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1917 Nr. 1

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12

Titel/Untertitel:

Deutschland als Kolonialmacht. 30 Jahre deutsche Kolonialgeschichte 1917

Rezensent:

Mirbt, Carl

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 1.

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ftätigung dafür. Und es folgt erftaunlich viel. Ein '
außerordentlich reiches Werk breitet der noch nicht 55-
jährige, wenn auch widerwillig, durch feinen Biographen J
vor uns aus.

Das andere aber, was uns nun neben dem Reichtum
an Schöpfungen feiner Phantafie und feiner Hand feffelt, I
ift die merkwürdige künftlerifche Ebenbürtigkeit der
älteren Werke gegenüber denen der fpäteren Jahre; denn j
ich wüßte nicht, wie man in dem herrlichen betenden
Mädchen vom Jahre 1891, das den Künftler bekannt ge- I
macht hat, oder in der noch zwei Jahre früher entftan-
denen Rahel, die ihre Kinder beweint, nicht Leiftungen
fehen dürfte, die in Reife der Kompofition, in der Tiefe
der Empfindung und in der Vollendung der Technik
wetteifern etwa mit einer Pieta oder einer Mutter Gottes
vom Jahre 1913.

Nicht alles felbftverftändlich fteht bei unferem Meifter j
auf gleicher Höhe. So ift gewiß weniger gelungen der,
trotz Doering, füßliche St. Antonius 1899, anderes wie
die Madonna 1904, fo fchön fie ift, allzu gotifierend, wie
überhaupt Bufch da und dort mehr oder weniger enge,
der Tradition gehorchende Anlehnung an Form und Art
der Vergangenheit, der Romanik und Gotik wie des Barock
, verrät. Trotzdem ift nichts, was nicht felbftändig
durchdacht und ausgeprägt wäre und nicht Zeugnis ablegte
davon, daß in Bufch die katholifche Kirche, deren
eifriger Jünger er als Menfch ift, einen Meifter hat, auf
den ftolz zu fein fie, aber auch die deutfche Kunft überhaupt
allen Grund hat.

Bufch ift fowohl Holzfchnitzer wie Bildhauer, in
beidem immer nur und durchaus Plaftiker, in deffen Arbeiten
und Formen das Malerifche keinerlei Raum hat.
Auf die Holzfchnitzerei wie die Bildhauerei und den
Bronzeguß verteilen fich denn auch die Werke, in denen
ich die eigentlichen Perlen feiner Arbeit nach den vorliegenden
Abbildungen erkennen möchte; ich rechne
dahin, neben dem fchon genannten betenden Mädchen,
deffen Marmororiginal in dem Kinderafyl zu München
fteht, während eine Replik in Holz von der Nationalgalerie
zu Berlin erworben und eine dritte (Marmor-)
Wiederholung nach Barcelona gekommen ift, das wundervolle
Friedensdenkmal in Groß-Steinheim 1911, deffen
prächtige Pax, eine jugendliche weibliche Figur in gegürteter
Tunika und Sandalen mit dem Ölzweig, wahrhaft
klaffifche Anmut atmet, und den momumental-
gefchauten und doch der tiefen Innerlichkeit nicht entbehrenden
Leichenzug Chrifti 1912.

Gigantifches, das alle Feffeln fprengen will, finden
wir bei Bufch jedoch nie; umgekehrt liegt alles Kleinliche
feiner Kunft ebenfo fern.

Nur andeuten möchte ich, daß B. außer den bezeichneten
Werken außerordentlich Liebliches gefchaffen hat
in einzelnen feiner Madonnen, ganz Entzückendes in einzelnen
Kinderfiguren, Starkes und Bedeutendes in feinen
Grabmälern und in feinen Grabbildniffen (von Bi-
fchöfen u. a.).

Ausdrücklich aber foll betont werden, daß Bufch,
unbefchadet feiner an fich ftreng katholifchen Gefinnung,
gerade in manchen beften feiner Arbeiten nicht fpezififch
Katholifches, fondern Gemeinchriftlicb.es zuftande gebracht
hat, an dem fich die Glieder aller Konfeffionen
gleichermaßen erheben und erbauen können: ich ver-
weife noch einmal auf fein betendes Mädchen oder auf
das Begräbnis Chrifti oder auch auf fein Friedensdenkmal
, das über das Kirchliche überhaupt hinausgreift.

Georg Bufch hat, wie als fchaffender Meifter, fich
auch als Organifator um die chriftliche Kunft aufs höchfte
verdient gemacht. Er hat, 23jährig, den Albrecht Dürer-
Verein gegründet als Künftlerparallele zu den katholifchen
Studentenverbindungen, er hat 1893 die rührige
deutfche Gefellfchaft für chriftliche Kunft und 1900 die
Gefellfchaft für chriftliche Kunft G. m. b. H. ins Leben
gerufen, auf ihn gehen endlich zurück die Monographieen |

der ,Kunft dem Volke'. Sein Ziel bei feinen verfchiedenen
Unternehmungen für die Hebung der chriftlichen Kunft
ift — dies fein eigenes Wort — ,eine neue innige Verbindung
der Kunft mit der Kirche, der Künftler mit den
Theologen, fo wie es in den Glanzperioden der chriftlichen
Kunft war. Nur im Zufammenwirken diefer zwei
Faktoren kann eine neue große chriftliche Kunft mit dem
Empfinden und den Ausdrucksweifen unferer Zeit ent-
ftehen, und fie wird fich um fo beffer entfalten, je mehr
fich jene beiden fchätzen und verliehen leimen' (15). Der
Erfolg diefer Bemühungen und Gründungen liegt auf ka-
tholifcher Seite am Tage.

Von Bufch als Künftler aber darf nach Maßgabe des
bisher Geleifteten noch viel Edles und Großes erhofft
und erwartet werden.

Berlin. Georg Stuhlfauth.

Deutfchland als Kolonialmacht. 30 Jahre deutfche Kolonial-
gefchichte. Hrsg. vom Kaifer-Wilhelm-Dank, Verein
der Soldatenfreunde. (XV, 399 S. m. 580 Abbildgn.
u. 11 Karten.) gr. 8°. Berlin, Kameradfchaft (1916).

Geb. M. S —

Zu diefem gediegenen Sammelwerk, das dazu be-
ftimmt ift, die Entwicklung und Ergebniffe der deutfchen
kolonialen Arbeit in den erften 30 Jahren ihres Beftehens
in gemeinverftändlicher Form zur Darftellung zu bringen,
haben zahlreiche Kolonialfchriftfteller Beiträge geliefert,
die auf draußen gewonnenen Beobachtungen und Studien
ruhen. Eine lehrreiche klare Überficht über die rechtlichen
Grundlagen der kolonialen Verwaltung und die
Verwaltungs- und Gerichtsorganifation aus der fachkundigen
Feder von J. Gerftmeyer macht den Anfang, über
die Organifation und die Aufgaben der Kolonialtruppen
handelt Gouverneur a. D. Leutwein, dann werden in der
Anordnung: natürliche Verhältniffe, Erwerb und Behauptung
, Entwicklung und Entwicklungsausfichten die einzelnen
Schutzgebiete gefchildert, — Deutfch-Oftafrika
von H. Zache, Deutfcb-Südweftafrika von K. Schwabe,
Kamerun von Langheld, Togo von Smend, Die deutfchen
Kolonien der Südfee von R. Deeken, Kiautfchou
von F. Leutwein — darauf finden einige Ausfchnitte der
praktifchen Kolonialpolitik eine zufammenfaffendeBehandlung
: die Marine im Kolonialdienft, das Verkehrswefen,
die wichtigften Kolonialprodukte und ihre Bedeutung für
Mutterland und Weltmarkt, während auffallenderweife der
Grundfrage aller kolonial politifchen Betätigung: der Eingeborenenbehandlung
kein befonderes Kapitel gewidmet
wird. Den Abfchluß bildet zweckmäßig eine längere
Ausführung über Kolonialpolitik und Weltmachtftellung.

In diefer Zeitfchrift auf diefes Buch hinzuweifen, veranlaßt
das von Schmidlin über das chriftliche Miffions-
wefen erftattete Referat. Wir erhalten einen Überblick
über die Entwicklung und den Stand der katholifchen
und evangelifchen Miffionen, über ihr Schulwefen und
ihre literarifchen Arbeiten, über ihr fozial-caritatives Wirken
und über das Chriftianifierungswerk der katholifchen
und evangelifchen Miffionsgefellfchaften. Was auf knappem
Raum gefagt werden konnte, wird gefagt, die tatsächlichen
Angaben find zuverläffig, auch ift der Verfaffer
offenbar um möglichft objektive Charakteriftik der Kolo-
nialmiffionen bemüht. Aber es finden fich doch mancherlei
fchiefe und unzutreffende Urteile über die evangelifche
Miffion, die es bedauern laffen, daß in einem Werk, das
für eine weite Verbreitung beftimmt ift und eine folche
auch verdient, die Darftellung der Miffionen beider Konfeffionen
in diefelbe Hand gelegt war.

Göttingen. Carl Mirbt.

Die Arbeiterfchaft im neuen Deutichland. Hrsg. v. Erdr.
Thimme u. Carl Legien. (VI, 232 S.) gr. 8°. Leipzig
S. Hirzel 1915. M. 2 —