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Ausgabe:

1917 Nr. 14

Spalte:

284-286

Autor/Hrsg.:

Harnack, Adolf von

Titel/Untertitel:

Aus der Friedens- und Kriegsarbeit 1917

Rezensent:

Titius, Arthur

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 14.

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methodologifchen Schlüffe zu ziehen: ,The method pro-
posed is the historical one. In one period after another
search is to be made for data on the subject, and the
stage of progress which these data give evidence deter-
mined' (S. 19). Das ift im Prinzip felbftverftändlich nur
zu billigen. Aber der Verf. ift ins Extrem verfallen
und gibt uns, im Wefentlichen nur die einzelnen Schriften
eine nach der andern nach ihrer annähernd chronologifchen
Reihenfolge auf ihren ethifchen Gehalt hin durchgehend,
lauter begrenzte Querfchnitte. Darob kommt die durchgehende
große Linie zu kurz, man wird nicht über eine
kleinliche Atomiftik der Betrachtung hinausgeführt, und
das macht diefe Betrachtung fchließlich ermüdend und
unbefriedigend. Am Ende des Buches (Kap. XXXII:
The book of Psalms) angelangt, empfindet man das
Bedürfnis, nach fo viel Kärrnerarbeit den eigentlichen
Bau eines Ganzen erftehen zu fehen; aber der Verfaffer
bricht hier ab, weil feinem Programm entfprechend die
Arbeit getan ift. Alles in Allem bleibt fie auf der Stufe
einer großen Vorarbeit zu einer idealen Löfung der
Aufgabe.

Damit foll der relative Wert des Buches nicht unter-
fchätzt fein. Es ift fauber gearbeitet und führt ins Einzelne
zum Teil gut ein. Allerdings wird der Verfuch, eine i
Ethik der legendären Periode (Kap. II), der patriarcha-
lifchen (Kap. III), der Periode des Auszugs (Kap. IV),
der heroifchen (Kap.V) zu konftruieren, nicht ohne größte
Zurückhaltung aufgenommen werden können. Zuweilen
fcheint mir auch der Verfaffer der Gefahr zu ftarker
Idealifierung nicht entgangen zu fein. Gewiß, die Hebräer
waren nicht die Barbaren, als die fie ab und an hingeftellt
worden find (vgl. S. 46); aber wenn M. z. B. urteilt, ,that
neither David nor the Hebrews generally in his time had
any appreciable prejudice against foreigners' (S. 80), fo kann
ich mich nicht enthalten, diefen Satz mit einem Fragezeichen
zu verfehen. Es ift fchade, daß fich der Verfaffer
den charakteriftifchen Zug hat entgehen laffen, wie fich
die aus Ägypten ausziehenden Weiber ein jedes von
feiner Nachbarin und Hausgenoffin filberne und goldene
Geräte und Mäntel geben laffen, um die Ägypter zu
.berauben' (Ex 3,22 vgl. 11,2 12,35 f.): er ift ein typifches
Beifpiel dafür, wie wenig fich die Ifraeliten den Fremden
gegenüber der gleichen fittlichen Verpflichtungen wie
den eigenen Leuten gegenüber bewußt waren. Daß j
ferner David zu den Moabitern immer in freundfchaftlichen
Beziehungen geftanden habe, kann der Verfaffer (S. 78 f.)
nur behaupten, weil er die Gefchichtlichkeit von II. Sam. 8,2
glaubt preisgeben zu dürfen (S. 71 f.). Aber fo wenig [
wir wiffen, wie Davids Krieg gegen Moab und namentlich
feine graufame Behandlung der moabitifchen Gefangenen
mit der Erzählung zu vereinigen ift, daß er einft feine
Ffttern dem Schutze des Moabiterkönigs anvertraut habe
(I Sam 22,3 f.), fo frage ich mich doch, ob nicht in diefer
Beurteilung von II Sam 8,2 der Wunfeh Vater des Gedankens
ift. Mit am beften gelungen fcheint mir die Darftellung
der ethifchen Anfchauungen des Elohiften im Vergleich
zu denjenigen des Jahwiften (S. 102 ff.). — II. Kön. 2,9 ift
D^ti-ia wahrfcheinlich nicht ,a double' fondern '% (f.
P. jenfen, das Gilgamefch-Epos, S. 994 Anm. 1).

Göttingen. A. Bertholet.

Huber, Dr. Karl: Unterluchungen über den Sprachcharakter
des griechüchen Leviticus. (VIII, 124 S.) gr. 8°. Gießen,
A. Töpelmann 1916. M. 5 —

Obwohl die erfte Anregung zu diefen Unterfuchungen
vom Ref. ausgegangen ift, kann er ihre Befprechung ruhig
übernehmen, denn H. hat fich ganz felbftändig die Probleme
beftimmt, die er behandelt. Ref. wünfehte entweder eine
Unterfuchung der Handfchriftenverhältniffe und, daraus
folgend, eine Gefchichte der handfehriftlichen Überlieferung
oder dann nach dem Ausfpruche Deißmanns, daß wir
zur ganzen Septuaginta einen Kommentar brauchen, der

die Septuaginta um ihrer felbft willen behandelt, eine
Unterfuchung der Art, wie Lev überfetzt worden und
wie groß die Selbftändigkeit des griechifchen Lev nach
Wortlaut und Theologie ift. Allein über den Vorarbeiten
erkannte H. richtig, daß die Vorausfetzung dazu die
Kenntnis des Sprachcharakters des Buches fei, und fo
lieferte er, ein guter Schüler Eduard Schwyzers, eine
Arbeit, die diefe Kenntnis erftmalig und eindringlich
verfchafft, und damit einen Beitrag zur Grammatik der
Septuaginta, dem namentlich für die Syntax grundlegende
Bedeutung zukommt, da die bisherigen Grammatiker der
Septuaginta, Helbing und Thackeray, die Syntax noch
gar nicht berückfichtigen. Man wird alfo H. in allen
fyntaktifchen Fragen zu Rate ziehen und muß wünfehen,
daß gleichartige Unterfuchungen auch über die andern
Bücher angefleht werden. Die Art, wie Bearbeiter des
hebräifchen AT vielfach mit der Septuaginta zu Werke
gehen, ift recht oft fall: dilettantifch und auf unzuverläffige
Annahmen, wohl gar auf irgendeinen beliebigen und
zufälligen Abdruck, gegründet.

H. legt die Cambridger Ausgabe von Brooke und
McLean zu Grunde, und wie er deren Abdruck der
rezenfierten Handfchrift B überprüft, fo gibt er mit
glücklicher Hand Weiteres zur nötigen recensio. Dann
behandelt er in drei Teilen die Lautlehre (9—21), die
Wortlehre (22—32) und die Syntax (33—110). Eine Fülle
von Licht fällt auf einzelne Stellen und Wendungen wie
auf die Varianten. Theoretifch flehen die Dinge fo, daß
jede Variante erklärt werden muß, ehe man an die
Konftituierung des urfprünglichen Septuagintatextes gehen
kann. In fehr vielen Fallen find die Varianten durch
Schreibfehler und Schreibungsgepflogenheiten (in diefen
beiden Richtungen follten die einzelnen Handfchriften
und Handfchriftengruppen, eine jede für fich, noch
durchgearbeitet werden) leicht erklärbar. Daß in den
übrigen Fällen die grammatikalifche Unterfuchung Licht
fchafift, zeigt fich bei H. aufs deutlichfte.

Schon Thackeray hatte eine Zweiteilung von Lev
behauptet, die fich darin zeigt, daß in 1,1 —15,33 oc lav
in B 34 mal begegnet, während Sc av fich 21 mal findet
und für 16,1—27,34 die Zahlen 46 und 8 find. H. beftätigt
diefe Zweiteilung durch drei andere Beifpiele: in 1,1 —15,33
in B rqj xvqüo: KvQlq>=2$:2$, to&co: io&im: = 2'-3,
cpdyofiai:' eöofiai'= 18:10 mal, während für 16,1 — 27,34
die Zahlen 50:10, 6:1 und 27:4 lauten. Sind 1,1 —15,33
und 16,1—27,34 von zwei verfchiedenen Überfetzern bearbeitet
worden? Ref. glaubt es. So bietet das Buch noch
vielerlei beachtenswerte Einzelergebniffe, während H.
andre zurückbehalten hat, um fie für fich zu veröffentlichen.
Reiche Regifter über die Sachen, die griechifchen und
hebräifchen Wörter (115—124) fchließen die wertvolle
Schrift ab.

Zürich. Ludwig Köhler.

Harnack, Adolf v.: Aus der Friedens- und Kriegsarbeit.

(Reden u. Auffätze. N. F. 3. Bd.) (VIII, 373 S.) gr. 8».
Gießen, A. Töpelmann 1916. M. 8—; geb. M. 10—

Die neue Sammlung von Reden und Auffätzen legt
wie die früheren (ThLz 1904, 62562; 1911, 76962) von
der Vielfeitigkeit der Intereffen und des Könnens von Har-
nack's beredtes Zeugnis ab. Sie gliedert fich in Beiträge ,aus
der Gefchichte des Chriftentums und der Kirchen', ,aus
der Kultur- und Wiffenfchaftsgefchichte', ,aus dem Weltkriege
'. Den Anfang macht die Auseinanderfetzung mit
Reitzenftein über den Urfprung der Formel .Glaube,
Liebe, Hoffnung'. H. führt fie auf ein Zufammenfließen
der älteren Formeln .Glaube und Liebe', .Glaube und
Hoffnung' zurück und findet in des Porphyrius vereinzelt
auftretender Zufammenfaffung von .Glaube, Wahrheit,
Liebe und Hoffnung' die noch erkennbare Bearbeitung
einer chriftlichen Reminiszenz. Reitzenftein hat in den
Nachrichten der Gött. Gefellfchaft d. W. 1916 und in