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Ausgabe:

1917 Nr. 15

Spalte:

321-322

Autor/Hrsg.:

Niebergall, Friedrich

Titel/Untertitel:

Jesus im Unterricht. Ein Handbuch f. d. Behandlung d. neutestamentl. Geschichten. 2., durchges. Aufl 1917

Rezensent:

Schuster, Hermann

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 15.

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eine fchlichte Metaphyfik, eine beftimmte Pfychologie, eine
körnige Ethik und ein diefe drei Momente umfpannen-
der lebendig-perfönlicher Gottesbegriff. In der Entwicklung
der Religion find zwei Linien zu unterfcheiden, die
exoterifche und die efoterifche. Auf der exoterifchen
vollzieht fich die religiöfe, auf der efoterifchen die foge-
nannte philofophifche Vertiefung der Gottesanfchauung.
Die exoterifche Entwicklung führt von jenen „Vorftufen",
die die moderne Religionswiffenfchaft gern als die eigentliche
Ebene der Religion interpretiert, über die ethilchen
Stifterreligionen zum Chriftentum als dem faktifchen Höhe-
und Gipfelpunkt der religiöfen Ideenbildung. Im Mittelpunkt
der efoterifchen Entwicklung flehen die panthei-
ffifchen Spekulationen und andere Modalitaten der „Geheimreligion
der Gebildeten".

Der zweite, religionspfychologifche Teil befteht aus
einem allgemeinen und einem befonderen Abfchnitt. In
dem allgemeinen Abfchnitt werden zwei Hauptfragen
behandelt: (1) die alte Vexierfrage nach dem pfycholo-
gifchen Ort der Religion; (2) die Frage nach den religiöfen
Lebensformen. Die erfte Frage wird in dem Sinne
beantwortet, daß die Religion den ganzen Menfchen be-
anfprucht; in Bezug auf die zweite Frage fchließt der
Verfaffer fich eng an das Schema von Siebeck an. —
Der zweite, der fpeziellen Religionspfychologie zugewendete
Abfchnitt enthält eine temperamentvolle Auseinan-
derfetzung mit den amerikanifchen Religionspfychologen.

Der dritte, fogenannte theoretifche Teil befchäftigt
fich in feinem erften Abfchnitt mit der Dialektik der religiöfen
Hauptbegriffe, unter denen der Gottesbegriff vor-
anfteht. In einem zweiten Abfchnitt werden die Begriffe
„Offenbarung" und „Wunder" interpretiert. Der dritte
Abfchnitt enthält einige Andeutungen über die „Wahrheit
der Religion". Das Intereffantefte daran ift die
eigentümliche Schlußwendung von der Religion als einer
nie unbedingt zu erweifenden Wahrheit zur Religion als
einem durch feine Bedeutung für die Kultur des Gemüts
verpflichtenden Gut. „Die Menfchheit foll Religion haben,
nicht weil es ihr irgendwelche Vorteile bringt, fondern
weil wir fie haben können und eine innere Stimme uns
fagt, daß das wertvoll ift." „Die Erkenntnisfrage wird
dadurch nicht weniger wichtig, aber fie ift nicht das letzte
Wort." Das letzte Wort foll in Sachen der Religion, wie
bei allen Aneignungen geiftiger Werte, der Wille haben.

Das Büchlein zeugt von einer felbftändigen und fachkundigen
Durchdenkung der religiöfen und religionsphilo-
fophifchen Probleme. Der perfonaliftifche Standpunkt
des Verfaffers ift der Würdigung des Chriftentums zugute
gekommen, während er der Beurteilung des Pantheismus
gefchadet hat. Durch das negative Moment
der bloßen Abftumpfung des Perfonalismus wird diefer
fo fchwer zu entwurzeln fein, wie durch den Hinweis
auf die Bedürfniffe der Schützengrabenreligion, denen er
freilich nicht genügt. Die komplizierteren Formen des
religiöfen Bewußtfeins, wie fie bei Goethe und den Romantikern
vorliegen, find durch die an fich gefunde Bevorzugung
der Elementarformen ungebührlich zurückgefetzt
worden. Am wenigften befriedigt die Dispofition;
fie genügt weder in logifcher noch in fachlicher Hinficht.
Man lieft am heften über fie hinweg und hält fich an
die Ausführungen der einzelnen Abfchnitte, die auch ohne
Bezug auf das Ganze beftehen können.

Berlin. Heinrich Scholz.

Niebergall, Prof. Dr. Fr.: Jefus im Unterricht. Ein Handbuch
f. die Behandig. der neuteftamentl. Gefchichten.
(Prakt.-theolog. Handbibliothek. 11. Band.) 2. durchgfeh.
Aufl. (VIII, 174 S.) 8°. Göttingen, Vandenhoeck &
Ruprecht 1913. M. 2.80; geb. M. 3.40

Diefe Anzeige kommt leider fpät; aber es wäre ein
Unrecht gegen das Buch und unfere Lefer, fie zu unter-

laffen. Denn das Buch hat die fchon nach drei Jahren
nötig gewordene Neuauflage voll verdient.

Des Ziel feines Buches befchreibt N. gelegentlich
(S. 34) fchön und richtig folgendermaßen: Es foll ein
unauslöfchlicher Eindruck vom Heiland erzielt werden,
und der foll den Weg zu allen Beeinfluffungen des Gemütsund
Willenslebens öffnen. Dies Ziel fleht im ausge-
fprochenften Gegenfatz gegen die übliche Prädikatenreligion
, der es immer vor allem darauf ankommt, mit
den Gefchichten ein offizielles Prädikat über Jefus zu
beftätigen, feine Gottheit, Allwiffenheit, Allmacht ufw.
Solche Prädikate können jene Wirkungen auf Gemüt
und Willen nicht haben. Sie find beftenfalls eine un-
fchädliche (verftandesmäßige) Zugabe; fchaden aber oft,
weil fie jene Einwirkungen hemmen und anders denkende
Anhänger Jefu unnötig ärgern.

Um fein Ziel zu erreichen, behandelt N. 1) Die Kind-
heitsgefchichten, 2) Die Zeit des Wirkens, 3 ) Leiden und
Sieg. Teil 2 wird wieder untergeteilt: Vorbereitung,
Jefus heilt an Leib und Seele (die Wunder), Jefus als
Seelforger, Jefus im Kampf um Werte und Maßftäbe
(Gleichniffe), Reden (Bergpredigt), wobei nicht gemeint
ift, daß die hier für den Lehrer jeweils zufammengeftellten
Wunder und Gleichniffe auch im Unterricht alle hintereinander
behandelt werden füllten. N. ftützt fich wiffen-
fchaftlich vorzüglich auf J. Weiß' Schriften des Neuen
Teftaments. In feiner praktifchen Anweifung für den
Lehrer ftellt er fich zwifchen diefen populären Kommentar
und die bekannten ausgeführten Präparationswerke von
Reukauf-Heyn, Thrändorf-Meltzer und Staude. Er will
nicht wie diefe den Stoff methodifch präparieren, will
mehr Gedanken darbieten als Anweifung, wie man es
,macht'. In der Regel ift jede Gefchichte dreifach behandelt
I. gefchichtlich: kritifche Erkenntniffe, II. das religiöfe
Gedankengut, III. praktifche Winke und Anweifungen.
I Die Behandlung nach den fünf Formalftufen lehnt N. mit
Recht ab. Aber er läßt nicht alles in Stimmungen aufgehen
. Er will nicht nur die Hauptzüge des Bildes Jefu
feft ins Gemüt zeichnen, fondern auch Sprüche einprägen,
ja auch folche allgemeine Wahrheiten, die das Kind jetzt
vielleicht noch nicht (voll) verfteht, aber fpäter einmal
nötig braucht.

Mit Auswahl und Behandlung bin ich im Ganzen durchaus ein-
verftanden. Doch vermilTe ich z. B. den reichen Kornbauer (auf S. 132
vorausgefetzt) und den ,unnützen' Knecht; fie find doch leichter und
pädagogifch fruchtbarer als z. B. Nikodemus (über deffen, fowie der
andern Joh. Gefchichten pädagogifche Brauchbarkeit N. mit Recht gering
denkt). Gegen Ende eilt N. fehr, läßt deshalb die meiften Jerufalemer
Streitgefpräche aus. Und aus diefem Grunde fällt fein Jefus-Bild nicht
fo männlich herb und königlich aus, wie ich wünfchte. Andere kleine
Einzelbedenken unterdrücke ich. Nur noch eine Frage: Warum gibt
N. bei den Gefchichten nie die biblifche Stelle an, auch nicht bei den
weniger bekannten, auch nicht wenn die Parallelberichte erheblich von

' einander abweichen?

Leider verbietet mir der Raum, die hohen Vorzüge

i fachlicher und methodifcher Art mit Beifpielen zu belegen.

! Ich muß mich mit einer herzlichen, warmen Empfehlung
begnügen.

Hannover-Kleefeld. Schufter.

Schulandachten, in Verbindung m. Gymn.-Prof. Rudolf
Richter u. Oberlyz.-Dir. Prof. Karl Steyer gefammelt
u. hrsg. v. Realgymn.-Prof. Georg Schümer. (XVI,
492 S.) gr. 8°. Frankfurt a. M., M. Diefterweg 1913.

Geb. M. 5.80

Eine umfangreiche und reichhaltige Sammlung kurzer
, Schulandachten, nach Auswahl, Ordnung, Ton und Inhalt
gleich vorzüglich, edel in der Sprache und anfehaulich
in der Darftellung, geeignet ebenfo zu unmittelbarem
Gebrauch wie zu fruchtbarem Studium, freier Anlehnung
und zweckmäßiger Anregung. Der Plan geht auf Pro-
feffor Lic. Schufter in Hannover zurück. Im erften Teil
(J—345) wird zum erften Male eine auf das ganze Schul-