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Ausgabe: | 1917 Nr. 10 |
Spalte: | 196-198 |
Autor/Hrsg.: | Bohrmann, Georg |
Titel/Untertitel: | Spinozas Stellung zur Religion 1917 |
Rezensent: | Ostertag, ... |
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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 10.
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wappen wegzuwifchen. Der Abfall wurde reichlich belohnt
. Zum Fürftentitel erhielt Karl ein wirkliches Für-
ftentum: 1613 das Herzogtum Troppau; 1622 tat Ferdinand
II. das Herzogtum Jägerndorf mit der Stadt Leob-
fchütz, deffen bisheriger Befitzer Johann Georg v. Hohen-
zollern als Parteigänger des Winterkönigs der Acht und
Aberacht verfallen war, hinzu. Die landesherrliche Oberhoheit
behielt der Kaiier bei. Durch die Hohenzollern
gefördert, hatte das Luthertum, mit dem der Calvinismus
zu wetteifern begann, dafelbft feften Fuß gefaßt. Bei
der Übernahme der Herrfchaft gelobten fich die Liech-
tenfteins, das Land wieder katholifch zu machen, wie
wohl fie zunächft den evang. Ständen religiöfe Duldung
verfprachen. Die Gefchichte der Gegenreformation
in den genannten Schlefifchen Herzogtümern war
bisher in Dunkel gehüllt. Auf Grund von umfaffen-
den Aufzeichnungen im Liechtenfteinfchen Hausarchiv
zu Wien, die er entdeckt hat, entwirft nun Loefche in
der ihm eigenen Weife ein eindrucksvolles Bild von dem
erfchütternden, an Entfagung und Standhaftigkeit reichen
Kleinkrieg gegen die Ketzer, der fein Ziel, die Ketzerei
reftlos auszurotten, trotz aller Gewaltmittel doch nicht
erreicht hat. Der Verfaffer fchöpft feine Quellen ganz
aus, fo daß wir zeitweilig dem Gang der Dinge von einem
Tag zum andern, ja von Stunde zu Stunde zu folgen in
der Lage find. Freilich find die Aufzeichnungen nicht
lückenlos, aber die Ausführungen vermitteln einen Ge-
famteindruck der Gegenreformation in Schlehen. Die
ausführliche Einleitung, in der Loefche die fchlefifchen
Fürften aus dem Haufe Liechtenftein und die Kaifer als
die Oberherren vorführt und die Religionspolitik in
Schlehen in großen Zügen darlegt, rundet die Darfteilung
nach allen Seiten hin ab. Die Markfteine in der Gefchichte
des fchlefifchen Proteftantismus find: das Religionsftatut
v. 1. Mai 1630, demzufolge die Erlangung irgendwelcher
Rechte vom Treugelöbnis zur römifchen Kirche abhängig
gemacht wurde, der Weftfälifche Friedensfchluß, bei dem
aber die Herzogtümer Troppau und Jägerndorf unberück-
hcht blieben, die Altranftädter Konvention v. 22. Auguft
1707, die den Evangelifchen in unferen Herzogtümern
nach § 3 des erften Artikels das Privatexerzitium gewährte
, und das Toleranzpatent Jofefs II. 1781, das in ganz
Ofterreich den Proteftantismus wieder aufleben ließ.
Bei Leobfchütz, das in den Schlefifchen Kriegen an Preußen
hei, nahmen die Dinge durch die friederizianifche
Gefetzgebung einen völlig andern Verlauf. Im Rahmen
diefer Ereigniffe verarbeitet Loefche feinen Stoff. Die
Machthaber griffen zu den beliebten Mitteln der Gewiffensknechtung
: Sperrung der Kirchen, Verjagung der Prädi-
kanten, Zwangseinquartierungen, die in Schlehen und
nicht erft unter dem Sonnenkönig gegen die Wider-
fpenftigen in Anwendung kamen, Vorenthaltung der
Lebensmittel und Arznei, durch welche befonders die
Leobfchützer Evangelifchen mürbe gemacht werden foll-
ten, Ausweitung der evangelifchen Eltern und katholifche
Zwangs-Erziehung der Kinder, Beichtzwang, Vifitatio-
nen, Überwachung der Beobachtung der Faftenge-
bote, ftrenge Beftrafung wegen Auslaufens zu evang.
Gottesdienft, Förderung der ,Seligmacher' aus dem Jefu-
itenorden u. a. m. Vgl. bef. die Jagerndorfer Inftruktion
von Karl Eufebius 1632. Die Evangelifchen gaben nicht
nach: der Adel hielt Prädikanten verfteckt und weigerte
hch, geftützt auf fein Patronatsrecht, die Kirchen zu kath.
Gottesdienft herzugeben, die Städter leifteten offenen
Widerftand; wiederholt wird von Weibertumulten berichtet
— Weiberrevolution zu Jägerndorf am 21. April 1626 —.
Bittgefuche und -gänge nach Wien, die von auswärtigen
evang. Fürften unterftützt wurden, — die Leobfchützer
taten es viermal — brachten mitunter vorübergehende
Erleichterungen. — Im allgemeinen mußten die
Evangelifchen froh fein, wenn ihnen das beneficium emi-
grandi bei freiem Verkauf ihrer Habe gewährt wurde.
Man bezichtigte die Unkatholifchen der Hinneigung zu
den Schweden und Dänen, die während des 30jährigen
Krieges die Herzogtümer unter Förderung des Luthertums
zeitweilig befetzt hielten, und glaubte fich berechtigt
, fie als Hochverräter zu behandeln. Der wirtfchaft-
liche Niedergang blieb nicht aus: in Leobfchütz fank die
Zahl der lafttragenden Bürger von 600 auf 200 herab.
Eine reiche Fülle von Einzelbegebenheiten beleuchtet
diefe Vorgänge.
Daß die Regierung die Ketzerei nicht niederzuringen
imftande war, zeigt die Abhandlung Loefches über die
Maßnahmen der Kaiferin Maria Therefia gegen die evangel.
Wallachen in der Wfetiner Gegend (Mähren). Das Hofdekret
Karl VI. v. 28. Dez. 1725 ftellte dem Denunzianten
eines Ketzers fogar eine Belohnung von 100 Speziestalern
in Ausficht. Dennoch bekannten fich im Mai
1770 die Bewohner von 60 Orten zum ev. Glauben. Bei
der Behandlung der Angelegenheiten im Wiener Staatsrat
wird trotz gegenteiliger Anflehten die Duldung erwogen
. Da der Glaube eine Gabe Gottes fei, fchlägt Kaunitz
ein befchränktes Privatexerzitium vor. In den eingeholten
Gutachten von Sachkennern — der Bifchof Hay
und der Dechant Kindermann — wird die katholifche
Geiftlichkeit wegen ihrer Unzulänglichkeit für die Ausbreitung
der Ketzerei verantwortlich gemacht. Die Kaiferin
empfiehlt Milde, ohne fich zur tatfächlichen Duldung
entfchließen zu können. Ihre Sorge gilt vor allem
den unmündigen Kindern, für deren Seelenheil zu forgen
fie fich verpflichtet fühlt. Trotz einzelner Abftiftungen
feierten 4000 ev. Dörfler am 13. Mai 1780 den Geburtstag
der Kaiferin in Wifowitz mit evang. Gottesdienft.
Das Toleranzpatent Jofefs II. im darauffolgenden Jahre
machte der recht unficheren Lage ein Ende. Als Beitrag
zur Entftehungsgefchichte der öfterreichifchen Toleranz-
gefetzgebung ift Loefches Unterfuchung, die neues Aktenmaterial
zu Tage fördert, von erheblichem Werte.
Wien. Karl Völker.
Spinoza: Briefwechfel. Übertragen u. m. Einleitg., An-
merkgn. u. Regifter verfehen v. Carl Gebhardt. (Philo-
fophifche Bibliothek Bd. 96 a.) (XXXVIII, 388 S.) 8°.
Leipzig, F. Meiner 1914. M. 4—; geb. M. 5 —
— Lebensbelchreibungen und Gefpräche. Übertragen u. hrsg.
v. Carl Gebhardt. (PhilofophifcheBibliothek Bd. 96b.)
(XI, 147 S. m. Bildnis) 8°. Ebd. 1914.
M. 2.50; geb. M. 3 —
Bohrmann, Dr. Georg: Spinozas Stellung zur Religion.
Eine Unterfuchg. auf der Grundlage des theologifch-
politifchen Traktats. Nebft e. Anh.: Spinoza in England
(1670—1750). (IV, 84 S.) 8». Gießen, A. Töpel-
mann 1914. M. 2.40
Huan, Dr. Gabriel: Le Dieu de Spinoza. (Collection histo-
rique des grands Philofophes.) (338 S.) gr. 8°. Paris,
F. Alcan I9I4. fr. 5 —
Den bisherigen Ausgaben der Philofophifchen Biblio-
| thek von Spinozas Werken reihen fich hier Briefwechfel
und Lebensbefchreibungen in deutfeher Überfetzung an,
eine Ergänzung von der mehr menfehlich-perfönlichen
Seite des Philofophen her, die man freudig willkommen
heißen wird, umfomehr als die Ausgaben aus der berufenen
Feder Gebhardts Hammen. Sie dürften denn auch
gegenwärtig das Befte ihrer Art darfteilen. Diefe Edition
zeichnet fich aus durch Vollftändigkeit der Texte und
deren forgfältige Geftaltung, durch fachlich wertvolle Einleitungen
(Gedankenkreis und Perfonen der Korrefpon-
denten bzw. Biographen), durch Anmerkungen und Regifter.
Die Wiedergabe des Briefwechfels (85 Briefe von und an
Sp.) ift genauer und umfaffender als die vorhandenen
Überfetzungen und die Vloten-Landfche Ausgabe. Sie