Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1917

Spalte:

178

Autor/Hrsg.:

Classen, Walther

Titel/Untertitel:

Jesus von Nazareth. Worte und Taten nach den drei ältesten Evangelien 1917

Rezensent:

Schuster, Hermann

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

177

i78

Endlich fchwebte mir meine Arbeit als Stimmungsvorbereitung
für die Vierhundertjahrfeier der Reformation |
im Jahr 1917 vor.'

So befchreibt Bartels felbft den Zweck feiner Sammlung
. Da ihn nun fchon lange der Plan einer Auswahl '
evangelifcher Kirchenlieder nach dem dichterifchen Wert j
befchäftigte, fo bildet das evangelifche Kirchenlied den
Grundftock der Sammlung. Seine Entwicklung follte im
Rahmen der Gefamtentwicklung der (religiöfen) Lyrik
dargeftellt werden; fo wurden auch Lieder weltlicher
Dichter wie Opitz, Hagedorn, der Klaffiker, Romantiker
und neuerer Dichter (Hebbel, Meyer, Keller, Mörike u. a.),
befonders auch neuere vaterländifche Lyrik (Dichter der !
Freiheitskriege, Geibel, Gerok und lebende) aufgenommen;
dazu auch einige katholifche Dichter (Spee). Die Samm- |
lung reicht vom Mittelalter (1. Buch, 46 S.) bis zur Gegen- j
wart (Schüler, Knodt u. a.). Im Ganzen enthält der Band
540 Gedichte von 338 Dichtern. Die mittelhochdeutfchen
Texte find in Überfetzungen, die neuhochdeutfchen im
Urtexte (meift nach Porft) gegeben. (Warum in Luthers
,Vom Himmel hoch': ,Bift willekomm' ftatt ,bis willekomm
'?). Aus überlangen Gedichten hat B. Strophen
geftrichen, aber niemals fo, daß er ftatt eines zufammen- j
hängenden Ganzen bloß einzelne Proben böte. Überhaupt
wollte er fich vor Übertreibung des äfthetifchen
Prinzips hüten; Kirchenlieder find keine reine, fondern j
angewandte Poefie: fie wollen bekennen, erbauen, belehren, |
bekehren. Daher ift B. gegenüber den Überlieferungen
des Gesangbuches recht konfervativ verfahren.

Wenn ich zunächft diefen Standpunkt gelten laffe,
wundere ich mich doch über Einzelheiten. So find unter
den Neuaufnahmen nicht vertreten: der fünfte Pfalm
von Hans Sachs (in der Ausgabe des Infelverlags Bd. 1,
Seite 1) und Günthers ,Abendlied', wohl die fchönfte Perle I
deutfcher Lyrik vor Goethe. (Da B. offenbar kirchenliedmäßige
Lieder bevorzugte, begreift man wenn auch
mit Bedauern, die Nichtaufnahme von Gedichten wie |
Mörikes ,Neue Liebe' und .Liebesfeuer'). Andererfeits
find ausgelaffen Gefangbuchfchätze wie P. Gerhardts Adventslied
, ,Sollt ich meinem Gott nicht fingen', ,Ift Gott
für mich ; Terfteegens innigfchönes ,Nun fich der Tag
geendet'; auch Knapps .Eines wünfch ich mir vor allen
andern' wird man vermiffen.

Aber mich dünkt, auch wenn B. nicht fo fehr wie
Will Vefpers .Deutfcher Pfalter' (oder Günthers .Verlorene
Kirche') äfthetifchen Neigungen und modernen Stimmun-
gen Genüge tun will, auch wenn er nur ein erweitertes J
und erneuertes Gefangbuch bieten will, müßte er doch
im äfthetifchen und religiöfen Gefchmack beträchtlich moderner
und ftrenger fein. Ich bin freilich ganz damit
einverftanden, daß fo tüchtige, wenn auch nüchterne und 1
äfthetifch anfechtbare Lieder wie ,0 Gott, du frommer
Gott' beibehalten werden. Aber die gereimte Reforma-
tionsdogmatik von ,Es ift das Heil uns kommen her'
vermögen wir jetzt nur noch gefchichtlich zu würdigen,
von anderen unbekannten ganz zu fchweigen. Auch
Drollingers antideiftifche Reimerei hat nur hiftorifches
Intereffe. So fchleppt Bartels noch viel Ballaft mit, der
für einen heutigen Chriften ungenießbar ift und deshalb
zu dem an der Spitze der Einleitung angegebenen prakti-
fchen Zweck des Buches nicht paßt. Möchte er bei einer
neuen Auflage fich zu einer rückfichtslofen Ausmerzung
aller Gedichte, die nur den Literar- und Kirchenhiftoriker
noch intereffieren, entfchließen. Dann kann fein Buch uns
ein Vorbild werden für die dringend nötige Gefangbuchreform
, eine Notwendigkeit, die wir fchon vor dem Kriege
fchmerzlich empfanden. Damit könnte B. unferer Kirche
einen großen Dienft erweifen. Denn die Gefangbuchreform
(mit famt einer gründlichen Reform des ganzen Gottes-
dienftes) ift eine Lebensfrage der Kirche.1
Hannover-Kleefeld. Schuft er.

i) Eine Art Ergänzung zu Bartels' Sammlung bildet: Hammer,

Referate.

Violet, Pfr. Lic. Dr. Bruno: Religion und Kultur des Ib'ams. Vortrag
. (23 S.) 8". Berlin, Hutten-Verlag (1916). M. —50
Es lind zwei Fragen, die Violet in dielem feinem Vortrage
kurz aber in anfprechender Weife berührt; ,Ift der Iflam eine 1.
felbftändige Religion und 2. einheitliche Kultur?' Die Antworten
lauten: Er ift eine Religion, die das Abhängigkeitsgefühl von Gott
in felbftändiger Weife ausprägt, und eine Kultur, die trotz der
tiefgreifendften Verfchiedenheiten der Kultur seiner verfchiedenen
Völker, Länder und Zeiten eine gewiffe Einheitlichkeit durch die
Religion aufweift. Als Quelle wird der Koran benutzt. Aus ihm
gewinnt man zweifellos den älteften Iflam, nicht aber den Iflam
von heute. Zu deffen Darftellung müßten die modernen religiöfen
Abhandlungen zugezogen werden, aus denen fich ein ganz
anderes Bild ergibt. Unter dem Titel:,Kultur'werden verfchie-
denartige Äußerungen der materiellen Grundlage der Kultur,
ferner Kunfthandwerk, Architektur, Poefie und (leider nur äußerft
wenig) die Wiffenfchaften befprochen. Die Weltanfchauungskämpfe
und die fittlichen Ideale des Iflams hätten zweifellos auch noch
in den Rahmen der ,Kultur' hineingepaßt und auch feitens des
Verfaffers eine anziehende Darfteilung erfahren. Es verdient noch
hervorgehoben zu werden, daß uns vor allem die Erforfchung
der fagenumwobenen dogmatifchen Geftalt Muhammeds
zur Erkenntnis des Iflams führt, nicht die feiner hiftorifchen
Geftalt. Auch das eigenartige Erleben Gottes, wie es fleh in
der iflamifchen Myftik zeigt, verdient bei uns bekannt zu werden.
Bonn. Horten.

ClaTfen, Walther: Jefus von Nazareth. Worte und Taten nach
den drei älteften Evangelien. (IX, 176 S.) kl. 8°. München,
C. H. Beck 1917. Geb. M. 2.80

Eine mit den Worten des Neuen Teftaments im moderniderten
Lutherdeutfeh gehaltene, auf den gemäßigt kritifch betrachteten
drei erften Evangelien ruhende Darfteilung des Lebens und der
Predigt Jefu. Alfo im Unterfchied von der fubjektiven Vergegenwärtigung
, wie C. fie einft in feinem bekannten originellen Büchlein
, Jefus heute als unfer Zeitgenoffe' geboten hatte, dies Mal
ein objektiver Bericht, in dem der Verfaffer von wenigen erläuternden
Anmerkungen abgefehen, ganz hinter feinem Gegenstand
zurücktritt. Eine Evangelienharmonie, nicht ohne manche
große Fragezeichen wegen Anordnung der Gefchichten und
Zufammenftellung der Sprüche. Die Geburtsgefchichten flehen
in einem Anhang: Wie die erften Eltern der Gemeinde ihren
Kindern vom Heiland erzählten. — Ob dies neue Jefusbuch nötig
war? Den Vergleich mit dem früheren hält es nicht aus.
Hannover-Kleefeld. Schufter.

Die Regelten der BiTchöfe von Eichstätt. Bearbeitet v. Frz. Heidingsfelder
. 1. Lfg. (Veröffentlichungen der Gerellfch. f. fränk.
Gefell. VI. Reihe.) (160 S.) 4». Innsbruck, Wagner 1915.

M. 12-

Die Regelten der Bifchöfe von Eichstätt bilden eine Neubearbeitung
des 1871—74 von Leflad herausgegebenen heute
völlig veralteten Regeitenwerkes. Die vorliegende erste Lieferung
reicht bis zum Jahre 1196 und enthält 500 Nummern, während
Leflad bis zu diefem Zeitpunkt nur 324 Regelten bringt. Im
Gegenfatz zu der älteren Bearbeitung, welche nur die gedruckte
Literatur berückfichtigt hatte, hat Heidingsfelder, den heutigen
wiffenfchaftlichen Anforderungen entfprechend, das gefamte gedruckte
und ungedruckte Quellenmaterial verarbeitet. Außerdem
sind den Regelten der einzelnen Bifchöfe knappe biographifche
Notizen vorausfehickt. Die meisten und wichtigsten Nachrichten
über die Eichftätter Bifchöfe find, abgerehen von den Urkunden,
aus dem Gefchichtswerk des Klosters Herrieden, dem fogenannten
Anonymus Haferenfis, geschöpft. Es ift nicht gerade viel, was
wir über die Taten der Kirchenfürften erfahren. Befonders in
der älteren Zeit fließen die Quellen fehr fpärlich; nicht einmal
der Amtsantritt und das Todesjahr der ersten Bischöfe läßt (Ich
mit Sicherheit feststellen. Das liegt teils an der Ungunst der
Überlieferung, teils an der geringen Rolle, die das kleine fränkifche

Leben und Heimat in Gott. Eine Sammlung Lieder zur Erbauung und
Veredlung hrsg. von ]. Hammer, geachtet und ergänzt von D. Paul Mehlhorn
. 16. Aull. Leipzig, AmelaDg, 1916. 398 S. geb. 4 M. Diefe von
dem 1862 verstorbenen fächfifchen Dichter Hammer begründete und von
dem bekannten Leipziger Pfarrer Mehlhorn fortgeführte Sammlung enthält
keine Kirchenlieder fondern religiöfe Lyrik. Goethe und Schiller
lind reich vertreten, fonft überwiegt durchaus das 19. Jahrhundert. Die
Anordnung ift nicht gefchichtlich, fondern nach Sachgruppen getroffen.
Das Buch verfolgt alfo einen rein äfthetifch-erbaulichen Zweck.