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Ausgabe:

1917 Nr. 1

Spalte:

341-342

Autor/Hrsg.:

Bukowski, Alois

Titel/Untertitel:

Die russisch-orthodoxe Lehre von der Erbsünde 1917

Rezensent:

Kattenbusch, Ferdinand

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 16/17.

342

fchon in der oben gegebenen Aufzählung enthalten. Bei
der Abhandlung /Über das Leben und die vernünftige
Handlung' bleiben Bedenken gegen die Abfaffung durch
Methodius, die B. aber nicht für durchfchlagend hält.
Dagegen ift für die Schrift /Über die Unterfcheidung der
Speife' die Urheberfchaft des Methodius durchaus gefichert.
Von der Schrift ,Siftelius (oder) über den Ausfatz' haben
wir durch Coisl. 294 Fragmente im griechifchen Original,
die zeigen, daß der flavifche Überfetzer oder fchon feine
Vorlage ftark gekürzt hat. Ganz das Gepräge des Methodius
trägt auch die vierte, wieder nur flavifch erhaltene,
Schrift .Über den Igel, welcher in den Sprichwörtern ift'
und über ,Die Himmel verkünden die Herrlichkeit Gottes'.
Eine Abhandlung ,Über den Leib', auf die im /Igel' 10,4
verwiefen wird, fehlt auch im flavifchen corpus, ebenfo
andere von Hieronymus De vir. illustr. c. 83 namhaft gemachte
Schriften.

Nur Fragmente erhalten find von der Schrift des
Methodius /7£pl xäv yevijrmv (bei Photius), von der Streit-
fchrift gegen Porphyrius (in verfchiedenen Handfchriften),
dem KomiYientare zu Pliob (in Catenenhandfchriften). Unecht
find die unter dem Namen des Methodius laufenden
Feftpredigten: auf das Feft der Hypapante, auf den
Palmfonntag und auf das Himmelfahrtsfeft.

Über all diefe Dinge belehrt B. in der trefflichen Einleitung
S. IX—XLII. In der Ausgabe der einzelnen
Schriften wird jeweils ein Verzeichnis der Handfchriften
und der Abkürzungen vorausgefchickt. Unter dem Text
werden an zweiter Stelle die Varianten aufgeführt, an
erfter die Schriftftellen fowie die Stellen aus profanen
und kirchlichen Schriftftellern, die entweder geradezu zitiert
find oder mit denen Berührungen in Gedanke oder Sprache
vorliegen. Dabei zeigt hch, wie fehr Methodius, zumal
in Sympofion, im Gewände Piatos einherfchreitet.
Auch die Stellenregifter am Schluffe des Bandes (Schriftftellen
, kirchliche und profane Schriftfteller, Namenregifter,
Wortregifter) find fehr forgfältig gearbeitet und leiften
gute Dienfte. Überhaupt ift die ganze Ausgabe eine in
jeder Hinficht befriedigende muftergiltige Leiftung. Wir
haben in dem Bande nun den ganzen Methodius, foweit
er überhaupt erhalten ift, teils im griechifchen Text teils
in wortgetreuer deutfcher Überfetzung aus dem Slavifchen.

Druckfehler find mir wenige aufgefallen und diefe berühren den
Sinn nicht: 41,15 avixßovlsiouev ft. aviißovXevoitev, ioi,22_(das erfte-
mal) Agxxoi ft. "Aqxxol, 102,19: o> ft. ü>, 106,1 ovaa ft. ovaa. Sinn-
ftörend ift nur im Apparat zu S. 44,13 f. die Angabe, daß Leo Allatius
ftatt der im Text gegebenen Lesart fchreilbe: Kai jJtlj av&aioixtDi xq>-
vovxai, während er in Wirklichkeit in feiner Ausgabe (Rom 1656,90)
lieft: Viert uiti' alllaigtzwc. xgiovovxai xx7.. Methodius läßt an der
Stelle den gottgeweihlen Jungfrauen die Freiheit, eine Ehe zu fchließen.
Bei Allatius aber ift der Sinn ins Gegenteil umgebogen (vgl. dazu meine
Schrift Virgincs Chrifti, TU 31,2, 1907, 1903 fr.).

München. H. Koch.

Bukowski, Alois, S. J.: Die ruflifch-orthodoxe Lehre von der
Erblünde. Ein Beitrag zur Würdigung der Lehrunter-
fchiede zwifchen der morgenländifch-orthodoxen u. der
römifch-kathol. Kirche (Aus: ,Zeitfchrift f. kath.Theol.')
(IV, 10S S.) 8°. Innsbruck, F. Rauch I9I4. M. l 50

Der Verfaffer, wohl ein öfterreichifch-polnifcher Jefuit
lin Weidenau, oft. Schlehen?) ift fchon durch frühere Arbeiten
bekannt geworden. In derfelben Zeitfchrift (für
kath. Theol., Innsbruck), in der die oben bezeichnete Abhandlung
zuerft erfchienen ift, veröffentlichte er Bd.XXXV
(1911) einen Auffatz ,Die Mißdeutungen und Entftellungen
der römifch-katholifchen Glaubenslehre in den rufhfch-
orthodoxen Handbüchern der Theologie'; fpäter in den
von Ehrhard und Kirfch herausgegebenen ,Forfchungen
zur chrifti. Literatur- und Dogmengefchichte', ebenfalls
1911, eine größere Studie über ,Die Genugtuung für die
Sünde nach der Auffaffung der rufhfchen Orthodoxie'
(212 S.). Ich habe letztere in der ThRundfchau 1915,
S. 363 f. befprochen. Die neue Abhandlung ftellt in derfelben
fleißigen und umhchtigen Weife die Entwicklung
der rufhfchen Lehre an der Hand der Hauptdogmatiker
dar, he hat denfelben Zweck, den die früheren verfolgen,
zu zeigen, daß die rufhfche Lehre teils die römifche zu
Unrecht ablehne, teils, wo he wirklich von diefer abweiche
, fachlich zurückftehe. Als Normen für die rufhfche
Lehre behandelt B. die Entfcheidungen der altkirchlichen
Konzilien und die kürzeren oder längeren Ausführungen
bei Mogilas, Dohtheos und Philaret. Eine Art
von dogmatifcher Theologie gibt es unter den Ruffen
erft feit dem 17. Jahrhundert. Mogilas ftiftete in Kiew
1631 ein ,Geiftliches Kolleg nach abendländifchem Mufter,
das hch in der Polge zu einer geiftlichen Akademie entwickelte
'. Eine ganze Reihe von Lehrern dort hat nach
B. ,mehr oder minder felbftändige Syfteme der orthodoxen
Glaubenslehre' verfaßt. Leider feien diefe Werke,
gerade die älteften, noch ungedruckt und auch auf der
Bibliothek zu Kiew nicht zugänglich. So begnügt hch
B. mit einer Berufung auf Palmieris (von mir ThLitz.
1911, Sp. 468/69 charakterihertes) Werk Theologia dog-
matica orthodoxa ecclesiae graeco-russicae Bd. I, wonach
der romfreundliche Sinn des Mogilas hch fortgefetzt
habe. Mit Theophanes Prokopovic (Anfang des 18. Jahrhunderts
; in Kiew) beginnt die Hinneigung zu lutheri-
fchen Gedanken, was doch nicht ohne Widerfpruch in
Rußland blieb. Von da geht B. begleich zu Amphiteatrov
und fomit zur Mitte des 19. Jahrhunderts über. Neben
diefem, der in Kiew lehrte, waren Bulgakov (in Petersburg
, zuletzt Metropolit von Moskau) und Gumilevskij
(Bifchof von Cernigow) befonders angefehene Dogmatiker.
Es gibt feither in ftärkerem Maße ein Streben der rufhfchen
Theologie, hch auf eigene Füße zu ftellen, d. h.
weder bei der römifchen noch bei der proteftantifchen
Theologie zur Schule zu gehen. B. führt 1. als dogmatiker
' den Malevanskij, Malinovskij und Vinogradov vor,
dann 2. als ,Polemiker' den Jnnokentij, Pjerov, Epi-
phanovic und Svjetlov, endlich 3. als .Verfaffer von
Monographien' den Pifarev, Kremlevskij und Burgov.
Ich bin nicht imftande etwas hinzuzufügen oder zu be-
ftreiten. Irgendwie in höherem Sinne ideenhaft ift das,
was diefe rufhfchen Theologen ausführen, gar .Eigenes'
bringen, nach B.s Mitteilungen zu fchließen, noch nicht.

Halle. F. Kattenbufch.

Haale, Priv.-Doz. D. Felix: Die katholifche Kirche Polens
unter rulüfeher Herrfehalt. (44 S.) kl. 8°. Breslau, Verl.
d. Schief. Volksztg. 1917. M. —75

Verfchiedene Jahrzehnte hat in Rußland die Pland
des Staates fchwer und hart auf allen nichtorthodoxen
Kirchen gelegen, auch auf der römifchen. Wir verliehen es,
daß deshalb Felix Haafe, Privatdozent an der Univerh-
tät Breslau, von einem Martyrium der Katholiken in
Polen, von ihren .Leiden und Verfolgungen', fpricht.
Aber befremden muß, daß er mit keinem Worte der
teilweifen Urfache diefer Leiden gedenkt, der Teilnahme
des Klerus an den verfchiedenen Revolutionen, noch mehr
befremden, daß er anfeheinend gar nicht weiß, daß keine
Maßregel der rufhfchen Regierung heranreicht an den
religiöfen Druck und die Verfolgung, mit der die katholifche
Kirche und der ihr dienende polnifche Staat ge°-en
die Andersgläubigen einft gewütet hat. Was will die kurze
Leidenszeit der katholifchen Kirche in Polen befagen gegen
das Jahrhunderte lange Martyrium der Evangelifchen und
griechifch Katholifchen in diefem Lande ? Aber Gelchichte
ift die fchwache Seite des Verfaffers. Hier verraten feine
Ausführungen wahrlich nicht den Doktor der Theologie
| und Privatdozenten. Nehmen wir gleich den erften Satz
j feines Buches: .Polen hatte vor der erften Teilung . . . .
I einige Hunderttaufend Anhänger der Augsburger und
j Genfer Konfefhon, Lutheraner, Sozinianer, Unitarier',
j Eine Genfer Konfefhon gibt es nicht, und was follen in
I diefer Aufzählung Lutheraner neben den Anhängern der