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Ausgabe:

1917

Spalte:

191-192

Autor/Hrsg.:

Meyer, August

Titel/Untertitel:

Der politische Einfluß Deutschlands und Frankreichs auf die Metzer Bischofswahlen im Mittelalter 1917

Rezensent:

Lerche, Otto

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Seite 1

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Theologifche Literaturzeitung 1917 Nr. 10.

192

213 ff. fein dargelegt hat. Doch fchafft die Bibel als
Ganzes, den Menfchen von Kindheit an vertraut, auch
eine gemeinfame feelifche Atmofphäre, kraft deren der
eine die Erlebniffe und Erfahrungen des andern zu deuten
und zu befchreiben vermag. Sie wird gemeinfamer Be-
fitz der Menfchheit; entfaltet dank der innerlichen Ver-
wandtfchaft von Religion und Kunft ihre befonderen Reize
bei den Künftlern und durch fie. Insbefondere hat fie
uns Deutfchen, die wir eine fchwere Art haben und viel
Mühe des Lebens auf uns nehmen müffen, die wir meift
nur durch Zweifel und Kampf, durch den Bruch hindurch
auf des Schaffens Höhe gelangen, viel gegeben und noch
viel zu geben. Heliand, Myftiker, Luther, Büchmanns
geflügelte Worte find des Zeugen; alle unfere Klafüker
haben ein inniges Verhältnis zur Bibel gehabt und jeder
an feinem Teil eigentümliches zu ihrem Verftändnis beigetragen
; auch die Klaffiker der Philofophie zeigen fich
von ihren Bildern und ihrer Sprache vorteilhaft beeinflußt.
Von dem ftarken Bibeleinfluß grade an Wendepunkten
des Lebens und Höhepunkten der Arbeit wendet der
Blick fich zur Gegenwart: tief ernft eindringend in die
Schäden der neuzeitlichen Kultur, die bei allen technifchen
Eortfchritten doch die Kultur felbft in Frage ftellt, weil
fie nichts mehr über fich kennt, darum nach unten abhängig
, felbftfüchtig, kleinlich wird, findet er die Rettung
in einer vollbewußten Abkehr von der felbftgefälligen
Nichtigkeit diefer Kultur zu der Religion und deren Buch,
der Bibel. Fürwahr ein glänzendes Zeugnis, zumal aus
folchem Munde, für das alle Bibelfreunde dankbar fein
werden.

Halle. von Dobfchütz.

Meyer, Auguft: Der politifche Einfluß Deutfchlands und
Frankreichs auf die Metzer Bifchofswahlen im Mittelalter.

(IX, 133 S.) 8°. Metz, P. Müller 1916. M. 3 —;geb. M. 4 —
Das zur Erörterung geftellte Thema hätte eine tiefere
und eingehendere Behandlung verdient. Der Kampf um
das lothringifche Grenzland ift bekanntlich noch nicht
abgefchloffen und die Frage nach einer von beiden Seiten
anerkannten Grenze ift feit und trotz den Friedensverträgen
und Teilungen von Verdun und Merfen nicht gelöft. Es ift
felbftverftändlich, daß die deutfche Reichsregierung foweit
nur irgend möglich die Sicherung der Grenzlande im Auge
behalten und jegliches Abbröckeln verhindern mußte. Be-
fonders energifche Männer find von den Königen mit befonderen
Machtbefugniffen ausgeftattet in die Grenzlande gefetzt
. Wie im Offen, fo hatte auch im Weften die deutfche
Kirche als ein Organ der Reichsverwaltung wichtige politifche
Aufgaben zu erfüllen. Die Bifchöfe find als Inhaber
der Grafengewalt in hervorragender Weife geeignet, den
Kaifer in feinen Funktionen zu vertreten. Diefe Funktionen,
für die die Bifchöfe einzutreten hatten, waren im Offen
mehr rein kriegerifcher Art, während es fich im Weften
um rein politifche, ja um diplomatifche Aufgaben gehandelt
hat. Dem Inhaber des Metzer Bistums ift da eine ganz
befondere Bedeutung zuzumeffen. Es ift die Frage, wie
er im Lauf der Zeiten feine politifche Orientierung gefunden
hat.

Vorbedingung zur Löfung diefer Frage ift ein Überblick
über die Entwicklung der Metzer Bifchofswahl überhaupt
. M. zeigt an der Bifchofsreihe, wie die Befetzung
des Metzer Stuhls vom frühen Mittelalter an bis zum
Inveftiturftreit von Klerus und Volk vorgenommen ift.
Sodann fchildert er die mannigfachen Schwierigkeiten,
die der Kampf zwifchen Kaifer und Papft auch bei Befetzung
der cathedra Mettensis verurfacht hat. Ein Jahrhundert
lang ift darauf die Befetzung des Metzer Stuhles
vom Kaifer beeinflußt geblieben, bis dann das aufftrebende
Domkapitel die politifch wie kirchlich angefehene Pfründe
zu einem Zankapfel der edelften Gefchlechter Lothringens
gemacht hat. Der Ausgang des Mittelalters zeigt die
Befetzung des Bistums durch päpftliche Provifion, die

gelegentlich nur durch ganz ftarke Perfönlichkeiten auf
dem deutfchen Königsthron (Karl IV. und Siegismund)
beeinflußt ift. Der Darfteilung M.'s fehlt durchaus der
große Zug, den die Behandlung einer fo wichtigen Frage
zeigen müßte. Die Reihenfolge der Bifchofswahlen ift
chronologifch aneinandergereiht, und nur ganz gelegentlich
ift auf die kirchenrechtliche oder politifche Bedeutung
des einen oder andern Umftandes hingewiefen. Der
Druck könnte forgfältiger fein.

Leipzig. Otto Lerche.

Nederlandfch Archief voor Kerkgelchiedenis. N. S. 12. u. 13.

Deel. gr. 8°. 's-Gravenhage, M. Nijhoff 1916.
Die holländifche Zeitfchrift für Kirchengefchichte
gehört zu den tüchtigften Zeitfchriften ihrer Art, eine
reiche ihr zu Gebote flehende Landesgefchichte ermöglicht
ihr diefe Höhenlage. Den territorialkirchengefchichtlichen
Rahmen hat der vorliegende Band nur zweimal durchbrochen
. Zunächft in dem Eröffnungsauffatz von A.
Eekhof über ,Luther und die Pilatustreppe in Rom'.
Durch O. Scheel (Theol. Rundfchau 15 S. 87), der fich
auf eine Mitteilung von Profeffor Wenzelborger in der
,Kölnifchen Zeitung' 1912 Nr. 61 ftützte, war eine Delft-
fche Mauerfliefe, jetzt im Mufeum für Altertümer in Rotterdam
, bekannt geworden mit der Infchrift: wie weet oft
waar is, Worte, die nach der von Buchwald neugefundenen
Predigt vom 15. Nov. 1545 Luther auf der Romreife auf
der Höhe der Pilatustreppe lateinifch (quis seit, an sit
verum?) gefprochen hat. Man hatte beides in Beziehung
zueinander gebracht, derart, daß die Lutherworte geflügelte
Worte wurden und ihren Weg in die Welt fanden. (So
z. B. auch v. Schubert in der dritten Ausgabe des Haus-
rathlchen.Luther S. 578). Grifar (Luther III S. 958) fragte,
ob das Wort ,nicht etwa ein älteres Erzeugnis römifcher
Renaiffancefkepfis' fei, und Böhmer (Luthers Romfahrt
S. 121) fchloß fich dem an. Gegenüber den beiden letzteren
ftellt E. feft, daß eine Abbildung der Pilatustreppe fich
nicht auf dem Delfter Stück befindet, und dann weift er
die Übereinftimmung im Wortlaut als zufällig nach. Derartige
fprichwörtliche Redensarten in Frageform find auch
fonft in Holland auf Ziegeln nachweisbar, fpeziell die: wie
weet oft waar is. Die Legende zu diefer Frage, die E.
mitteilt, hat mit der Pilatustreppe nichts zu tun. — Eine
grundfätzliche, methodologifche Frage zur Kirchengefchichte
erörtert Lindeboom u. d. T. .tlieologifche Kirchengefchichte
', ein kritifches Referat über Jordans Erlanger
Antrittsrede bietend (die K. G. als theologifche Wiffen-
fchaft, in NKZ 26.) Mit dem üblichen Beifpiel von der
erforderlichen Mufikkenntnis für die Biographie eines
Mufikers wird von L. die Chriftlichkeit des Kirchen-
hiftorikers gefordert; dabei wird, wie gewöhnlich, über-
fehen, daß die Mufikkenntnis in jenem Falle ein einfaches
technifches Erfordernis ift, das feine entfprechende Parallele
an der Kenntnis etwa des Lateinifchen und Griechifchen,
nicht aber am Glauben befitzt. Das Wort von der ,athei-
ftifchen Gefchichtsfchreibung' flammt übrigens nicht von
mir, wie L. S. 249 fagt, fondern von Paul Jäger, ich hatte
es nur in RGG zitiert. Daß jeder Kirchenhiftoriker wie
der Hiftoriker überhaupt Vorausfetzungen mitbringt und
mitbringen muß, beftreitet kein Einfichtiger, es fragt fich
nur, wie weit fie gehen follen.

Aus den territorialgefchichtlichen Arbeiten fei folgendes
notiert: Müller berichtet über m. a. Armenpflege
in Utrecht, Pijper teilt einen Erbauungstraktat ,wie Chriftus
uns beten lernte' mit, der auf den Index gekommen ift,
ein Katechismus, das Vaterunfer, den Glauben, die zehn
Gebote umfaffend und ihre einzelnen Sätze mit Bibel-
ftellen belegend. Amüfant ift der Bedürfniszettel eines
Stipendiaten für den Univerfitätsbefuch, den van Sche-
vichaven mitteilt, lehrreich die Abhandlung Eekhofs über
die Wirkfamkeit des nordamerikanifchen Prädikanten
Henricus Sellins in der Gemeinde Waverveen. Düker