Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1917

Spalte:

257-259

Autor/Hrsg.:

Clemen, Carl

Titel/Untertitel:

Der buddhistische Ursprung des Mittelstücks der Placidus-Eustachius-Legende 1917

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

Theologische Literaturzeitung

Begründet von Emil Schürer und Adolf Harnack

Fortgeführt von Professor D. Arthur Titius und Professor Lic. Hermann Schuster

Jährlich 26 Nrn. Verlag: J. C. Hinricns'fche Buchhandlung, Leipzig Halbjährlich IO Mark

_ n _ —. Manufkripte und gelehrte Mitteilungen find ausfchließlichan yyo y • ir,,«

42. Jalirg. INtr. 13. Profeflor D. Titius in Göttingen, Nikolausberger Weg 66, zu fenden, ^20. dlini LjL/

D Rezenfionsexemplare ausfchließlich an den Verlag,

Der buddhiftifche Urfprung des Mittelftücks
der Placidus-Euftachius-Legende (C. Clemen).

Kubitfchek, Die Kalenderbücher von Florenz,
Rom u. Leyden (Ginzel).

Ileinifch, Die Idee der Heidenbekehrung im

Alten Teftament (Bertholet).
Harwell, The principal versions of Baruch

(Beer).

Teuffel's Gefchichle der römifchen Literatur.

6. Aufl. i. Bd. (Cybulla).
Meyer, Griechifche Texte aus Aegypten (Win-

difch).

Feierabend, Die politilche Stellung der Reichsabteien
während des Inveftiturftreites (Lerche).

Schriften zum Reformationsjubiläum: Preuß,
Walther, Schreckenbach u. Neubert, Kaulfuß-
Diefch (Kawerau).

Spinoza's Briefwechfel u. andere Dokumente.
Ausgewählt v. J. Bluwftein (Eck).

Jatho, Briefe (Schütter).

Mec kauer, Der Intuitionismus und feine
Elemente bei Henri Bergfon (Jordan).

Sanda, Synopfis theologiae dogmaticae specialis
(Lobftein).

Deutinger, Über das Verhältnis der Poelic
zur Religion (Frommel).

Referate: Sailer, Übungen des Geiftes. —
Rupp, Gerammelte Werke. — Zange,
Der grundlegende Unterricht über den heiligen
Geifl: u. die Kirche. — Theobald,
Die heilsgefchichtliche Behandlung der bib-
lifchcn Gefchichte. — Bachmann, Über
den Unterricht in der Augsburger Konfef-
fion. ■— Rendtorff, Die littlichen Schranken
der kirchlichen u. theologifchen Polemik
.

Wichtige Renzenlionen. — Neuefte Literatur.

Der buddhiltifche Urfprung des Mittelfiücks der

Placidus-Eustachius-Legende.

Die Gefchichte von der Trennung des Placidus-
Euftachius von feiner Frau und feinen Söhnen und feiner
Wiedervereinigung mit ihnen ift zuerft von Gafter (The
Nigrodha-miga-jätaka and the Life of St. Euftathius Placidus
, Journ. of the Roy. As. Soc. 1894, 33511., vgl. fchon ebd.
1893, 869 ff.) und Speyer (Buddhiftifche dementen in eenige
episoden uit de legenden van St. Hubertus en St. Euftachius,
Theol. Tijdfchr. 1906,427 ff.) auf die buddhiftifche Erzählung
von der Patacara, bzw. von Visvantara zurückgeführt
worden. Garbe (Indien und das Chriftentum 1914, 95 ff.)
fchloß fich dem letzteren an, erklärte aber die Patäcarä-
Gefchichte nur als Abzweigung aus demfelben Stamm,
dem die Visvantara-Erzählung entfproffen fei. Ogden
(A Comparative Study of the Poem Guillaume d' Angleterre
1900) und Guerould (Publicat. of. theMod.Lang. Assoc. of
America I904, 335 ff.) betrachteten beide buddhiftifche
Gefchichten zwar nicht als das Vorbild der chriftlichen,
aber doch als Ableitung von einer älteren indifchen
Erzählung, die der chriftlichen Legende zu Grunde liege,
und zu demfelben Refultat ift, urfprünglich unabhängig
von ihnen, Bouffet (Die Gefchichte eines Wiedererken-
nungsmärchens, Gott. gel. Nachr., philol.-hift. Kl. I916,
469 ff.) gekommen. W. Meyer dagegen erklärt (Die
ältefte lateinifche Faffung der Placidas-Euftafius-Legende,
ebd. 745 ff, Uber die neuaramäikhe Placidaswanderge-
fchichte, ebd. 1917, Soff.) die chriftliche Legende, und
zwar den von ihm (Der Rhythmus über den h. Placidas-
Euftahus, ebd. 1915, 226 ff.) nach fechs Handfchriften herausgegebenen
lateinifchen Text derfelben, für das Original
zwar nicht jener beiden buddhiftifchen Erzählungen — denn
mit diefen hätte jene überhaupt nichts zu tun —, wohl aber
für dasjenige anderer indifcher Gefchichten, von denen
eine übrigens fchon von Knowles (Folk-Tales of Kashmir
1888, 165) mit der chriftlichen Legende verglichen wurde.

Es kann hier nicht unterfucht werden, ob zunächft der
lateinifche Text wirklich der ältefte ift oder ob er vielmehr
mit dem griechifchen zufammen auf denfelben Archetypus
zurückgeht. Mir fcheint er namentlich an der einen Stelle
das Urfprünglichere bewahrt zu haben, wo erzählt wird,
Placidas habe fein Weib am Hydafpes wiedergefunden.
Bouffet bemerkt dazu (a. a. O. 548): „Dem Herausgeber
des Bollandiften-Textes hat jene geographifche Angabe
großes Kopfzerbrechen gemacht. Er kann fich nicht

denken, daß der römifche Feldherr zum indifchen Hydafpes-
fluß (Horaz Oden I 22,8: quae loca fabulosus lambit
Hydaspes) gelangt fei. Daher will er lieber einen medi-
fchen Hydafpes annehmen (Vergil Georg. IV 211: Medus
Hydafpes), den es jedoch kaum im Unterfchied vom
indifchen gegeben haben dürfte. Man fieht aus diefen
Überlegungen, wie fchwierig die Annahme ift, daß ein
Abfchreiber den fernliegenden Fluß Hydafpers in die
Legende hineingebracht haben könnte." Trotzdem vertritt
diefe Annahme W.Meyer auch in feiner zweiten Publikation
, indem er (a. a. 0.1916,750) geltend macht: „Den Hydafpes
rechnet z. B. Darms bei Curtius (gemeint ift wohl die
Stelle IX, 4, [15,] 8) zu den munimenta feines Reiches.
Dann füge ich hinzu, daß im griech. Text Kap. 9 eingefetzt
ift ein großes Siegesfeft über die Perfer". Aber
das ift doch noch etwas Anderes, als wenn hier der indifche
Hydafpes nachträglich hereingebracht worden fein follte;
ja felbft wenn mit Kießling (Hydafpes, Realencycl. der
klaff. Altertumswiff. 2 IX, i, 1914, 35) ein perfifcher Fluß
diefes Namens anzunehmen fein wird, möchte ich doch
an jenen als den bekannteren denken und den griechi- .
fchen Text mindeftens an diefer Stelle für urfprünglicher
halten.

Weiterhin glaube ich, wie in der Patäcärä-Gefchichte
(vgl. darüber Bouffet a. a. O. 501 f. u. W. Meyer a. a.
O. 1916, 769 ff), fo in der von Visvantara eine Verwandte
der chriftlichen Legende fehen zu müffen, und zwar vor
allem eben wegen des vorhin befprochenen Zuges, auf
den zu diefem Zweck zuerft Garbe hingewiesen hat.
„Der Vater des Visvantara", fo fagt er (a. a. O. 100 f.)
„ift König im Lande der Sibi (Päli Sivi, griech. 2ißai),
und diefes Volk wohnte zwifchen Indus und Hydafpes.
Genau an der Stelle, wo Visvantara Frau, und Kinder
wiedergewinnt und nach dem Schauplatz der ganzen
Erzählung wiedergewinnen mußte, findet alfo Euftachius
feine Gattin und feine Söhne wieder, obwohl er fie nach
der Anlage der chriftlichen Erzählung dort nie hätte
finden können. Das kann unmöglich, zumal bei Berück-
fichtigung aller fonftigen Übereinftimmungen, als ein Spiel
des Zufalls angefehen werden."

Sofern W. Meyer endlich Wert darauf zu legen
fcheint, daß die Patäcärä-Gefchichte in der hier in Betracht
| kommenden Form erft im 1. oder 2. nachchriftlichen
Jahrhundert bezeugt und vorher wenigftens keine lieh er e
Spur von ihr nachzuweifen fei, möchte ich noch daran
erinnern, daß die Gefchichte von Visvantara fchon an den
Stupas von Bharhut und Sanchi, die in das 3. oder 2.