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Ausgabe:

1917

Spalte:

261-262

Autor/Hrsg.:

Harwell, R. R.

Titel/Untertitel:

The principal versions of Baruch 1917

Rezensent:

Beer, Georg

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Seite 1

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26 [

2Ö2

hat Gott den Heiden feine Gnade entzogen', fagt der ;
Verfaffer (S. 7). Aber ein folches im Grunde dogmatifches 1
Urteil will wohl unterfchieden fein von der hiftorifchen |
Frage, wann der Gegenfatz Ifraels zu den Fremden fich
zu feinem Gegenfatz zu ,Heiden' ausgewachfen habe und
als folcher in Ifraels Bewußtfein eingetreten fei. — Seiner
Auffaffung des Mofaismus entfprechend behandelt H. die
religiöfe Stellung der Fremden nach dem mofaifchenr
,Gefetz' vor den prophetifchen Weisfagungen. Wenn er hier
von der Fremdenfreundlichkeit desGefetzes fpricht, indem
es mit dem Hinweis auf die allumfaffende Liebe Gottes
und den Aufenthalt des Bundesvolks in Ägypten fogar
fordere, den Fremden zu lieben wie fich felbft, fo dürfte
diefer Satz trotz allen einfchränkenden Ausführungen, die
ihm folgen, leicht mißverftändlich wirken, indem die
überfetzung von Ger mit .Fremder' immer wieder Unklarheit
zu fchaffen droht. — Der folgende Abfchnitt be-
fchäftigt fich mit den einzelnen gefchichtlichen Perfonen,
die als Profelyten in Anfpruch genommen werden können.
Naturgemäß wird hier die Darfteilung bedingt vom Maße
des Vertrauens, das man der Gefchichtlichkeit der Be-
richterftattung meint entgegenbringen zu können. Nicht
allgemein wird man z. BJof. 2,11 als faktifchen Ausdruck
des Glaubens einer Rahab verwerten oder aus II Chron.
30 Schlüffe auf die Zeit Hiskias ziehen wollen. Auch ift
es m. E. Eintragung eines fremden Gefichtspunktes, wenn
die Segnung Obed Edoms (II Sam. 6,10ff.) als Zeichen
gewertet werden foll, ,daß Gott nicht auf die leibliche
Abftammung fchaute, fondern auf die innere Gefinnung'
(S. 19). — Der Abfchnitt über die Weisfagungen der
Propheten baut fich zum Teil (z. B. inbezug auf Jef. 40—66
Sach. 9—14 ufw.) auf literarifchen Vorausfetzungen auf,
die für den Rezenfenten unannehmbar find, und auch die
Exegefe muß er hier wie im folgenden Abfchnitte über
die Pfalmen mannigfach beanftanden; z. B. dürfte die vom
Verfaffer verpönte ftreng wörtlich realiftifche Auffaffung
einer Stelle wie Jef. 49,22 ff. feitens der fpäteren Juden
ihrem urfprünglichen Sinne fehr viel beffer gerecht werden
als ihre vergeiftigende Erklärung durch den Verfaffer, und
für die Deutung der Braut in Pf. 45 auf das Ifrael der
meflianifchen Zeit ift der Augenblick vorüber.

Aber trotz allen Einwendungen — H. hat den Stoff
forgfältig zufammengetragen und gründlich verarbeitet, fo
daß fein Schriftchen viel Brauchbares enthält.

Göttingen. A. Bertholet.

Harwell, R. R.: The principal versions of Baruch. (66 S.)

gr. 8°. Yale Univerfity 1915.

Harwell verteidigt in feiner fehr fleißigen und einen
exakten Eindruck machenden Arbeit die Thefe, daß das
ganze Buch Baruch urfprünglich hebräifch verfaßt gewefen
fei, nicht bloß der profaifche Teil 1, 1—3, 8, fondern auch
der poetifche 3,9—5,9. Das ift auch der Standpunkt u.
a. von Kneucker, König und Rothftein (bei Kautzfeh
Apokryphen 1900, S. 215). Er mag richtig fein — jedoch
kann weder Rothftein noch jetzt Harwell S. 54 f. durch-
fchlagende Argumente für eine hebräifche Vorlage auch
für den Text 3, 9 ff. anführen: und darauf käme es an,
denn für 1, 1—3, 8 ift fie allgemein zugegeben.

Der Stammbaum der griechifchen, fyrifchen und
lateinifchen Überfetzungen (vgl. dazu auch S. 62) ift nach
H. folgender: Der griechifche Text, von einer (?) Hand
flammend, ift oft alteriert und fpät und fleht unter dem
Einfluß Theodotions. Die altfyrifche Überfetzung ift aus
dem griechifchen Text genoffen. Der uns erhaltene
fyrifche Text ift zufammengewürfelt, aber augenfeheinlich
ohne Rückficht auf den hebräifchen Urtext hergeftellt.
Von den beiden lateinifchen Überfetzungen ift die eine
auf den vorhexaplarifchen Griechen bafiert, die andere
folgt dem gewöhnlichen griechifchen Text. Hobergs
,Ältefte lateinifche Überfetzung des Buches Baruch' 1902

ift ein Kompromiß zwifchen dem altlateinifchen Text
und dem griechifchen Urtext.

Heidelbe ". G. Beer.

Teuffel's, W. S, Gelchichte der römifchen Literatur. 6. Aufl.
Unter Mitwirkg. v. Erich Kloftermann, Rudolf Leonhard
u. Paul Weßner neu bearb. v. Wilhelm Kroll u. Franz
Skutfch. 1. Bd. Die Literatur der Republik. (X,
540 S.) 8°. Leipzig, B. G. Teubner 1916.

M. 8—; geb. M. 9.40

26 Jahre nach dem Erfcheinen der 5. Auflage von
Teuffels Literaturgefchichte ift die 6. Auflage herausgekommen
, die Kroll im Verein mit Skutfch unter Mitwirkung
anderer Gelehrten in Angriff genommen hat.
Skutfch ift inzwifchen geftorben, durch den Krieg find
auch die anderen an der Mitarbeit zum größten Teil
verhindert worden, fo daß diefer 1. Band faft ganz bis auf
einige Kapitel zur Rechtsliteratur, die von Leonhard herrühren
, von Kroll bearbeitet ift. Weßners Mitarbeit
vermißt man ungern, feine umfaffende Kenntnis der römifchen
Grammatiker wäre den Abfchnitten der Literaturgefchichte
, die von ihnen handeln, ficher zugute gekommen.
Trotzdem hat Kroll unter den fchwierigen Verhältniffen
das denkbar Befte geleiftet.

Die Anlage des Werkes ift im Ganzen diefelbe geblieben
, d. h. fie gliedert fich in einen allgemeinen fachlichen
und einen befonderen perfönlichen Teil. Das ift zu begrüßen
, da wir in den trefflichen fachlichen Darftellungen
des erften Teiles einen Überblick über die gefamte römifche
Literatur erhalten, der befonders auch für Nichtphilologen
äußerft wertvoll ift. Im einzelnen hat fich aber naturgemäß
fehr vieles geändert. Hat ja doch die Wiflenfchaft in
den letzten 25 Jahren gewaltige Fortfehritte gemacht.
Daß es dem Neubearbeiter gelungen ift, den gewaltigen
Stoff in das alte Schema hineinzuzwingen (nur zwei Para-
praphen, 60a und 164a, und eine Reihe von Anmerkungen
find neu hinzugekommen), ift zu bewundern, fpricht aber
auch für die ausgezeichnete Anlage des Werkes durch
Teuffei.

Gegenüber der 5. Auflage fällt fofort die weit ftärkere
Betonung des griechifchen Einfluffes auf die römifche
Literatur auf, fo bei dem Epos, der Elegie, dem Rätfei,
dem Lehrgedicht, der Palliata. So fieht man viel klarer)
wie wenig fchöpferifch im Grunde die Römer auf dem
Gebiete der Literatur waren. Demgemäß wird auch
im perfönlichen Teil auf die Quellenfrage viel genauer
eingegangen, fo befonders bei Ciceros philofophifchen
Schriften, dann bei Lukrez. Der Abfchnitt über Cicero
hat wohl überhaupt am meiften gewonnen, feine Bedeutung
als Redner und der Wert feiner rhetorischen Schriften
werden ftark betont. Auch die Darftellung von Varros
Tätigkeit ift gegenüber der letzten Auflage ganz neu. In
einem neuen Paragraphen wird auf feine Quellen und
feine Bekanntfchaft mit der Philofophie hingewiefen, mit
Nachdruck wird feine Bedeutung für unfere Kenntnis der
älteren römifchen Religion und feine Benutzung durch die
Kirchenväter betont. Doch auch das Urteil über die
ältere Zeit ift vielfach anders geworden. Bei Livius
Andronicus wird hervorgehoben, wie er der Bahnbrecher
für die fpäteren geworden ift, bei Plautus wird eingehend
die Frage der Cantica, bei Terenz die der Kontamination
behandelt. Und ganz im allgemeinen kann man fagen,
daß jetzt auch viel häufiger der Inhalt der literarifchen
Werke angegeben wird, was einen großen Vorzug gegenüber
der vorigen Auflage bedeutet. Ganz neu ift auch
die ausführliche Behandlung der Sprache und Metrik, fo
befonders bei Plautus (Einfluß des Versmaßes auf die
Sprache) und Terenz, bei Varro und Lukrez.

Auf Einzelheiten näher einzugehen, verbietet fich von
felbft. Aus dem Angeführten aber kann erfehen werden,
wie fehr das Buch gegenüber feiner früheren Form ver-

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