Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1917 Nr. 12

Spalte:

253-254

Autor/Hrsg.:

Stange, Carl

Titel/Untertitel:

Der Weg zu Gott 1917

Rezensent:

Eger, Karl

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

253

Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 12.

254

ihm aber ein kleines Gebiet mit wirklicher Souveränität. Auf
den Einwand, auch mit folchem werde der Papft nicht iicher vor
Bedrückung fein, fobald Italien im Kriege ift, erwidert Hoeber,
es handle fleh nicht um die Zahl der Quadratkilometer; auch
größere Staaten wie Griechenland, die neutral bleiben wollen,
feien nicht vor Plackerei ficher. Ganz richtig, nur würde ich
folgern: hilft alfo felbft größerer Landbefitz nichts, fo flehert auch
kleiner den Papft nicht. Entfcheidend ift, ob die Italiener in
einer Lage, wie der jetzigen, Gefandte und Prälaten der ihnen
feindlichen Länder in oder dicht bei Rom dulden würden. Wer
glaubt, daß hier je etwas anderes de leiten wird, als sacro
egoismo?

Kiel. H. Mulert.

Meffer, Prof. Dr. Auguft: Die Philofophie der Gegenwart. (Wiffen-
fchaft u. Bildg. 138.) (140 S.) kl. 8°. Leipzig, Quelle & Meyer
1916. M. 1 — ; geb. M. 1.25

Seine in drei Bändchen (Altertum u. M. A., Neuzeit, 19. Jahrhundert
) erfchienene, fchon in 2. Aufl. vorliegende Gefchichte der
Philofophie fchließt Meffer jetzt mit einer Darftellung der Philofophie
der Gegenwart ab. Er teilt ein I: Religiös-kirchliche Philofophie
. II: Irrationaliftifche Philofophie. Hier wird Bergfon auf zehn
Seiten kritifch behandelt, es werden aber auch allerlei irrationaliftifche
romantifche und myftifche Lebensformen und Stimmungen
insbesondere die moderne Theofophie, gefchildert. III: Rationali-
ftifche (wiffenfchaftl.) Philofophie. 1. Naturwiff. orientierte Ph.:
Häckel, Oftwald, Unold, (E. v. Hartmann und) Wundt. 2. Kulturwiff.
orientirte Ph.: Windelband und Rickert. 3. Erkenntnistheoretifch
orientierte Ph.: der Pofitivismus (Mach), Vaihinger, der Pragmatismus
(deffen Erfetzung der wiffenfehaftlichen Wahrheit durch
den Begriff der praktischen Nützlichkeit zum englifchen ,cant' in
Beziehung gefetzt wird), der kritifche Idealismus (Cohen und
Natorp), Hufferls Phänomenologie und endlich der ,kritifche Realismus
', dem der Verf. lieh offenbar felbft zurechnet: er foll die
berechtigten Momente der vorher gefchilderten mehr oder minder
einfeitigen Auffaffungen in fleh vereinigen, läßt an und für fleh
verfchiedene Geftaltungen zu, moniftifche oder dualiftifche, thei-
ftifche, pantheiftifche oder atheiftifche, nur daß er eine vom Erkennen
unterfchiedene, vom Erkennen nicht geschaffene, auch
nicht einfach abgebildete, fondern (in wachfender Annäherung,
auf Grund der Einzelwiffenfchaften) kritifch beftimmte Wirklichkeit
annimmt.

Die Rel. Kirchl. Philofophie unterscheidet kathol. und proteft.
Ph., behandelt beide Mal zuerft das Verhältnis von Glauben und
Wiffen, hernach dort: Neufcholaftik, Modernismus und Schell, hier
Wernle und Eucken. Statt Wernle (deffen Einleitung freilich ein
bequem zugängliches Objekt bildet) würde man Herrmann und
Troeltfch erwarten. Sollte Eucken nicht unter die Kulturphilofo-
phie gehören? Dort ift Rickert (mit 14 S.) übermäßig ausführlich
(aber nicht entfprechend klar) behandelt, dafür kommt Wundt
(mit 3 Seiten) viel zu kurz weg. Wenn man Text S. 73 unten mit
Anm. 32 vergleicht, merkt man, daß Gottfried und Friedrich Traub
zufammengeworfen find. Sonft bin ich dem Büchlein für Belehrung
und Anregung dankbar.

Hannover-Kleefeld. Schufter.
Schultheß-Rechberg, Prof. D. Guftav v.: Wirrenfehaft und Per-
fönlichkeit. (Anfprache im Feftgottesdienft zur Einweihg. der
neuen Universität in Zürich am 19. April 1914im Fraumüfter (!).
(16 S.) 8". Zürich, Art. Inftitut Orell Füßli (1914). M. — 60
S. fpricht in warmen Worten vom Werte der Wiffenfchaft,
von ihrer religiöfen Weihe und ihrem sittlichen Segen, weift aber
auch darauf hin, daß wir größeres als fie kennen, das persönliche
Leben. Die Harmonie von Denken und Leben Tuchen wir
nicht mehr, wie frühere Gefchlechter, im Objektiven, als ob Objektivität
des wiffenfehaftlichen Erkennens und des künstlerischen
Schauens von fleh aus zu Gott führen müßten, fondern in der
Energie des perfön liehen Lebens liegt für uns die Verbindung.
Schade, daß die offenbar kurz bemeffene Feierstunde ein tieferes
Eingehen in diefe wichtigen Gedankenreihen nicht gestattete.

Göttingen. Titius.
Stange, Prof. Dr. Carl: Der Weg zu Gott. (16 S.) gr. 8». Göttingen,
C. Spielmeyers Nachf. 1916. M- — 50

Die Vernunft kann nicht den Weg zu Gott darbieten, weder
in der Form, daß fie die Ordnung der Welt als Tat Gottes begreift
, noch in der andern, daß fie auf Lücken der Naturzufam-
menhänge hinweift, die fie nur durch den Begriff ,Gott' auszufüllen
vermöge. Im erfteren Fall liegt die Vermenfchlichung
des Göttlichen (wie fie den Gottesvorftellungen der heidnifchen
Religionen charakteriftifch ift) klar zu Tage; auch im letzteren

Fall ift fie unverkennbar: der Weg zu Gott kann nur über
die Anerkennung des Geheimniffes in der Wirklichkeit führen.
Die Wirklichkeit geht eben, wie wir gegenüber der Tatfache
unferes eigenen Lebens erfahren, über die Erkenntnisfähigkeit
der menfehlichen Vernunft hinaus. Dies Geheimnis in lieh
einftrömen zu laffen im Gebet: das ift der Weg zu Gott.
Das Bedenken dagegen, daß die Erkenntnis Gottes auf das
Wollen der Menfchen gegründet werde und damit auf unzuver-
läffigem Boden fteht, erledigt fleh durch die Erwägung, daß die
Erkenntnis des sittlichen Wefens anderer auch nur auf Grund
eines Willenaktes möglich, aber darum nicht minder zuverläffig
ift. Das ftärkfte und lebendigfte Gebetsleben erfcheint in der
biblifchen Religion der vollkommenen Offenbarung des lebendigen
Gottes. Unfere Erkenntnis Gottes durchs Gebet ift nicht
drauf angewiefen, daß der einzelne in feinem Gebet Gottes
Wefen immer felber neu entdeckt; er fteht mit feinem Gebetsleben
im großen Zufammenhang der Gefchichte der Offenbarung.
— Das die Hauptgedanken der Schrift, die für einen gebildeten
Leferkreis gemeinverständlich gefchrieben ift. So gerne ich dem
Hauptfatz St.'s zustimme, daß das Gebet der wahre Weg zu Gott
ift, fcheinen mir doch manche Einzelausführungen die Lefer
fehwerlich überzeugen zu können. Es ift ein Widerfpruch, wenn
zuerft die heidnifchen Religionen rein als Vermenfchlichung des
Göttlichen charakterisiert werden und dann doch das Gebet als
die Religion felbft', und zwar in bezug auf alle Religionen, bezeichnet
wird. Es ift nicht einleuchtend, daß das Gebet, das zuerft
als Einftrömenlaffen des Geheimniffes in uns beftimmt wird, gleich
danach ohne weiteres als ,Hineinrufen in die verborgene Welt,
in der nur das menfehliche Wort ein Echo findet', gefaßt wird.
Hier fehlen Zwifchenglieder in der Gedankenführung, die für den
Eindruck des Ganzen von entfeheidender Wichtigkeit find.

Halle a. S. K. Eger.

Ihmels, Prof. D. Ludwig: lefes Chriftus die Wahrheit und das
Leben. Zwei Predigten. 2. Aufl. (40 S.) 8°. Leipzig, A. Deichen
1916. M. —50
Eine Feftpredigt für innere Miffion und eine Ofterpredigt
von 1903, damals halb zufällig in einem Heft gedruckt, erleben
jetzt eine zweite Auflage, für die fie natürlich unverändert blieben.
Wahrfcheinlich ift die ftarke Nachfrage wefentlich der erften
Predigt über die Pilatusfrage zuzurechnen, die die geiftige und
religiöfe Situation der Zeit in knappen, fcharfen (auch heut, trotz
der Kriegserlebniffe) noch wefentlich zutreffenden Strichen fchil-
dert und jene Frage in ruhiger Entfchiedenheit und ,in Barmherzigkeit
' mit Luthers Erklärung zum 2. Artikel beantwortet.

Gießen. M. Schian.

Engelhardt, Kirchenr. Gymn. Rel.-Prof. D. Wilhelm: Der Geift
der heiligen Schrift. Die fog. Inrpirationslehre im höheren
Jugendunterricht. (Zeitfragen ev. Pädagogik, 1. Reihe, 3. Heft.)
(33 S.) gr. 8". Berlin, F. Zilleffen 1916. M. — 75

Überrafchend frei und weit wird hier die Schrift behandelt:
infpiriert d. h. gottbegeiftert und von Gottes Geift erfüllt ift die
Schrift, weil wir den Geift Gottes fpüren, vor allem in der Art,
wie die Gefchehniffe erzählt werden. Das wird vom Anfang bis
zum Ende durchgeführt, indem die Wahrheiten und Kräfte her-
ausgeftellt werden, die das Wefen diefer fchöpferifchen Geiftes-
macht ausmachen. Viele kritifchen Urteile werden dabei hypo-
hetifch eingeführt, als folche, die dem Geift Gottes nichts rauben
, den das Ganze atmet. Wie freut man fich, ganz und gar
zuftimmen zu können!

Heidelberg. F. Niebergall.

Beleites, Georg: Wie führe ich mein Kind zu Gott? Wege und
Ratfchläge f. Eltern u. Lehrer. (Zeitfragen evang. Pädagogik
1. Reihe , 4.) (44 S.) gr. 8". Berlin, F. Zilleffen 1916. M. —90
Ganz hübfeh werden die drei Weifen der Offenbarung Gottes
Natur, Gewiffen und Schrift, ad usum delphini durchgegangen!

Heidelberg. F. Niebergall.

Brammer, Sem.-Lehr. H.: Der Kampf um den Religionsunterricht
im Lichte des Weltkrieges. (Zeitfragen evang. Pädagogik 1. Reihe,
5. Heft.) (35 S.) gr. 8«. Berlin, F. Zilleffen 1916. M. —75
Nicht ohne den gereizten Ton des alten Schulkämpfers
wird hier über allerlei Vorrchläge liberaler Schulmänner, die die
Kriegsreligion auf ihre Weife aufraffen und in den Unterricht einführen
wollen, als über Verletzungen des Burgfriedens geklagt,
während doch nur der Glaube an das ftellvertretende Leiden in
dem Krieg wieder beftärkt worden fei. Wird auch das bewährte Alte
beizubehalten gefordert, fo foll doch manches nicht bewährte be-
feitigt werden — juft, was unfer einer auch will.
Heidelberg. Niebergall.