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Ausgabe:

1917

Spalte:

8

Autor/Hrsg.:

Doelle, Ferd.

Titel/Untertitel:

Reformtätigkeit des Provinzials Ludwig Henning in der sächsischen Franziskanerprovinz (1507-1515) 1917

Rezensent:

Lempp, Eduard

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 1.

gefunden zu haben. Von hier aus gewann auch die Natur ! Kapitelsbezirk fiegelfähig waren. Confinium Halenfe S. 24
ihren Wert. Ihr relativer Wert war nur möglich durch i ift die Umgegend von Hall mit ihren Pfarrern, die das
diefe Beziehung auf den abfoluten Wert. Die Religiofität Begräbnis der Haller Minoriten fchmerzlich empfanden,
und die bunte Vielfalt ihrer Frömmigkeitsideale färben : darunter der im benachbarten Kupferzell, nicht im ent-
die Natur, die wohl immer (und vor allem von den Groß- ' legenen Bühlerzell. Sendgericht wurde ebenfowenig in
ten des Mittelalters) als Schöpfung Gottes gepriefen | den einzelnen Pfarreien gehalten als jährliche Vifitationen

wurde. Die Naturflucht oder die ,teuflifche Natur' ift
eine Sondererfcheinung und fällt aus dem gleichmäßigen
Stil. Im Mittelalter gelten die .Wahrheiten' der Natur
als auffindbar, vorausgefetzt, daß man fleh der Autorität

Die Pfarrer mußten zu beiden an beftimmten Orten er-
fcheinen. Vgl. W. Gefch. Q. 1,407; Mützel, Acta S. Lamberti
in Hengftfeld § 15, Z. H, W. Franken 10, 197. Bl. f. w.
K. G. 1901, 103. Nach dem Tridenter Konzil wurde im

des göttlichen Wortes nicht verfchloß und fleh nicht von | Bistum Konftanz die erfte Vifitation durch Umfrage bei
ihr entfernte, und daß man daran fefthielt, Wiffen und den Dekanen 15746"., und erft 1581 durch befondere
Glauben, Philofophie und Theologie feien dasfelbe. Die j Vifitationen in jeder Pfarrei gehalten. (Vgl. Bl. f. w. K.
Erde fleht nach diefer Weltanfchauung völlig unter der j G. 1891, 1 ff). Zur grundlegenden Vifitation in Württem-
Gewalt des Jenfeits und zwar in allen Fragen. Das gött- berg 1535 ff. und in Hohenlohe 1556 berief man Pfarrer
liehe Wort durchwirkt alles und eine gefetzgebende Ge- | und Vertreter der Gemeinde in die Amtsftädte (Schnei-
walt leitet alles. Aus diefer Welt flieg das dem Mittelalter
eigenartige Naturempfinden herauf) das fleh vielfach
in fpätantiken Ausdrucksformen feine Sprache fchuf.
Umbildungen von Heidnifchem ins Chriftliche gingen mit
diefer Entwickelung gleichzeitig vor fleh. Die Antike
dient, fo wie in der Philofophie, zur Rationalifierung der
mittelalterlich - chriftlichen Uberzeugung. Daraus ergibt
fleh, wie gefagt, ein befonderer Stil. Mit großer Gründlichkeit
hat Ganzenmüller das mittelalterliche Schrifttum

der, W. Ref.-G. S. 42. W. Vierteljh. 1880, 159 ff). Uber
die Abgabe an Bischof und Archidiakon vgl. Bl. f. w. K.
G. 1901, 103. Roßtal ift bei Michael de)Leone verfchrie-
ben für Roßfeld. Entftellt ift z. B. 61, 98 Gregorii ftatt
Georgii, S. 50 Ganertingen, Ebbingen.

Stuttgart. G. Boffert.

in feinen verfchiedenen Erfcheinungen kritifch unterfucht |

Doelle, Pat. Dr. Ferd., O. F. M.: Reformtätigkeit des Pro-

ünd^eine '^^a^GO^^^^ISs^^ ! vinzials Ludwi9 Hennin9 in der ,achfifchen Franziskaner-
Zeit gefchaffen. provinz (1507—1515). (Franziskanifche Studien. 3. BeiWien
Franz Strunz heft) (XV- I04 S0 Sr- 8°- Münfter, Afchendorff 1915.

M. 2.80

Es ift immer wertvoll, wenn wir von Reformbe-
ftrebungen in der katholifchen Kirche Deutfchlands vor
dem Auftreten Luthers genauere Einzelfchilderungen
bekommen. Solche bieten die von D. zum Abdruck gebrachten
chronikalifchen Aufzeichnungen des Sekretärs
des Franziskanerprovinzials Henning, die aus dem
Klofter Ribnitz in Mecklenburg flammen, und D. hat
über die Reformbemühungen Hennings in den Franzis-

Krieg, Priv.-Doz. DD. Julius: Die Landkapitel im Bistum
Wiirzburg bis zum Ende des 14. Jahrh., unter Benutzg.
ungedruckter Urkunden u. Akten dargeftellt. (Veröffentlichungen
der Sekt. f. Rechts- u. Sozialwiff. der
Görres-Gefellfch. 28. Pleft.) (XIII, 136 S.) gr. 8°.
Paderborn, F. Schöningh. M. 4.80

Rafch läßt Krieg dem .Kampf der Bifchöfe gegen die
Archidiakone im Bistum Würzburg', was im wefentlichen
Gefchichte der dortigen Archidiakonate ift (K. R. Abh.
ed. Stutz H. 82), die Gefchichte der dortigen Landkapitel,
leider nur bis Ende des 13. Jahrh. ftatt bis zur Reformation
, folgen und doch muß er vielfach ins 14. Jahrh.
übergreifen. Raum hätte eine gedrängtere Darfteilung
ohne Wiederholungen und ohne die fchon gedruckten
Urkunden gewährt. Willkommen ift die urkundliche Feft-
ftellung der Archidiakonate und Dekanate, des dreifachen
Begriffs von Dekanat und Kapitel, der Rechte und Pflichten
der Dekane, Kämmerer und Prokuratoren, die Mitteilungen
aus Kapitelftatuten und des wichtigen Stücks
des Steuerregifters von 1285/86, dem Ergänzung durch
weitere Funde zu wünfehen ift. Aber es bleibt noch viel
zu tun übrig. Ein einfchlagender Zufammenhang mit der
Karolingerzeit und die Entftehung der Archidiakonate
und Dekanate im 10. Jahrh. find für Würzburg urkundlich
nicht nachweisbar. Auch die Schenkungsbücher von
Lorfch, Fulda, Weißenburg (Württb. Gefch. Q. 2) und
Hirfau kennen für Württemberg und wohl auch anderwärts
nur Presbyter und Kleriker, keine Archidiakone
und Dekane. Das Verhältnis zu den Gaugraffchaften hat
Krieg nicht unterfucht, und doch deckt fleh z. B. das
vierte Archidiakonat mit den Kapiteln Crailsheim, Hall,
Künzelsau ziemlich genau mit dem Maulach- und Kochergau
. Es ift alfo wohl ums Jahr 1024 entftanden, als
beide unter einem Grafenhaus ftanden. Die Abhandlungen
des Ref. über die Urpfarreien in Württemberg
(Bl. f. w. K. G. 1886 ff.) hat Krieg nicht gekannt noch be^
nützt, und doch ift dort z. B. die urfprüngliche Einheit
der Kapitel Vaihingen und Groningen (S. 11) und Hall
und Künzelsau nachgewiefen (a.a.O. 1886, 73.1888, 41).
Betreffend das Kapitelfiegel von Hall gilt, daß nur Per-
fonen, nicht Orte, alfo die Kapitelgeiftlichkeit, nicht der

kanerklöftern und insbefondere in dem Klariffenklofter
in Breslau eine abgerundete Darftellung beigefügt. D.
glaubt, aus diefen Darlegungen und Aufzeichnungen gehe
hervor, ,daß in der ausgedehnten fächflfehen Provinz,
wenn wir von der Einführung der Obfervanz abfehen,
in keiner Zeit fo große und andauernde Anftrengungen
zu einer gründlichen Erneuerung des religiöfen Lebens
gemacht worden find, wie gerade unmittelbar vor dem
Auftreten Luthers'. Aber mit welchen Mitteln wurde
die gründliche Erneuerung des religiöfen Lebens er-
ftrebtf Um was handelte es fich bei den Reformbe-
ftrebungen. wie wurden fie durchgeführt oder vereitelt?
Man darf glauben, daß das Ziel Hennings eine ftrengere
Beobachtung der Regel im Franziskanerorden war, vielleicht
auch eine Vereinigung der Obfervanten und Kon-
ventualen ähnlich dem, was in der Constitutio Martiniana
erftrebt war. In Wirklichkeit aber wurde in den
Klöftern, die reformiert werden follten und wurden, um
viel kleinere Dinge gekämpft, darum, ob ein fchwarzes
oder graues Gewand getragen, ob Franziskaner in der
Klariffenkirche die Meffe fingen, ob vergoldete Meffer
benutzt werden dürfen u. dgl. Und daß Henning fchließ-
lich in den wiederholten Klagen und Gegenklagen, die
bis zum Papft hinaufgingen, unterlag, kam offenbar daher,
daß die Abtiffin des Breslauer Klariffenklofters, gegen
die er kämpfte, eine fchlefifche Herzogin war. Daß auf
diefe Weife ,eine gründliche Erneuerung des religiöfen
Lebens' nicht zuftande kommt, ift ebenfo wenig verwunderlich
wie das, daß die Mitglieder des Klariffenklofters
in Breslau die erften waren, die fich der Reformation
Luthers anfchloffen oder, wie D. fagt, fich mit Mönchen
verheirateten.

Stuttgart. Lempp.