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Ausgabe:

1917 Nr. 13

Spalte:

275-276

Autor/Hrsg.:

Deutinger, Martin

Titel/Untertitel:

Über das Verhältnis der Poesie zur Religion. Neu hrsg. u. eigel. v. Karl Muth 1917

Rezensent:

Frommel, Otto

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 13.

276

gratia habituali, de virtutibus infusis, de gratia actuali.
(XXIV, 384 S.) gr. 8». Freiburg i. B., Herder 1916.

M. 5.60

Das Manufkript des Werkes, deffen erfter Teil Ref.
hier zur Anzeige bringt, lag bereits im Jahre 1913 voll-
ftändig vor; der Druck deslelben war bis zur Seite 272
fortgefchritten, als der Weltkrieg ausbrach. Nach einer
Unterbrechung von zwei Jahren kam der Verleger dem
Wunfeh des Verfaffers entgegen, wenigftens den erften
Teil der Schrift vor dem immer noch nicht eingetretenen
Frieden erfcheinen zu laffen. Der zweite Band wird den
zweiten Teil und die Indices bringen. Das Buch enthält
die Vorlefungen, die der Vf. feit zwölf Jahren an dem
Seminar von Leitmeritz in Böhmen in einem regelmäßigen
Turnus von einem Jahr (wöchentlich neun bis zehn-
ftündig) oder von zwei Jahren (wöchentlich fünfftündig
gehalten hat — Die Prologomena beftimmen die Aufgabe
der fpeziellen Dogmatik, entwerfen die Gefchichte der
katholifchen Dogmatik und ftellen die wichtigfte Literatur
zu den in dem Bande behandelten Gegenftänden zufammen
(V—XVIII). — oanda's Schrift zerfällt in fechs Tractatus.
De Deo uno (1—63), De Deo trino (64—119), De Deo
creante (120—165), De gratia habituali (166—212), De
virtutibus infusis (213—299), De gratia actuali (300—304).
Die Voranftellung der Gnadenlehre, die o. in engftem
Zufammenhang mit der Gotteslehre darftellt, ift eine
Eigentümlichkeit, auf die er ein großes Gewicht legt: ein
klares Verftändnis des Wefens der Gnade fei unbedingt
notwendig zum Verftändnis der Lehren von der Erbfünde
und von der Incarnation. — t>. bekennt fich zur moli-
niftifchenGrundanfchauung, deren Mängel er nicht verkennt
und gelegentlich zu überwinden fucht. Zur Bekämpfung
der proteftantifchen Theologie zieht er fich am liebften
auf die Sätze des Tridentinums zurück: die überfpannte
Lehre von den Folgen der Erbfünde (S. 208 f.), die
falfche Vorftellung von der gratia actualis, die nach Luther
und Calvin ein auxilium mere sanans, nicht auch elevans
fei (330), finden in ihm einen entfehiedenen Gegner.
Gegen Calvin vertritt er den Satz Praedestinatio ad gloriam
fit a Deo non ante, sed post praevisa hominis merita
(378). Auch mit den Neuthomiften fetzt er fich häufig
auseinander. — In der Handhabung des Schrift- und
Traditionsbeweifes folgt er den üblichen Grundfätzen,
indem er fich um eine anzuerkennende Überfichtlichkeit
bemüht. (Vgl. 3. B. § 30—35, §85—91 und öfter). — Mit
welcher Virtuofität der Dogmatiker die fcholaftifche
Methode anzuwenden weiß, wie er fich in der genauen
Definition und fcharfen Spaltung der Begriffe nicht genug
tun kann, erhellt aus jeder Seite: als Mufterbeifpiel diene
die Begründung des Satzes § 84 Animae hominum in
caelo vident Deum facie ad faciem (S. 162 f.). Das
ganze Buch beobachtet diefelbe Haltung und atmet denselben
Geift. Daß die proteftantifche Theologie fich in
einer anderen Welt bewegt und daß zu einer Diskuffion
alle Vorausfetzungen fehlen, verlieht fich von felbft. —
Für den katholifchen Studenten wird der erfolgreiche
und fruchtbare Gebrauch diefer Synopfis wefentlich durch
die mündliche Erklärung und den fortwährenden lebendigen
Kommentar des Lehrers bedingt fein.

Straßburg LR P. Lobflein.

Deutinger, Mart.: Über das Verhältnis der Poefie zur Religion
. Neu hrsg. u. eingeleitet v. Prof. Karl Muth.
(Sammlung Köfel. 80. Bd.) (V, 125 S.) Kempten,
J. Köfel 1915- Geb. M. 1 —

Das Büchlein bietet fünf Vorlefungen, welche der

Münchener Profeffor der Theologie und Philofophie im

Jahr 1860 im königl. Odeon gehalten hat.

Von Männern wie Sendling, Görres und F. v. Baader

angeregt, behandelt Deutinger fein Thema auf fpekula-

tive Weife fo, daß er zunächft das Wefen der Kunft

aus der menfehlichen Freiheit herleitet: das vollendete
Kunftwerk ift Geift gewordener Stoff, Form gewordener
Geift, zur Begriffsbeftimmung der Religion fortfehreitet:
Religion ift Bewußtfein von der Freiheit des eigenen
perfönlichen Lebens auf Grund göttlicher Offenbarung —
um nun zu zeigen, wie Kunft (wobei D. in erfter Linie an
Dichtkunft denkt) und Religion aufeinander gewiefen find.
Religion ift das a priori, die der Kunft vorausgehende,
bewegende Kraft. „Nur dadurch, daß der Menfch fich
innerlich von dem Bewußtfein einer über die Natur
herrfchen könnenden und zu Gott in einem näheren Verhältnis
als zur Natur flehenden Freiheit angeregt fühlt, erhält
er die Macht und den Drang, die ihn umgebende
Natur nach dem innerlich bewegenden idealen Leben um-
zugeftalten, und die Ahnung des Ewigen, welche ihn be-
geiftert, in äußern Formen und Bildern auszudrücken."

Damit ift die Verwechslung und Vereinerleiung von
Religion und Kunft ausgefchloffen. Es ift etwas anderes
— wenn auch Verwandtes — um prophetifche und künft-
lerifche Infpiration. Im Chriftentum, als der höchften gei-
ftigen Religion, in deren Mittelpunkt die Wiedervereinigung
von Gottheit und Menfchheit fleht, ,wird die Poefie
erft vollkommen frei und ihres wahren und höchften Inhalts
teilhaftig'. Denn hier wird der Menfch erft vollkommen
von der Natur frei und fähig, fie durch das Wort zu
beherrfchen, beziehungsweife im Wort ihr ein neues höheres
Dafein zu verleihen. Eine gefchichtsphilofophifche Betrachtung
der bisherigen Fintwicklung der Poefie bildet
den Inhalt der drei letzten Vorlefungen. —•

Das kleine Werk — eine reife Frucht des deutfehen
chriftlichen Idealismus — war es durchaus wert, neu aufgelegt
zu werden. Es leitet aus einer tief und fcharf begründeten
Gefamtanfchauung eine Fülle von wertvollen
Einzelerkenntniffen ab und bezeugt auf jedem feiner Blätter
einen Mann, dem die Welt der Dichtung ebenfo wohl
vertraut ift wie die Welt der Religion. Konfeffionelle
Enge oder Befangenheit ift nirgends zu verfpüren, dagegen
eine wohltuende Fertigkeit in der Behauptung der religi-
öfen und chriftlichen Pofition. Am wenigften können
wir Heutige Deutinger dort zuftimmen, wo er Einzeler-
fcheinungen der neueren Literatur (z. B. Heine, die Drofte
Hülshoff u. a.) beurteilt, wogegen er über die alte Dichtung
manches Gute und Zutreffende fagt.

Heidelberg. O. Frommel.

Referate.

Salier, Bifch. Joh. Mich.: Übungen des Geiftes zur Gründung u.

Förderg. e. heil. Sinnes u. Lebens. Neuhrsg. v. Dr. Frz.

Keller. (IX, 370 S.) kl. 8». Freiburg i. B., Herder (1915).

M. 3—; geb. M. 4 —
Keller's ,Bücher !für Seelenkultur' wollen ihre Lefer dem
Jungbrunnen der hl. Schrift' zuführen, dann aber auch folche zu
Wort kommen laffen ,die aus einem der religiöfen Innenkultur
geweihten Leben in perfönlichen Bekenntniffen zu uns reden'.
Sicher gehört Sailer zum Kreife diefer Berufenen, und die vorliegende
Schrift, eine Erzeugnis feiner unfreiwilligen Ebersberger
Mußezeit (feit 1795), hat fchon zu feinen Lebzeiten einen großen
Leferkreis gefunden. Abgefehen von gewiffen Kürzungen erfcheint
fle ganz in ihrer urfprünglichen Geltalt. Dem ,vortrefflichen Leitfaden
' der Exercitia spiritualia des hl. Ignatius nachgebildet (S. 7),
lehnt fie ausdrücklich jede Mechanifierung der frommen Übungen
ab (z. B. S. 4. 27. 37) und wendet fich an ,alle, welche die Sprache
eines denkenden Chriften verliehen und ihr nicht gefliffentlich
das Herz verrchließen' (S. 2). Wie einft (vgl. das Zeugnis von
Steffens in PRE3 Bd. 17, 342), fo wird auch jetzt feine Publikation
über den Kreis feiner eigenen Konfeffion hinaus Freunde
finden.

Göttingen. Titius.
Rupp, Julius: Gerammelte Werke. Hrsg. v. Paul Chr. Elfenhans.
2. Bd., 10. Bd. u. 11. Bd. 1. Tl. 8". Jena, E. Diederichs.
2. Zur Gefchichte der Humanität. (IX, III, 750 S.) 1913. —
10. Moderne Kulturprobleme. (XX, 610 S.) 1915. — 11, I.
Zur kirchlichen Zeitgefchichte. I. Tl. (XVI, 456 S.) 1916.

Je M. 6—; geb. M. 7.50