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Ausgabe:

1917

Spalte:

362

Autor/Hrsg.:

Schroeder, Otto

Titel/Untertitel:

Das Pantheon der Stadt Uruk in der Seleukidenzeit auf Grund von Götterlisten und theophoren Personennamen in Kontrakten dieser Zeit 1917

Rezensent:

Meissner, Bruno

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3Ö2

Menfchen herab verfolgt wird, berührt fich die neue Konftruktion fo
ftark mit Schellings Gedanken, daß wohl ein irgendwie vermittelter Zu-
iammenhang angenommen werden muß; zugleich aber fteht fie in wichtigen
Punkten mit neueften phyfikalilchen Einfichten und Theorien in
Zufammenhang. Wer Mut und Neigung hat, auch unbetretene Pfade zu
befchreiten und an einer kühnen Konftruktion Preude hat, auch wenn fie
gelegentlich auf Einfälle fich aufbaut, dem kann die frifch und anregend
gefchriebene Schrift etwas bieten.

Über das Grundproblem der Materie orientiert in
lichtvoller DarftellungSvedberg12, indem er den Wandel
der Vorftellungen von den ionifchen Naturphilofophen
an über Alchemie und Jatrochemie hin bis zum Ende des
19. Jahrhunderts und zu den neueften Entdeckungen verfolgt
Er hat damit nicht nur einen kulturgefchichtlichen
Stoff von großem Intereffe einem großen Leferkreife zugänglich
gemacht, fondern auch die wichtigen Ergebniffe,
welche die wiffenfchaftliche Theorie zur Löfung eines
naturphilofophifchen Problems von großer Tragweite beizusteuern
vermag, in allgemeinverständlicher Form und
in gefchichtlichem Zufammenhange vorgeführt. Während
die frühere Lehre von den Grundftoffen durch den freiwilligen
Zerfall der radioaktivenElemente modifiziert wurde
und felbft Lavoifiers Gefetz von der Erhaltung der Maffe
gegenüber den Elektronen vertagte, deren Maffe mit der
Schnelligkeit der Bewegung wächft find Atom und Molekularbewegung
aus Gegenständen reiner Theorie zu
experimentell zugänglichen Größen geworden.

Eine ausgezeichnete Ergänzung vom phyfikalifchen Ge-
fichtspunkte aus erfahren diefe Ausführungen durch den
Vortrag vonLenard13, einem unterer erfitenForfcher. Seine
Bemühungen gelten einem finnlich anfchaulichen, mechanischen
Modell des Äthers; dabei gilt es vor allem die Schwierigkeiten
zu befeitigen, die aus der Diskrepanz der Max-
wellfchen elektrodynamifchen Gleichungen und der rechnungsmäßigen
Konfequenzen des hypothetifchen Äthermechanismus
erwachfen. Die Löfung wird in der Annahme
diskontinuierlich verteilter Ätherwirbelfäden (elektrifcher
Kraftlinien) gefunden, deren Änderung zu Strömungslinien
imagnetifchen Kraftlinien) führt, während die inneren Bewegungen
des Äthers, welche die Fortbewegung jener
Wirbel und Strömungen bewirken, mit Lichtgefchwindigkeit
vor fich gehen. Die Quantentheorie will L. mit deründula-
tionstheorie verbunden wiffen. Auch die Atome der wägbaren
Materie denkt er aus kleinfiten Kraftfeldern (Dyna-
miden) befitehend, deren Zentren für gefchleuderte negative
Elektrizität (wie Kathodenftrahlen) undurchdringlich
find. Sämtliche Ätome beliehen aus beiden Elektrizitäten,
und alle Kräfte, z. B. auch die chemifchen, ebenfo die
in der Kriftallifation wirkfamen, find elektrifche. Schließlich
wird auch das Relativitätsprinzip und die damit für
das mechanifche Weltbild gegebene Schwierigkeit gewürdigt
. Auf mechanifche Begreifbarkeit, d. h. auf Abbildung
der Natur (im Sinne von Hertz) nicht nur durch
mathematische Gleichungen, fondern auch für unfere geo-
metrifche und dynamifche Anfchauung werde die wiffenfchaftliche
Forfchung keinesfalls verzichten können.

Das philofophifche Problem der Materie behandelt
König14. Von der Analyfe des .körperlichen Dinges' ausgehend
, gelangt er zur Materie zunächft als Objekt der Sinne,
dann als Grundvorausfetzung der mechanifchen Naturlehre
, befpricht das ,Wefen der Materie' und der ,Sub-
ftanz' der Metaphyfiker, fowie den pofitiviftifchen Rückgang
auf die reine Erfahrung. Allen diefen Dogmatismen
«eilt er fchließlich den kritifchen Begriff der Materie ge-
genüber. Wie wir es nirgends mit einer unabhängig :
vom Denken vorhandenen Wirklichkeit zu tun haben, fo

12. Svedberg, The: Die Materie. Ein Forfchungsprobleni in
Vergangenheit u. Gegenwart. Deutfche Überfetzg. v. H. Einkelftcin.
(III, 162 S. m. 15 Abbildgn.) gr. 8U. Leipzig, Akad. Yerlagsgcfcll- '
Ichaft 1914. M. 6.50; geb. M. 7.50

13. Lenard, Philipp: Über Äther und Materie. Vortrag. 2. aus- j
tührlichere u. m. Zufätzen verTeh. Aufl. (51 S.) gr. 8°. Heidelberg,
C. Winter. M. 1 —

14. König, Edmund: Die Materie. (Wege zur Philofophie.j (IV, !
108 S.) 8°. Göttingen, Vandenhoeck & Ruprecht. M. 1.50

handelt es fich auch beim Problem der Materie nicht
etwa darum, von der .finnlichen Scheinwelt' zu der vermeintlich
hinter ihr flehenden .wahren Welt' vorzudringen
, fondern vielmehr den Begriff" des körperlichen Objekts
fo zu geftalten, daß fein finnlich-anfchaulicher Inhalt
mit der vom Denken geforderten Einheitlichkeit
und Beftändigkeit (den logifchen Momenten des Subftanz-
begriffs) in Einklang gebracht wird. Der denkenden Verarbeitung
der Erfahrungstatfachen fleht fich die Aufgabe
diefer Konftruktion unter immer neuen Bedingungen; doch
nimmt R. an, daß es für die Geftaltung des Begriffs ge-
wiffe unverrückbare Normen im Sinne Kants geben muffe;
in eine nähere Erörterung diefes Problems tritt er nicht ein.

Göttingen. Titius.

Schroeder, Otto: Das Pantheon der Stadt Uruk in der Se-
leukidenzeit auf Grund v. Götterliften u. theophoren
Perfonennamen in Kontrakten diefer Zeit. (Sitzungsberichte
d. kgl. preuß. Akad. d. Will. 1916. XLIX.)
(S. 1180—1196) gr. 8°. Berlin, G. Reimer 1916. M. 1 —

Aus Warka, wo die Ausgrabungen der Deutfchen
Orient-Gefellfchaft fo wenig Erfolg gehabt haben (f. Ed.
Meyer, Gefch. d. Altert. I, 23 X), find in den letzten
Jahren durch die Bemühungen der Antiquitätenräuber
fehr viel wertvolle Texte in die Mufeen Europas und
Amerikas gekommen, befonders eine Maffe juriftifcher
Urkunden aus der Seleukidenzeit, um deren Herausgabe
fich Clay und Schroeder fehr verdient gemacht haben.
Sehr, zeigt nun, daß auch diefe Gefchäftsurkunden für
die Theologie nutzbar gemacht werden können, indem
er einmal aus den Götterliflen, die fich in den Buchungen
der Tempeleinkünfte finden, dann aus den theophoren
Eigennamen das Pantheon der Stadt Uruk in der Seleukidenzeit
zu erfchließen fucht.

Der Hauptgott ift natürlich der Himmelsgott Anu,
der hier in feinem Tempel Eanna refidiert. Aber er
fpielt als weltferner und menfehenfeindlicher Gott nicht
die Rolle, die man vermuten follte; feine Gattin Antu
wird kaum erwähnt. Den Rang in der Beliebtheit hat
ihm völlig abgelaufen beider Tochter, die Göttin Istar,
die den ganzen Kult ftark orgiaftifch beeinflußt hat. Neben
der Istar werden auch noch andere weibliche Gottheiten
verehrt, die Belit söri, die Tafelfchreiberin der Unterwelt,
die Nana und vdie bisher unbekannten Göttinnen Belit sä
(bit)-res und Sarrahitu.

Die theophoren Eigennamen beftätigen im allgemeinen
1 diefen Befund, doch treffen wir dort natürlich auch noch
andere, fogar ausländifche Götternamen. Efi' ift ficher-
lich die ägyptifche Ifis, ob Sehr, mit der Gleichfetzung
| der Göttin Adesu mit gr. Hades recht hat, ift mir trotz
, der vielen griechifchen Eigennamen in diefen Texten
doch noch unficher, Ba'raka mag trotz des Hauchlautes
I einem fem. Barak entfprechen.

I Breslau. B. Meißner.

Fridrichlen, Anton: Hagios Qados. Ein Beitrag zu den
Vorunterfuchgn. zur chriftl. Begriffsgefchichte. (Viden-
lkapssfelfkapets Skrifter. DL Hift.-Filof. Kl. 1916. Nr. 3.)
(in, 74 S.) Lex.-8°. Kriftiania, J. Dybwad 1916.
Es ift die Abficht diefer Unterfuchung, einen Beitrag
zur Aufklärung der langen und vielfeitigen Gefchichte des
Heiligkeitsbegriffes zu liefern. Und das Hauptziel, das fich
der Verfaffer nach eigener Ausfage (S. 3) dabei gefleckt
hat, ift, zur Bildung der notwendigen Grundlage für die
F,rforfchung der Gefchichte des Begriffes auf chriftlichem
Boden etwas beizutragen. Vor allem liegt ihm daran, den
Grundbegriff zu beleuchten, die bewegenden und geftal-
tenden Kräfte und die konkreten Vorftellungsweifen zu
analyfieren und ihren Zufammenhang mit den gefchicht-
lichen Strömungen des, religiöfen Lebens darzutun (vgl.