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Ausgabe:

1917

Spalte:

286-287

Autor/Hrsg.:

Schulz, Otto Th.

Titel/Untertitel:

Das Wesen des römischen Kaisertums der ersten zwei Jahrhunderte 1917

Rezensent:

Preuschen, Erwin

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286

der Hiftor. Zeitfchr. Bd. 116 fehr anregend, aber m. E.
nicht durchfchlagend geantwortet. — Über ,die ältefte j
Kircheninfchrift' hat bereits Lietzmann ThLz 1916, |
117 berichtet Ein ergänzender kurzer Auffatz handelt
von der .ä'.teften Kirchenbibüotheksinfchrift', die H. bei j
Paulinus v. Nola (ep. 32) findet und als Lefefaal-Infchrift
deutet. — Ein Bild von der .griechifchen und chriftlichen
Frömmigkeit am Ende des 3. Jahrhunderts' gewinnt H.
durch genaue Analyfe eines Briefes des Porphyrius an
feine Gattin Marcella (dem auch obige Formel entflammt);
die hier bezeugte Frömmigkeit ftimmt mit der chriftlichen
jener Zeit .gerade in ihren tiefen Elementen' überein
und umfaßt ,alle tiefen Elemente'. Es ift nicht das reine
Chriftentum, fondern ein griechifch-philofophifches Chri-
ftentum, welches über das Heidentum fiegt. Es fiegte,
weil es durch Gen. 1, die Pfalmen, Jefus Chriftus die tiefe !
monotheiftifche Frömmigkeit auch in die Mafien zu bringen j
vermochte. Das vermochte der Neuplatonismus nicht. —
.Die Höhenpunkte in Auguftins Konfeffionen' findet H. |
in den berühmten Anfangsfätzen, in VII ioff. (der ek-
ftatifchen Schauung), VIII 5 ff. (der Bekehrung), IX lo
(der letzten .Schauüng'), die er meifterhaft analyfiert. |
Dabei tritt fein Verftändnis für Auguftins Frömmigkeit
glänzend hervor, — auch für feine Art zu denken: ,Die
Erkenntnismethoden von heute führen nicht vorwärts, |
fondern rückwärts, nicht zum Erhebenden, fondern zum j
Unerheblichen, und fie entbehren daher jeder aufftreben-
den Architektonik'. — ,Der Geift der morgenländifchen j
Kirche' wird im Vergleich mit dem der abendländifchen
etwa fo wie in dem grundlegenden Werke von Katten-
bufch befchrieben. Neu ift mir die Feftftellung, daß
der griechifchen Kirche der fpätere Zuftand ,von Anfang
an als der notwendige und ideale vorfchwebt, nämlich nicht
fowohl zu fpekulieren als über eine fertige Spekulation
zu meditieren und ihren Inhalt zu kontemplieren'. Inhaltlich
ift die morgenländifche Kirche ,in kultureller, philo-
fophifcher und religiöfer Hinficht das verfteinerte 3. Jahrhundert
'. — Zum erften Male veröffentlicht wird die
Skizze über die Askefe (141—161). H. unterfcheidet in
der Askefe vier Hauptftröme, die fchon im 3. Jahrhundert
fämtlich vorhanden find, übrigens in einander Übergehn
: Schon auf primitiver Stufe entfteht aus der Got-
tesangft die Heiligkeitsaskefe mit ihrer Fülle heiliger
Orte, Zeiten und Gegenftände und entfprechendem .heiligem
' Verhalten; die ebenfalls primitive Opferaskefe lebt
in Almofen, im Leiden und Sterben als einem Selbftopfer
für Gott weiter und verbindet fich mit der Idee der Nachfolge
Chrifti: die Ertüchtigungsaskefe verfucht die geiftige
Vereinigung mit der Gottheit durch ftufenweife Aufhebung
der natürlichen Bedingungen des Dafeins zu erreichen
; die Erlöfungsaskefe hat ihre Vorausfetzung im
Tode des alten Menlchen (III und IV laffen fich m. E.
nur genetifch auseinanderhalten). Jeder diefer Formen
entfpricht eine beftimmte Auffaffung von der Sünde; der |
vollendeten Askefe, in der fich alle Formen zufammen- !
faffen, entfpricht das Mönchtum. Das Gegengewicht wird 1
ihr durch den Vergebungsglauben, durch die Verwirklichung
der Gotteskindfchaft in .Glaube, Liebe, Hoffnung',
durch die Sakramentspraxis, das Naturrecht, auch den
erftarkenden Altruismus gehalten; auf dem Boden mora-
lifcher Freiheit entwickelte fich aus ihr der ehrfürchtige, j
der für jedes hohe Ideal fein Leben einfetzende Menfch, I
der fittliche Übermenfch und der neue Menfch. — Der
kurze Auffatz über .proteftantifche Kultur', ergänzt durch
eine Auseinanderfetzung mit Max Maurenbrecher, fucht
dem Schlagwort einen guten Sinn abzugewinnen; es klinge
allerdings etwas anfpruchsvoll, aber es fei nicht nur hifto-
rifch, fondern prinzipiell berechtigt für eine Kultur, die
das Streben an die Spitze ftellt, ein feftes Verhältnis zu
dem Ewigen und Guten zu gewinnen, und die die Erkenntnis
Gottes als des Vaters in Kraft erhält. Denn
darin fei eine beftimmte Welt-, Lebens- und Selbftbe-
urteilung gegeben. Nicht freilich als Kirche werde der

Proteftantismus Kulturmacht fein, fondern nur als Lebens-
und Geiftesmacht, aber als folche fich felbft dann behaupten
, wenn es dem .moniftifchen Sozialismus' je gelingen
follte, unfere Kultur zu zerftören. — Den Auffatz
,über wifienfehaftliche Erkenntnis' habe ich fchon ThLz
1916, 280 kurz angezeigt, bei erneuter Lektüre ift er mir
nur noch wertvoller geworden. Befprochen ift auch bereits
der Artikel über ,Kgl. Bibliothek und deutfehe Nationalbibliothek
' (ThLz 1913,411). Die ergänzende Rede über
,die Gefchichte der Kgl. Bibliothek' mit intereffanten Einzelheiten
muß ich mich begnügen zu erwähnen. Desgleichen
den .Bericht über die Ausgabe der griechifchen
Kirchenväter der erften drei Jahrhunderte (1891 —1915)';
erfchienen find von ca. 54 in Ausficht genommenen
Bänden bisher 27; 8 befinden fich im Druck, 13 in Arbeit;
der Erfatz der Verlufte an Mitarbeitern bereitet fchwere
Sorge zumal ,ein philofophifches Zeitalter der Wifien-
fchaften heraufzuziehen fcheint anftatt des hiftorifch-in-
duktiven'. — Auf die Dokumente und Reden ,aus dem
Weltkriege' einzugehen, fie auch nur einzeln zu nennen
(9 Stücke), muß ich mir verfagen. Nur auf den fachkundig
und maßvoll abwägenden Auffatz über ,die Leiftung
und die Zukunft der baltifchen Deutfchen' und den kurzen
Bericht über die ,Univerfität Dorpat, ihre Leiftungen
und ihren Untergang' fei nachdrücklich aufmerkfam gemacht
. Man wird dem Auffatz in der deutfchen Preffe
nicht viele gleich wertvolle Beiträge über die Baltenfrage
zur Seite Hellen könnenl.

Göttingen. Titius.

Schulz, Priv.-Doz. Dr. Otto Th.: Das Wefen des römifchen
Kaüertums der erften zwei Jahrhunderte. (Studien z.
Gefch. u. Kultur des Altertums. VIII. Bdv 2. Heft.)
(VII, 94 S.) gr. 8°. Paderborn, F. Schöningh 1916.

M. 3.80

Bihlmeyer, Prof. Dr. Karl: Die ,fyrifchen' Kaifer zu Rom
(211—35) und das Chriftentum. Kritifche Studie. (VII,
166 S.) 8*. Rottenburg, W. Bader 1916. M. 3 —

Die Unterfuchung von Schulz ift eingeleitet durch
ein Wort von Savigny über Niebuhr: ,Ich würde einen
großen Mann fchlecht zu ehren glauben, wenn ich mir
durch die Ehrfurcht gegen feine Meinungen mein freies
Urteil befchränken ließe, anftatt aus ihm frifche Kraft
zu eigener, unabhängiger Forfchung'zu fchöpfen'. Der
.große Mann' ift im vorliegenden Fall Mommfen, mit dem
fich die Arbeit auf jeder Seite auseinanderfetzt, und deffen
Auffaffung vom Wefen des römifchen Imperiums als irrig,
in fich widerfpruchsvoll, willkürlich und im Widerfpruch
mit den Quellen flehend erwiefen werden foll. So richtig
an fich der Gedanke ift, daß man auch die Meinung des
bellen Sachkenners nicht ungeprüft hinnehmen darf, und
daß es Pflicht ift, ihr zu widerfprechen, ehe fie zum Dogma
wird, wenn fie fich als unhaltbar erweift, fo ift mir doch
zweifelhaft, ob es Sch. gelungen ift, auf 94 Seiten diefen
Nachweis zu führen. Er verfucht nachzuweifen, daß alles,
was die Stellung des Auguftus in der reftaurierten Republik
umgrenze, durch das Staatsrecht der alten Republik
beftimmt und beftimmbar fein müffe (S. 12). Die
Grundlage der Macht ift das konfularifche Imperium, die
Übertragung erfolgt durch den Senat, ohne den es ,kein
Imperium, keine Konfekration, keine Ächtung gibt. Er
bleibt auch in der Ära der Adoptivkaifer das ftaatrecht-
lich beftimmende Element' (S. 51). Wie fich mit allem
diefen aber die religiöfe Stellung des Princeps, der Titel

•) Genannt fei, ob auch in weitem Abftande, die auf Reifeeindrük-
ken beruhende, flott und begeiftert gefchriebene Schrift von f. Braeun-
lich, Kurländifcher Frühling im Weltkrieg 166 S. kl. 8°. Berlin, Verlag
der Täglichen Rundfchau 1917 M. M. 1. Ein halbverfchollenes deutfehes
Herzogtum. 2. In deutfchen Hänfera Kurlands. 3. Deutfehes Land
und fremdes Volk. 4. Der Bauernkreuzzug ins neue Deutfchland.