Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1917

Spalte:

215-216

Autor/Hrsg.:

Tangl, Michael (Hrsg.)

Titel/Untertitel:

Die Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus 1917

Rezensent:

Ficker, Gerhard

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

215

Theologilche Literaturzeitung 1917 Nr. 11.

216

(III, 360 S.) 8°. Gütersloh, C. Bertelsmann 1916.

M. 5.25; geb. M. 6-
Diefe Auslegung der Offenbarung Johannis für ,ge-

ex monumentis Germaniae hist. separatim ed. Tom. 1.)
(XL, 321 S. m. 3 Lichtdr.-Taf.) gr. 8°. Berlin,
Weidmann 1916. M. 6 —

bildete Schriftgläubige' erhebt zugleich ausdrücklich den I Mit diefer fchönen Ausgabe wird eine neue Abteilung
Anfpruch auf ,wiffenfchaftlich-theologifche Wertung fei- der Schulausgaben der Monumenta Germaniae historica,

tens derer, die der Offenbarung Jefu Chrifti Glauben
fchenken' und muß deshalb auch in diefem Blatt berück-
fichtigt werden. Die hier vorgelegte Auffaffung der Apo-
kalypfe ift die von Auberlen begründete fog. reichsge-
fchichtliche, verbunden mit manchen Elementen der verwandten
kirchengefchichtlichen. Die vom Apoftel Johannes
verfaßte Offenbarung will nicht einzelne Ereigniffe der
Kirchengefchichte, fondern ,die großen Epochen und die
leitenden Potenzen der Entwicklung des Reiches Gottes

die der Epistolae selectae eröffnet. Sie tritt den .Epistolae'
an die Seite und foll (wie die Scriptores) hier bereits veröffentlichte
Urkundenreihen einem weiteren Kreife zugänglich
machen oder vorbereitende Ausgaben bringen,
denen dann in der Hauptreihe die abfchließende Arbeit
folgen wird. Bei den vorliegenden Bonifatiusbriefen haben
wir es nicht mit einer Wiederholung der Dümmlerfchen
Ausgabe von 1892 zu tun, fondern mit einer ganz neuen
Arbeit, die weit über die frühere hinausführt. Allerdings

in feinem Verhältnis zum Weltreich darfteilen'. Der An- i jft aus praktifchen Gründen die Anordnung der Dümm
fang diefer Entwicklung liegt in den apoftolifchen Ge- ! Rrfchen Ausgabe beibehalten worden; aber im Einzelnen
meinden, ihr Endziel ift die neue Welt mit dem himm- wje jm Ganzen ift durch die genaue Unterfuchung der
lifchen Jerufalem. Kap. 2 und 3 betreffen das apoftohfche j Überlieferung und durch die Verwertung der Ergebniffe
Zeitalter; Kap. 4—11 die Entwicklungszeit, dann Kap. ejn großer Fortfehritt erzielt worden.

6—8, 5 den Verfall der alten Kirche und die Sammlung
des wahren Volkes Gottes, Kap. 8, 6—11, 19 die Anbahnung
des Gerichts über die Völkerwelt. Kap. 12—20
bringen Offenbarungen über die endgefchichtliche Ge-

Der Herausgeber hat fchon in der erfolgreichften
Weife an der Gefchichte des Bonifatius und feiner Briefe
gearbeitet; ich erinnere an feine vorzügliche Unterfuchung
über des Bonifatius Todesjahr in der Zeitfchrift des Ver-

richtszeit und Kap. 21—22, 5 über die Vollendungszeit, j eins für heffifche Gefchichte und Landeskunde, NF. 27,
Das Buch ift in prophetifcher Bilderfprache gefchrieben, j 1903, 223—250, über die Fuldaer Privilegienfrage in den
zu der der Schlüffel gefunden werden muß. In diefer j Mitteilungen ,des Inftituts für öfterreichifche Gefchichts-
Bilderfprache bedeutet z. B. die große Babel ,die von j forfchung', 20 1899, 193—252, über das Bistum Erfurt in

Chriftus abgefallene weltfelige und unheilige Kulturge-
meinfehaft', das Meer das unruhige mächtige Völkerge-
woge, die Erde die beftehende gefchichtliche Ordnung
der Kulturwelt, die Infein kleine felbftändige Staatengebilde
; der Löwe ift das Abzeichen der Königsmacht, das
Rind das Wappentier des Priefteramts, der Reiter auf
fchwarzem Roß der Mangel an geiftigem Lebensbrot;
die beiden Zeugen find das alte und das neue Teftament
(und hier taucht auch die antichriftliche Bibelkritik der
Kulturwelt auf, der die beiden Zeugen zum Opfer fallen)
ufw. ufw. — Wenn der Verf. wiffenfchaftlichen Wert für
feine Arbeit beanfprucht, fo hätte er das Recht diefer
Auffaffung der Apokalypfe wenigftens durch eine gründliche
und forgfältige Auseinanderfetzung mit den abweichenden
Auslegungsmethoden, insbefondere mit der zeit-
gefchichtlichen, und mit der neueren wiffenfchaftlichen
Literatur über das Buch überhaupt dartun müffen. Daran
fehlt es leider faft ganz. Der Abfchnitt über ,die verfebiede-
nen Auffaffungen der Offenbarung' S. 4—17, der das Recht
der reichsgefchichtlichen Deutung erweifen foll, ift überaus
dürftig und völlig ungenügend. Die zeitgefchicht-
liche Erklärung wird im wefentlichen mit den z. T. kindlichen
Gründen Ebrards, Kübels und I. P. Langes abgetan
, die inzwifchen durch ihr Alter nicht beffer geworden
find. Und von einer wirklichen Kenntnis oder gar

den Gefchichtlichen Studien für A. Hauck, 1916, 108—120,
an feine Überfetzung der Briefe des Bonifatius in den
Gefchichtfchreibern der deutfehen Vorzeit, 92. Band, 1912.
Diefen Arbeiten treten jetzt zur Seite die eben erfchienenen
Studien zur Neuausgabe der Bonifatiusbriefe (X Teil) in
dem Neuen Archiv der Gefellfchaft für ältere deutfehe
Gefchichtskunde 40, 1916, 639—790, deren zweiter Teil
im 41. Bande des Archivs folgen foll.

Die Ausgabe gründet fich auf die drei führenden, ali ein
felbftändigen Handfchriften: München, Hof- und Staatsbibliothek
, lat. 8112, die entgegen den bisherigen Anfatzen
an den Ausgang des 8., fpäteftens an den Anfang des
9. Jahrhunderts gefetzt wird, Karlsruhe, Hof- und Landesbibliothek
Raftatt 22, die ebenfalls anders als bisher,
nämlich auf die Mitte des 9. Jahrhunderts datiert wird,
Wien, Hotbibliothek, lat. 751 aus der Mitte des 9. Jahrhunderts
; alle drei Handfchriften find in Mainz entftanden;
die dritte ift deswegen fo bedeutend, weil für ihre Nach-
lefe Originale des Mainzer Archivs benutzt worden find.
Diefen Handfchriftenliegen zwei Sammlungen zugrunde, die
nach ihrem Inhalt als Collectio pontificia und Collectio
communis unterfchieden werden. Wie fie geftaltet waren,
wird in überfichtlichen Tabellen dargelegt. Es er weift
fich auch hier der kritifche Grundfatz als der einzig
richtige und fruchtbringende, daß nicht nur die Stücke

Auseinanderfetzung mit den modernen wiffenfchaftlichen j im Einzelnen, fondern die Stücke als Teile einer Sammlung
Bemühungen um das Verftändnis der Offenbarung merkt | unterfucht werden müffen. Das fchließt nicht aus, daß
man jedenfalls nichts in der Arbeit. — Auch die Hoff- : nicht auch durch die Unterfuchung des Diktates, des
nung, daß wenigftens das Verftändnis von Einzelheiten Stiles ufw. wichtige Refultate erzielt werden. Die neuen
des rätfelhaften Buches durch den Verf. gefördert werde, , Ergebniffe find in den Überfchriften der Briefe und in
erweift fich leider als trügerifch. Sie ift freilich nicht cjen Anmerkungen niedergelegt, in den .Studien' begründet,
mehr groß, wenn man S. 67 das Verzeichnis der Bücher ! r)je neu gewonnene Reihenfolge ift in der Tabelle der
gelefen hat, die im wefentlichen benutzt worden find. | Einleitung S. XXXVII—XXXIX verzeichnet

Sorgfalt und Mühe find reichlich aufgewandt worden
und der Bibellefer findet manche gute Bemerkung. Aber
auch dies Buch fcheint mir ein Beweis dafür zu fein, daß
der Bibellefer von der Offenbarung des Johannes durch
die nüchterne zeitgefchichtliche Erklärung viel mehr Ge

Die übrigen erhaltenen Handfchriften gehen auf die
beiden zuerft genannten zurück; auch fie find im kritifchen
Apparat berückfichtigt, da fie für die Gefchichte des
Textes und der Ausgaben von Wichtigkeit find.

Alles in Allem, wir haben hier eine mufterhafte, gewinn
haben wird als bei einer derartigen .reichsgefchicht- | radezu vorbildliche Ausgabe vor uns. Die Ausftattung läßt
liehen' Auslegung, die im Grunde ein willkürliches Raten j nichts zu wünfehen übrig. Dankbar find wir auch für die
bleibt. | drei Lichtdrucke, die beigefügt find; von den drei führenden

Marburg. Heitmüller.

Die Briefe des heiligen Bonifatius und Lullus. Hrsg. v.
Michael Tangl. (Epistolae selectae in usum scholarum

Handfchriften ift je eine charakteriftifche Probe gegeben.

Ein Druckfehler darf nicht unerwähnt bleiben: S. 222,
37 Origines für Origenes.

Kiel. G. Ficker.