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Ausgabe:

1917

Spalte:

381-383

Autor/Hrsg.:

Scheel, Otto (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Dokumente zu Luthers Entwicklung (bis 1519). Register und Nachträge 1917

Rezensent:

Kawerau, Gustav

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Theologifche Literaturzeitung 19T7 Nr. 20/21.

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gekauft, noch weniger gedruckt; ihre Verleger ftürzten
fich fofort auf den Vertrieb der Lutherbibel, auch ein
Zeugnis der Gefchichte für unfere deutfche Volksbibel.
Zu ihrer gefchichtlichen Würdigung hat Walther in feiner
objektiven gefchichtlichen Darlegung einen wertvollen Beitrag
geliefert.

Landau (Pfalz). Ad. Rifch.

Brieger, Thdr.: Martin Luther und wir. Das reformator.
Chriftentum Luthers feinen Kernpunkten nach darge-
ftellt. (Vorwort v. Bernh. Beß.) (VII, 106 S.) 8°.
Gotha, F. A. Perthes 1916. M. 2 —

Conrad, Geh. Konf.-Rat Dr.: Die Reformation und das deutfche
Volk. Feftfchrift zur Jahrhundertfeier der Reformation
im Auftrage des Deutfchen Evangelifchen
Kirchenausfchuffes verf. (III, 90 S. m. 1 färb. Bildnis.)
gr. 8°. Berlin, E. S. Mittler & Sohn 1917. M. 1 —

Walther, Geh. Konf.-Rat Prof. D. Wilh.: Luthers deutfche
Bibel. Feftfchrift zur Jahrhundertfeier der Reformation
, im Auftrage des Deutfchen Evangel. Kirchenaus-
fchuffes verf. (VI, 218 S. m. 4 Bildertafeln.) 8«. Berlin,
E. S. Mittler & Sohn 1917. 3.50; geb. M. 4.50

Dokumente zu Luthers Entwicklung (bis 1519). Hrsg. v.
Prof. D. Otto Scheel. Regifter u. Nachträge. (Sammlung
ausgewählter kirchen- u. dogmengefchichtl. Quel-
lenfchriften, II. Reihe. 9. Heft.) (12 S.) 8°. Tübingen
, J. C. B. Mohr 1917. M. — 20

1. In ,M. Luther und wir' haben wir eine Gabe aus der
Hinterlaffenfchaft D. Th. Briegers vor uns, und zwar
eine überaus dankenswerte. Ober Luthers Chriftentum
hatte er eine Vorlefung mehrfach vor Studenten gehalten
in der dafür geeigneten Form. Er hatte aber auch im
Herbft 1912 auf einem theolog. Fortbildungs-Lehrgang
für Volksfchullehrer in 6 Vorträgen die Hauptgedanken,
entkleidet des gelehrten Apparates, dielen vorgetragen
und dann diefe kürzere Arbeit faft druckfertig gemacht.
Die Arbeit des Herausgebers B. Beß befchränkt fich darauf
, das im Vortrag aus Zeitmangel fortgefallene Kapitel
über Luthers Lehre von der Kirche aus der Vorlefung
für Studenten hineinzuarbeiten. Außerdem hat er
in Anmerkungen am Schluß nach Briegers Wunfeh die
wichtigften Belegftellen aus Luthers Schriften hinzugefügt
. Es handelt fich alfo hier nicht um eine nach allen
Seiten ausgeführte .Theologie' L.s, fondern nur um die
reformatorifchen Kerngedanken, nämlich Glaube, Wort
Gottes und Kirche, alfo das bahnbrechend Neue in feiner
Gedankenwelt. Uberall handelt es fich darum, diefe
neuen reformatorifchen Gedanken in ihrer prinzipiellen
Klarheit aufzuweiten; zugleich aber gewinnt Brieger damit
den Maßftab, um gelegentliche fpätere Trübungen und
Verdunklungen, naive Rückfälle in den kathol. Standpunkt
bei Luther zu erkennen und zu beurteilen. Zugleich
kann der Lefer erfehen, in wie erheblichen Punkten
die alte Orthodoxie — fchon von Melanchthon an —
hinter Luthers Glaubensgedanken zurückgeblieben und wie
fehr unfre Gemeindeorthodoxie im Verftändnis Luthers
rückftändig ift. .Heute, nach 400 Jahren, ift das große
Erbe erft zum kleinften Teil angetreten, hat, fo reich auch
bereits feine Segnungen fein mögen, doch ihr Strom erft
angefangen, feine Gevväffer über das dürftige Land zu ergießen
' — S. 97 ift .bekommen' zu verbeffern in .bekommern
.' (bekümmern).

2. Der Deutfche Evangelifche Kirchenausfchuß hatte
zum Reformations-Jubiläum zwei Feftfchriften in Auftrag
gegeben. Die eine zur Verbreitung in weiteften Kreifen,
namentlich auch als Gabe an Konfirmanden und ältere
Schüler geeignete, follte in großen Zügen die religiöfe
und nationale Bedeutung der Reformation darfteilen.

Für diefe Aufgabe wurde Geh. Konfiftorialrat Dr. Conrad
in Berlin gewonnen: ,Die Reformation und das deutfche
Volk'. Der als gefeierter Kanzelredner und Erbauungs-
fchriftfteller weithin bekannte Verfaffer zeigt fich hier als
ein Mann von gediegener kirchengefchichtlicher Bildung
, dem es gelingt, in feiner wirkungsvollen Sprache
I die Wandlungen und den Ertrag von 400 Jahren Gefchichte
des Proteftantismus ohne die theologifchen Termini zu
fchildern. Freilich fetzt feine Schrift Lefer mit einer ge-
wiffen gefchichtlichen Bildung und höheren geiftigen In-
tereffen voraus; die Schüler, denen man fie in die Hand
geben kann, werden demgemäß zu wählen fein. Er be-
j ginnt mit dem Werden des Reformators und feines Wer-
I kes bis zum Wormfer Reichstag. Dann ftellt er beide
Zweige der Reformation, lutherifch und reformiert, in ihrer
Eigenart, ihren Unterfchieden, ihrer Entzweiung dar. Das
3. Kapitel führt die äußere Gefchichte des deutfchen
Proteftantismus bis zum Ausgang des 30jährigen Krieges
j und bis zum Übergang der Führerfchaft an Brandenburg-
| Preußen vor Augen. Dann folgt das Schwierigfte: der
innere Gang der evangelifchen Kirche in Deutfchland
j durch Orthodoxismus, Pietismus, Aufklärung bis zum
Durchbruch moderner Weltanfchauung, aber auch bis
1 zu der daneben gehenden Kräfteentfaltung der innerlich
1 erftarkten evangelifchen Frömmigkeit hindurch. Daß er
hier bei der alten Orthodoxie und dem Pietismus die Lichtfeiten
voranftellt, aber doch ohne die Mängel zu verfchwei-
gen, bei der Aufklärung das umgekehrte Verfahren beobachtet
, ift als das perfönliche Werturteil des Verf.s
zu verftehen. Dann folgen noch Abfchnitte über das religiöfe
Erbe der Reformation und über die nationale Bedeutung
Luthers (L. der Deutfche). Ein kurzer Ausblick
auf unfre Reformationsjubelfeier bildet den Abfchluß.
Eine gedankenreiche, viel Anregungen bietende Arbeit
mit fichtlichem Streben nach Gerechtigkeit des Urteils.
— S. 61 liegt in dem Satz ,Erft die Aufklärung und der
Pietismus hatten die konfeffionellen Schranken niedergelegt
' eine Verfchiebung der Priorität vor. Ebenfo ift zu
S. 62 zu bemerken, daß Naffau in der Unionsfache nicht
Preußen folgte, fondern um mehrere Monate voranging
. vgh Synode zu Idftein 5. Auguft 1817. — Eine
wohlgelungene farbige Wiedergabe des Lutherporträts
des jüngeren L. Cranach von 1540 fchmückt die anziehende
Arbeit.

3. Die andre in Ausficht genommene Arbeit follte auf
Grund ftrenger gefchichtlicherForfchungdas demKreife der
Gebildeten vorführen, was wir gegenwärtig über die Gefchichte
der Bibelüberfetzung Luthers, ihre Eigenart und
ihren Wert und ihre Bedeutung für unferVolkzu lagen wiffen.
Hierfür wäre kaum ein beffer gerüfteter Theologe zu finden
gewefen als Wilh. Walther in Roftock. Nicht nur daß
die Gründlichkeit feiner Arbeitsweife und die Beherrfchung
des Materials, fowohl der mittelalterlichen als der
mit Luther rivalifierenden katholifchen Überfetzungen der
Reformationszeit, und feine eignen früheren Arbeiten zu
Luthers Überfetzung ihn dazu legitimierten, fondern auch
die beneidenswerte Klarheit, mit der er auch der Forfch-
ung felbft Fernftehenden den Gegenft.nd nahe zu rücken
und fie dafür zu intereffieren weiß. So ift ein ganz außerordentlich
dankenswertes Buch entftanden. Erwägt
man, wie viel gerade die mühfame gelehrte Arbeit auf
diefem Gebiete in den letzten Jahren an neuem Material
herbeigebracht hatte (vgl. z.B. die bisher erfchienenenBände
der Weimarer Ausgabe zur Bibel), fo wird gerade der Theologe
erfreut fein, jetzt eine Arbeit zu wiffen, die ihm ein
zuverläffiger Führer auf diefem Gebiete fein kann. Nach
einer Uberficht über die deutfche Bibel im Mittelalter
(S. 8—30), führt W. uns in Luthers Arbeit hinein, indem
er zunächft von feinen Beweggründen und feiner fprach-
lichen Ausrüftung zur Arbeit handelt (S. 31—54). Darauf
folgt die Darfteilung der Arbeit Luthers an der
Überfetzung und zu ihrer Revifion felbft (S. 55—85).
Ein Kapitel, in dem W. feine eigenen Forfchungen (vgl.