die Habdalah (S. 13) gehört zum häuslichen Sab-
batgottesdienfte. Der Segensfpruch über den Wein in
der Synagoge am Sabbateingange (S. 15), fonft nur bei
häuslicher Mahlzeit üblich, gefchah und gefchieht wohl,
weil die Synagogen alter Art zugleich Herbergen für
fremde Juden (.orchim') waren und im Often noch find.

— In einem Anhange hätten die hebräifchen Texte, wenn
auch in ganz kleiner, unvokalifierter Schrift, gegeben werden
follen. In einer Neuauflage werden manche Überfet-
zungen und eine Reihe von Einzelheiten zu verbeffern fein,
die des Raumes wegen hier nicht erwähnt werden können
. Als erftes gemeinverftändliches und bei aller Knappheit
über das Wichtigfte unterrichtendes nichtjüdifches
modernes Buch auf diefem Gebiete ift die Arbeit des
zurzeit als Militärpfarrer wirkenden Verf. jedenfalls ein
verdienftliches Beginnen.

Leipzig. Erich Bifchoff.

Der Streit zwilchen A. v. Harnack und R. Reitzenftein
über die Formel
.Glaube, Liebe, Hoffnung' 1. Kor. 13,13.

Gegen Harnacks Fefthalten an dem paulinifchen Ur-
fprung der Formel (Preuß. Jahrbb. 164 [1916], 1—14;