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Ausgabe:

1917 Nr. 13

Spalte:

263-264

Autor/Hrsg.:

Meyer, Paul M.

Titel/Untertitel:

Griechische Texte aus Aegypten 1917

Rezensent:

Windisch, Hans

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 13.

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tieft ift. Es wird die Liebe, die es in feiner alten Geftalt
befeffen hat, in erhöhtem Maße verdienen. Als Annehmlichkeit
für die Benutzung ift auch die Durchführung der
chriftlichen Zeitrechnung zu nennen. Auffallend aber ift,
daß bei der Angabe der Jahrhunderte die alte Rechnung
nach der Gründung der Stadt beibehalten ift, und dazu
nicht einmal konfequent (f. §6oa).

Königsberg i. Pr. K. Cybulla.

Meyer, Paul M.: Griechifche Texte aus Aegypten. Hrsg. u.
erklärt. 1. Papyri des neuteftamentl. Seminars der
Univerfität Berlin. 2. Oftraka der Sammig. Deißmann.
Mit Indices u. 4 Lichtdr.-Taf. (XIII, 233 S.) Lex. 8°.
Berlin, Weidmann 1916. M. 18 —

Mitten im Kriege ift hier eine neue z. T. wertvolle
Edition griechifcher Papyri und Oftraka zuftande gekommen
, angeregt vonDeißmann und feine Sammlungen
befaffend, unterftützt von einem Gönner des neuteftamentl.
Seminars in Berlin, bearbeitet von einem fachkundigen
Gelehrten, der fich fchon mehrfach um Edition und
Erklärung unliterarifcher Texte verdient gemacht hat.
U. Wilcken hat auch hier wieder bei fchwierigen Texten
feine bewährte Hilfe geliehen, Deißmann hat in gelegentlichen
Noten darauf hingewiefen, wie die neuen Texte
auch wieder die Bibelforfchung befruchten.

Es handelt fich einmal um die Papyrusfammlung
des neuteft. Seminars zu Berlin, die 45 Papyri umfaßt,
von denen 29 in vollftändigem Texte wiedergegeben find,
fodann um die in Deißmann's Privatbefitz befindliche
Sammlung von Oftraka (einige wenige davon hat er ver-
fchenkt), von denen 100 Stück ediert find und zwar 89
in vollem Wortlaut. Beigegeben find vier Lichtdrucktafeln.

Die Papyri führen uns mit wenigen Ausnahmen in
das wirtfchaftliche Leben Ägyptens in der Ptolemäer-
und Kaiferzeit ein; ich hebe heraus das Gefuch von
Katökenreitern an das ptolemäifche Königspaar (die [ttyioroi
dioi) betr. Beftätigung der ihnen zuteil gewordenen Land-
lofe (Nr. 1), den amtlichen Bericht der Dorfälteften von
Theodelpheia, die eidliche Verficherung enthaltend, daß
im Dorfgebiet kein unbebautes Land fich befinde (Nr. 3,
ein recht zeitgemäßer Text), eine Deklaration zum Zwecke
der Volkszählung aus Arfinoe (Nr. 9) und einen ftaats-
notariellen Vertrag über Kauf eines EfelsfNr. 13, Kaufpreis
340 Silberdrachmen). Die Einleitungen geben vollftändige
Liften analoger Dokumente und Überfichten über die ver-
fchiedenen Fälle und Formeln; dem griechifchen Text
folgt die deutfche Überfetzung, den Schluß machen meift
noch erklärende Einzelbemerkungen.

Für den Kirchenhiftoriker find die nun folgenden
libelli libellaticorum aus der dezianifchen Chriften-
verfolgung befonders wichtig (Nr. 15—17); fie (lammen
aus Theodelpheia (im Fayum) und vermehren die fchon
bekannt gewordenen Publikationen, vgl. Meyer im Anhang
zu den Abhandlgn. der Berk Akademie 1910 und Preifigke,
Sammig. griech. Urkunden aus Ägypten Nr. 4435—4454.
Nur der erfte libellus weicht nach Form und Wortlaut
von den bisher bekannten Typen etwas ab.

Endlich fchließen fich noch einige Briefe an, der
geh alt vo Ufte, der an Umfang dem Philemonbrief faft
genau gleichkommende Brief des Soldaten Athenodorus
an feine Schwerter Selbeina (Nr. 26, aus dem 3. Jhdt. nach
Chr., auch in Lichtdruckfakfimile wiedergegeben.) Nach
Stil und Inhalt gehört er zur Elite der Papyrusbriefe
und kann beim Vergleich mit der urchriftlichen Briefliteratur
neben andren vortrefflich als Specimen gebraucht
werden.

Wir haben auch hier nach dem Gruß die Verficherung der Fürbitte
und die Einleitung der Mitteilungen mit der Formel ytivüioxuv ae cff/cw.
Weiter folgt Zufpruch und Mahnung: .Schicke dich in die Zeit, bis ich
zu dir komme. Lukiäs foll arbeiten und von ihrem Lohne leben
(vgl. I. Theff. 2,9, 4,t 1, II. Thefl". 3,7—10). Blickt auch ihr auf die Zeit.
Lukiäs foll nicht träge fein, fondern arbeiten .... Verfäume nicht

mir von Eurem Wohlbefinden Kunde zu geben; forgt Euch nicht um
mich'. Interefiant ift auch die auf der Rückfeite angegebene genaue
Adreffe: .Abzugehen in Antinoupolis an Selbeinas vom Soldaten Athenodorus
,' darunter .Wegweifer: nordlich vom Heiligtum der Hermonthiten
gegenüber dem .... Verkaufsladen kommft du (in) das Gäßchen'.
Deiartige Adreffen wird Paulus feinen Briefen aufgefchrieben haben;
daß fie verloren gingen, ift begreiflich, aber für uns lehr bedauerlich,
wir vermiffen fie befonders für den Gal. und den log. Eph.

Die Oftraka ftellen meift Steuerquittungen dar: für
Ertragsfteuern von Wein- und Gartenland, Salzkonfum-
fteuer, Baufteuer, Spreulieferungen, Kopffteuer, Stamm-
fteuer u. dgl. Kirchengefchichtlich intereffant ift hier
wieder ein neues Beifpiel einer Judenfteuer (Nr. 33), aus
trajanifcher Zeit (lammend und die Schmach Ifraels
lebendig illuftrierend, denn die 4 Drachmen, die Maria,
Tochter des Abietas als Judenfteuer für das 19. Jahr des
Trajanus Optimus Caefar des Herrn gezahlt hat, waren
für Juppiter Capitolinus beftimmt, dem die Juden feit
70 ftatt ihrem Gotte die Steuer entrichten mußten. Es
folgen weiter allerlei Befcheinigungen und Quittungen,
eine Rechnungsaufftellung, wohl für einen Hausbau (Nr. 61),
die an das Gleichnis vom unvollendeten Turmbau Lc.
14,28—30 erinnert: Der Mann, von demjefus erzählt, hat
es eben verfäumt, ehe er ans Werk ging, folch einen
Voranfchlag zu machen. Endlich gehören auch hierher
einige kurze Briefe.

An Einzelheiten fei noch folgendes bemerkt: die Bitte desKatökenreiters
(Nr. 1 vgl. o.) an die /ibyiaxoi 9eol, //») vnsptbtiv nizßc hat, wenn ich
mich nicht irre, bei Philo Parallelen. Die Bezeichnung des Wohnbezirks
in Nr. 3, anb KiXix wv). zu der D Hebr. 13,24 vergleicht, erinnert auch
an Act 6,9 r<üv änö Kilixiaq. Wichtig find weiter einige neue Belege
für den xvpiOQ-tilel, fo in Pap. Nr. 3, (xbv xov xvplov xaiaapog i-7iixQ07tov),
5,1, Oftr. Nr. 17 (jetzt in m. Belitz befindlich vgl. llberg's Neue Jahrb.
1910, 204fr.), Olfr. N. 33 (auf der Judenlteuerquittung, womit die zu
einem Aufftand führende Weigerung jüdifcher Sikarier in Ägypten, den
Kailer .Herr' zu nennen [Joleph. Bell. VII io,l] zu vergleichen ift)
endlich Oftr. 39 (Ntpovog xvqiov ohne Artikel, wie Col. 3,17 Lc. 2,11
vgl. D. zur St.). Von Intereffe ift D.'s Bemeikung zu der häufig gebrauchten
und auch Lc. 3,23 vorkommenden Formel u>q ixiüv S. 26. Daß in
Pap. 8,18 ax'vxXOtiv im Sinn von .heiraten' gebraucht ift, kann für Mt.
1,18 Bedeutung habr n. MncpÖQiov, nach M. am früheften feit dem
4. Jhdt. bezeugt S. 95, findet fich vielleicht fchon Clemens Homil. XIII 16.
Könnte das rätlelhafte öiaofxai Pap. 23,11 vonM. ver!uchsweife = d£j5doiiai
gefetzt, etwa = xiao/xai fein? Der Gruß am Schluß desfelben Briefes
aann^o/xai i'itäq nävxaq xax' ovoßa ift ein neuer Beleg zu III Joh.
15. Zu den neuleftam. Belegen für olxobeonoxr/q S. 96 können noch
von apoftol. Vätern Ignat. ad Eph. 6,1 und Hermas Sim V 2,9 hinzugefügt
werden. Pap. 25,4 ift s/wf/tv ftatt eyoiiev gefchrieben, was wie
D. mit Recht anmerkt, für Rom 5,1 von Bedutung ift. Die fihoyoi
Lc 5,7 meint D. auf Grund von Papyrusbelegen jetzt als Mitglieder
einer Pachtgenoffenfchaft faffen zu körn en (S. 113). Daß auf einer Juden-
fteuerqu ttung ein Jude 2<Xf.tßa&!oj(v) b xal 'Ir/Guvc; IJanlov vorkommt, ift
nach D. ein neuer Beweis, wie gewöhnlich der Jefusname war und
wie haltlos die Annahme, Jefus fei Kultname gewefen (S. 149 f.). Zu dem
rätfelvollen Anfang Oftr. 66 ibtv 6 av&Qomoq änfjXS-tv elg naxQav
könnte wohl auch Lc 15,13 verglichen werden.

Wertvolle Bemerkungen, namentlich philologifcher
Art gab K.F.W. Schmidt in der Wochenfchr. z. Klaff.
Philologie 1916 Nr. 40, Sp. 337—346.

Leiden. Hans Windifch.

Feierabend, Dr. Hans: Die politifche Stellung der deutfchen
Reichsabteien während des Inveltiturltreites. (Hiftorifche
Unterfuchungen, 3. Heft.) (232 S.) gr. 8°. Breslau,
M. & H. Marcus 1913. M. 8 —

Der Referent muß wegen der allzu langen Verzögerung
diefer Anzeige um Entfchuldigung bitten. Es ftand zu
hoffen, daß über verwandte Gegenftände alsbald von
verfchiedenen Seiten neue und auffchlußreiche Darftellungen
kommen würden: diefe Hoffnungen hat der Krieg
zum Teil zu nichte gemacht, zum Teil ift: ihre Erfüllung
in unabfehbare Zeit hinausgefchoben. Auch eigene Arbeiten
, die diefen Gegenftand nahe berühren und fich
mit dem Problem der Wahl kirchlicher Dignitäre befchäf-
tigen, hat der Referent nicht zum Abfch'uß bringen können.
So fei denn die Arbeit Feierabends hier der wohlwollenden
Beachtung empfohlen; denn die verdient fie